Offenbach fordert Richtlinien für Rechenzentren

In der Region sprießen zahlreiche Rechenzentren aus dem Boden. In Offenbach werden Kontrollmöglichkeiten diskutiert, die den Bauboom regulieren sollen.
Offenbach - Auf die Lage kommt es an: In früheren Zeiten war es für das Erblühen von Städten wichtig, entweder entlang der großen Handelsrouten zu liegen oder einem religiösen Zentrum zugehörig zu sein. Beides versprach wirtschaftlichen Wohlstand. Heute ist ein neuer Faktor im Spiel: Daten – schneller Datenaustausch und die Nähe zu Daten-Knotenpunkten sind zum Standortvorteil geworden.
Mit DE-CIX (Deutsche Commercial Internet Exchange) befindet sich im benachbarten Frankfurt einer der größten Internetdaten-Knotenpunkte der Welt. Untergebracht ist dieses Drehkreuz in mehr als 20 Rechenzentren. Und diese ziehen weitere an: Das Rhein-Main-Gebiet ist gefragt, was den Bau dieser Daten-Kolosse anbelangt. Auch Offenbach profitiert davon, neben einem bereits existierenden Rechenzentrum sind zwei weitere im Entstehen. Das Projekt des amerikanischen Unternehmens Cloud HQ nahe des Wohngebiets An den Eichen zählt zu den größten europaweit.
Offenbach: Rechenzentren verursachen auch Probleme
Doch der Bauboom hat auch Kritiker, die Stadt will sich nun beim Land und der Regionalversammlung für einheitliche Regelungen für den Bau, Betrieb und die Nachnutzung einsetzen. Auf Antrag der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP haben die Stadtverordneten den Magistrat dafür mehrheitlich beauftragt.
„Rechenzentren sind Chance und Herausforderung zugleich“, sagt Basak Taylan-Kiran von den Grünen: Sie machen die Stadt für innovative, auf Datenaustausch setzende Unternehmen attraktiv. „Problematisch sind aber unter anderem der hohe Stromverbrauch oder der Lärm durch die Notstromaggregate“, sagt sie.
Richtlinien für Rechenzentren in Offenbach gefordert
Momentan herrsche eine Art „Goldgräberstimmung“ in der Branche, ist aus der Koalition zu hören: Es brauche dringend Richtlinien, wie die Zentren entstehen sollen und negative Auswirkungen für die Anwohner begrenzt werden können. Tatsächlich ist das Vorgehen, was und wie gebaut werden darf, bisher je nach Kommune höchst unterschiedlich. Während im nahen Hanau-Wolfgang für das amerikanische Unternehmen Google ein riesiges Rechenzentrum entsteht, das ganz offensiv mit Nachhaltigkeit und Umweltstandards wirbt, ist in Offenbach nichts Vergleichbares zu hören.
Im Gegenteil, als sich zuletzt Kritik seitens der Anwohner am Bau von Cloud HQ regte, verwies die Stadt darauf, dass der technische Aufwand, etwa für eine Abwärmenutzung, viel zu hoch sei und das Projekt für das Unternehmen unrentabel machen würde. Für Umweltauflagen, welche die üblichen Standards überschreiten, gebe es zudem keine Handhabe, war aus Offenbach zu hören – während in Hanau laut über Strom aus regenerativen Energien für ein neues Rechenzentrum nachgedacht wird.
Richtlinien für Rechenzentren sollen Bauboom in Offenbach regulieren
Neben einer Bestandsanalyse, was wo gebaut wird, fordert die Koalition das Land und die Regionalversammlung auf, einheitliche Richtlinien aufzustellen und den Bauboom zu regulieren. Auch die Kosten für Bereitstellung und Ausbau der entsprechenden Infrastruktur müssten fair verteilt werden, heißt es von den Koalitionären. Dabei gerät vor allem die Ertüchtigung des Stromnetzes ins Blickfeld: Die Grünen schreiben, dass der Energiebedarf im Rhein-Main-Gebiet nicht zuletzt auch der Rechenzentren wegen sich im Vergleich zu 2016 im kommenden Jahr verdreifachen wird.
Etwas kurios mutet die Forderung nach Klärung der Nachnutzung an: Die größten Rechenzentren befinden sich noch im Bau, dass weitere folgen werden, steht außer Frage – und doch heißt es von den Grünen, dass absehbar sei, dass in 20 Jahren die Rechenzentren nicht mehr gebraucht würden. Weshalb schon jetzt Pläne für die Nachnutzung her müssten. (Frank Sommer)