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Freimaurer stehen heute zwischen Tradition und Zeitgeist

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Auf Anregung des regierenden Fürsten Carl zu Isenburg-Birstein, der in Frankreich Freimaurer wurde, beschließen am 5. September 1812 elf Männer die Logengründung in Offenbach. Das Logenhaus befand sich später in der Luisenstraße 2. J  Foto: Stadtarchiv
Auf Anregung des regierenden Fürsten Carl zu Isenburg-Birstein, der in Frankreich Freimaurer wurde, beschließen am 5. September 1812 elf Männer die Logengründung in Offenbach. Das Logenhaus befand sich später in der Luisenstraße 2. © Stadtarchiv

Offenbach - Vor fünf Jahren feierte die Offenbacher Loge „Carl und Charlotte zur Treue“ ihr 200-jähriges Bestehen. Aber schon am 1. Oktober sind im Capitol an der Goethestraße abermals Freimaurer vereint, um ein für sie wichtiges Jubiläum zu würdigen. In aller Welt nämlich sehen Freimaurer das Jahr 1717 als Gründungsjahr an. Von Lothar R. Braun.

Der Wohltätigkeitsverein der Offenbacher Loge wird bei dieser Gelegenheit seinen Kulturpreis aushändigen. Im Mittelpunkt stehen zwei Vorträge. Sprechen werden zum einen Thomas Forwe von der „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland“, zum anderen Walter Noll, derzeit Meister vom Stuhl der Offenbacher Loge. Meister vom Stuhl wird in dieser Gemeinschaft der jeweilige Vorsitzende genannt, der das Amt keinesfalls länger als vier Jahre ausüben darf.

In Offenbach erreicht man diesen Vorsitzenden durch einen unauffälligen Hauseingang an der Domstraße. Auf einem kleinen Schild neben der Tür ist aus Zirkel und Winkelmaß ein Rhombus gebildet, das Zeichen der Freimaurer. Dahinter liegen die Räume der Loge. Sie öffnen sich häufig auch für Nichtmitglieder, haben aber nur noch wenig gemein mit dem einstigen Logenhaus in der Luisenstraße. Das spielte in der Stadtgesellschaft der Offenbacher Nachkriegszeit die Rolle eines Gesellschaftshauses. Tanzschulen hielten dort ihre Abschlussbälle. Im Keller nutzten abends diverse Klubs die Kegelbahn. Verschlossen war lediglich der Raum, in dem Freimaurer die Rituale ausüben, die sie Tempelarbeit nennen. Aber man wusste, wer daran teilnahm, und das genoss Respekt.

Es hat sich also etwas verändert in den letzten Jahrzehnten, und das nicht nur in Offenbach. Die Zahl der Freimaurer ist rückläufig. Rund 15000 Mitglieder soll es in den 100 deutschen Logen noch geben. Teile des Bürgertums, die einst ihre geistige Heimat in einer Loge fanden, sind heute bei Rotary oder Lions aktiv. Etwa 40 Brüdern steht Walter Noll vor. Und das seien nicht nur grauhaarige Senioren, sagt er: „Wir haben jüngere Zugänge.“

Es entspricht dem freimaurerischen Verständnis von der Gleichwertigkeit der Religionen, sagt Noll, dass in der Loge der Moslem ein Bruder sowohl des Juden als auch des Christen wird. Bei der feierlichen Einschwörung eines Neuen habe man auch schon mal die Bibel durch den Koran ersetzt. Nie aber wird bei der „Tempelarbeit“ nach uralten Riten neben dem Bruder eine Schwester stehen. Nicht in Offenbach. Zwar gibt es Logen mit Geschlechtermischung, aber die werden von den meisten Großverbänden nicht anerkannt.

Die mittelalterlichen Bauhütten, in denen die Freimaurer ihren Ursprung sehen, kannten ja auch keine weiblichen Steinmetzen. Aber die Bauhütten kannten die Verschwiegenheit, die das Wissen um Technik und Physik beim Bau von Kathedralen vor fremdem Zugriff bewahrte. Diese Verschwiegenheit der Freimaurer hat seit Jahrhunderten Misstrauen erzeugt. Heute ist es mit der Geheimhaltung nicht mehr weit her. „Die sogenannten Geheimnisse der Freimaurer können Sie heute problemlos im Internet herunterladen“, sagt Noll.

Doch um Nachwuchs kann Walter Noll nicht werben. Seiner Bruderschaft tritt man nicht bei wie einem Sportverein. Man wird empfohlen und eingeladen, wenn man die Bereitschaft erkennen lässt, am eigenen Charakter zu arbeiten wie der Steinmetz am Stein, als Lehrling, Geselle und Meister. Vom Bruder wird erwartet, dass er ein besserer Mensch werden will, um damit zu einer besseren Menschheit beizutragen. So etwa ist die Grundregel, zu der sich so prominente Freimaurer wie Goethe, Mozart, Lessing, einige Hohenzollern-Könige oder auch Winston Churchill bekannt haben.

Die Offenbacher Loge hat sich 1812 nach dem letzten hier regierenden Fürstenpaar benannt. Andere tragen so wunderliche Namen wie „Wilhelm zu den drei Helmen“ oder „Humanistas zu den drei Lilien“. Noll findet es deshalb bemerkenswert, dass jüngst eine neue Loge in Gelnhausen den einfachen Namen „Kaiserpfalz Gelnhausen“ wählte. Da hat der Zeitgeist gepfiffen, denn so könnte in der Tat ja auch ein Lions-Club heißen.

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