Boughriba: So wie es im Moment ist, erhöht die 2G-plus-Regel die Sicherheit überhaupt nicht. Sie sorgt nur dafür, dass das Virus nicht in Offenbacher Restaurants, sondern in den Nachbarstädten weitergegeben wird. Dennoch werden wir als kleines Fleckchen isoliert. Eine undurchdachtere und realitätsfernere Regelung kann ich mir nicht vorstellen.
Sind Sie deshalb sauer auf die Politik?
El Machit: Ich bin sauer, dass offenbar ein paar Theoretiker sich etwas ausgedacht haben, das völlig an der Realität der Menschen vorbei geht. Die Folge von dieser Lebensfremdheit ist eine völlig unsinnige Benachteiligung von uns Offenbacher Gastronomen. Man könnte schon sagen, dass das sogar einen krassen Fall von Wettbewerbsverzerrung darstellt.
Was hätten Sie denn besser gemacht?
El Machit: Es ist immer einfach zu sagen, was man im Nachhinein hätte besser machen können. Aber jeder, der ein bisschen nachdenkt, weiß doch, dass man gerade in der Gastronomie Planungssicherheit braucht. Aber die habe ich nicht. Im Gegenteil. Fast jede Woche gibt es neue Änderungen, die Auswirkung auf unsere Belegung haben. Wir sind deshalb immer wieder gezwungen, eingekaufte Lebensmittel wegzuschmeißen. Das tut ja nicht nur finanziell weh. Dann lieber einen Lockdown. Harte, kurze Einschnitte, die alle betreffen und nicht nur die Gastronomen einer Stadt, die durch ihre Bevölkerungsstruktur einen Inzidenznachteil hat.
Sie wollen einen erneuten Lockdown?
El Machit: Wer realistisch ist, kommt doch automatisch zu diesem Schluss. Wenn wir wollen, dass die Zahlen fallen, dann muss ein Lockdown her. Da hilft auch alles Herumreden nichts. Nicht nur, dass die Wissenschaft das aus epidemiologischer Sicht für sinnvoll hält. Auch aus wirtschaftlicher Sicht wäre das für die Gastronomie der einzig richtige Weg, denn wir hätten Planungssicherheit. Wir müssten dann nicht mit der kompletten Mannschaft dastehen, um am Ende zwei Tische zu bedienen. boughriba: Ich sehe das genauso. Die Einbußen wären für uns Gastronomen immerhin überschaubar, und danach könnten wir relativ entspannt und wirtschaftlich rentabel wieder öffnen. Doch ich bezweifle, dass das geschehen wird, weil die Einbußen für die Wirtschaft insgesamt zu hoch wären.
Da wir gerade von Einbußen sprechen: Wie lief denn der erste Tag mit den Einschränkungen konkret?
El Machit: Wir haben es gleich am Umsatz gemerkt. Wir hatten tagsüber viel weniger als sonst zu tun. Direkt am Morgen kamen die ersten drei Absagen von Gruppen in der Größenordnung von sechs bis neun Personen. Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll. So kommen wir jedenfalls an die Grenzen unserer finanziellen Belastbarkeit und auch Leidensfähigkeit. Denn das, was wir an festen Kosten haben, steht zur Zeit in keinem Verhältnis zu dem, was am Ende reinkommt. Das macht ja auch etwas mit einem. Wir sind in der Branche alle emotional sehr angeschlagen. Diese Situation macht keinen Spaß mehr, sondern depressiv.
Das heißt, Sie kämpfen gerade ums Überleben?
El Machit: Der größte Teil der Branche jedenfalls schon. Unsere Restaurants hier am Wilhelmsplatz liefen in den vergangenen Jahren sicher sehr gut, und wir konnten so natürlich auch ein Polster aufbauen, dass uns nun ein paar Monate das Überleben ermöglicht. Aber unendlich groß ist das auch nicht.
Boughriba: Doch für 90 Prozent der übrigen Gastronomiebetriebe gilt das nicht. Viele Läden standen schon vor der Regelverschärfung am Abgrund. Schon bald wird es deshalb ein bisher nie dagewesenes Gastronomiesterben geben. Das steht fest. (Interview: Christian Reinartz)
Das Weihnachtsshopping in Offenbach sollen 2G-Bändchen retten.