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Offenbach hat Schuleingangsuntersuchung wiederaufgenommen

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Von: Frank Sommer

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Um Kinder zu fördern, rät das Gesundheitsamt, gemeinsam zu lesen oder zu basteln.
Um Kinder zu fördern, rät das Gesundheitsamt, gemeinsam zu lesen oder zu basteln. © Schade

Jedes Kind wird, bevor es eingeschult wird, zuvor untersucht, ob es körperlich und geistig reif ist für die Schule. Oder ob spezielle Förderprogramme beantragt werden müssen. Doch dann kam die Pandemie und fürs Schuljahr 2020/21 mussten die Untersuchungen vorzeitig eingestellt werden. „Wir hatten im November 2019 mit den Untersuchungen begonnen, doch ab dem 10. März ging nichts mehr“, erinnert sich Dr. Barbara Schneider, Ärztin im Gesundheitsamt und für die Schulen zuständig. Nur die Hälfte der angehenden Erstklässler konnten untersucht werden.

Offenbach - Für das Schuljahr 2021/22 musste sogar gänzlich auf die Eingangsuntersuchung verzichtet werden. Ein Nachholtermin ist nicht geplant. Immerhin: Fürs nächste Schuljahr gibt es wieder die Begutachtung. Aus Kapazitätsgründen werden aber nicht alle Erstklässler zum Termin beim Gesundheitsamt geladen. „Wir werden nur die Hälfte der rund 1400 Kinder untersuchen können“, sagt Dr. Schneider. Normalerweise stehen vier Fachkräfte dafür zur Verfügung, momentan ist Dr. Schneider jedoch allein. „Die anderen sind noch unserem Corona-Team zugeteilt“, sagt sie.

Seit Oktober laufen wieder Untersuchungen, von Woche zu Woche (je nach Corona-Lage) wird entschieden, wie viele Kinder untersucht werden können. „Wahrscheinlich werden wir auch in den Sommerferien Termine anbieten“, sagt sie.

Ein Trend ist bei den künftigen Erstklässlern aber bereits absehbar: Wenig überraschend ändert sich am regelmäßig schlechten Abschneiden der Offenbacher Kinder im Hessenvergleich wenig. „Schon vor der Pandemie hatten wir in Offenbach meist die dicksten Kinder und die, mit den geringsten deutschen Sprachfähigkeiten – das ist leider weiterhin so“, sagt Dr. Schneider.

Die Pandemie als Schuldigen auszumachen, sei aber zu kurz gegriffen, schließlich existierten die Probleme schon davor. Seit knapp 20 Jahren verschlechterten sich Sprach- und Bewegungsfähigkeit der Kinder in der Stadt, sagt sie. Durch die Pandemie aber fielen diese Defizite noch deutlicher auf, die Lehrer seien nicht zu beneiden.

Denn anstatt dass die Eltern ihre Erziehung infrage stellen, würde erwartet, dass Kita und Schule das beheben, was eigentlich Sache des Elternhauses sei. „Die Kinder wurden schon vor der Pandemie viel zu häufig vor dem Fernseher geparkt, während der Pandemie leider noch viel öfter“, sagt sie. Da pandemiebedingt Kita-Betreuung ausfiel, fehlt es gerade Kindern mit Migrationshintergrund an Ansprache in Deutsch – die jüngst beobachtete fehlende Sprachkompetenz sei geradezu katastrophal und wird die schulische Laufbahn nicht erleichtern. „Eigentlich müsste es nun viel kleinere Klassen für intensivere Betreuung geben“, sagt sie.

Die Untersuchung

Alle Kinder, die zum 1. Juli das sechste Lebensjahr vollenden, sind schulpflichtig. In der Regel stehen zwischen November und Juni Schuleingangsuntersuchungen an. Dabei erhalten
Eltern und Kinder je nach Schulbezirk einen Termin. Bei der Untersuchung wird die geistige und sprachliche Entwicklung überprüft, es gibt Hör- und Sehtests und die grob- wie feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder werden begutachtet.

Mehr als sonst falle nun auf, wie sehr sich der Bildungsstand der Eltern auf die Kinder auswirke. Um die Kinder zu fördern, rät Dr. Schneider dazu, ihnen vorzulesen, sich viel mit ihnen zu unterhalten, um deren Wortschatz zu erweitern. Es sei schockierend, dass Kinder in der Eingangsuntersuchung etwa eine Trompete oder Palme nicht benennen könnten oder dass einfache Bewegungsaufgaben wie Hüpfen schwerfielen. „Sich in einem Sportverein zu engagieren, kann ein Ausweg sein: Da lernt man auch soziales Miteinander“, sagt die Ärztin.

Wichtig sei es, den Medienkonsum einzuschränken und dass dies auch von den Eltern vorgelebt werde – Fragen, wie viel Zeit vor TV-Gerät und Smartphone zugebracht werden sollte, würden oft von Eltern bei der Untersuchung gestellt. Dass diese Defizite schnell aufgeholt werden könnten, sei nicht zu erwarten, wahrscheinlich werde man die ganze Schulzeit über genau sehen können, wer während der Pandemie eingeschult wurde und wie stark das Elternhaus mit Fördermöglichkeiten kompensierend eingreifen konnte.

Von Frank Sommer

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