Manche ältere Offenbacher befürchten Chaos, wenn das neue Verkehrsmittel kommt

Offenbach – Erinnerungen an die Kindheit werden wach. Rechter Fuß auf den Roller, mit dem linken stößt man sich los – und rolllllt. Und heute kommt dann noch der elektrische Antrieb dazu, kann man mit dem E-Scooter in Windeseile eine längere Strecke zurücklegen.
Offenbach - Ideal in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto, wenn man nicht direkt am Ziel einen Parkplatz findet.
Noch sieht man die neuen Fahrzeuge nicht im Offenbacher Straßenbild. Ob sie auf Deutschlands Straßen zugelassen werden, könnte sich am 17. Mai im Bundesrat entscheiden (siehe Box). So manchem älteren Offenbacher bangt allerdings schon davor. „Das gibt ein Chaos“, meint ein Leser. „Es sind ja jetzt schon so viele verschiedene Fahrzeuge auf den Straßen und Gehwegen unterwegs.“
Der Gehweg wird wohl von den E-Scootern verschont bleiben. Die Offenbacher Seniorin Gertrud Petermann ist darüber erleichtert; die 92-Jährige ist mit dem Gehstock unterwegs. „Ich habe ja schon Angst, wenn sich zwei junge Leute auf dem Bürgersteig balgen“, erzählt sie und spricht damit vermutlich vielen Älteren aus dem Herzen. Die Tendenz, dass es immer schneller gehen müsse, findet sie problematisch.
Offenbacher Seniorenrat ist skeptisch
Wenn für die Elektrokleinstfahrzeuge der Gehweg tabu ist, bleibt der Radweg – sofern einer existiert. „Da haben wir ja schon das nächste Problem“, meint Rentner Manfred Walther. Dort seien bald nicht nur Fahrräder und ihre elektrische Variante, die E-Bikes, unterwegs, sondern inzwischen auch Elektro-Skate- oder Waveboards und Elektro-Rollschuhe.
Beim Offenbacher Seniorenrat ist man ebenfalls skeptisch. „Wir sehen die Entwicklungen mit Besorgnis“, erklärt Dieter Dänner. Schon jetzt kämen sich Radfahrer und Fußgänger ins Gehege. Problematisch sei auch die Rücksichtslosigkeit einiger Verkehrsteilnehmer. Dänner verweist auf die Kampagne „Offenbach fährt fair“. Dänner: „Wenn sich alle fair verhalten, auch die Fahrer von E-Scootern, kommen alle besser miteinander klar.“
Beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), dem größten Sprachorgan der Radfahrer in Deutschland, hat man mit Genugtuung die Entwicklungen in Frankreich verfolgt, wo gerade die Benutzung von Gehwegen durch E-Scooter verboten wurden. Weder Geh- noch Radwege in Offenbach sieht man beim hiesigen ADFC für E-Scooter gerüstet. Für die Benutzung von E-Scootern noch viel wichtiger als für Fahrräder sei, dass die Wege möglichst glatt und frei von Schlaglöchern wären, weiß Detlev Dieckhöfer vom ADFC Offenbach . „Das sind die wenigsten Radwege in Offenbach.“ Zudem seien viele Radwege in der Stadt eng und schon sehr stark befahren, sodass es zu Konflikten kommen könne.
Radwegen müssten erst saniert und verbreitert werden
„Gerade in Offenbach sollte man die Radwege zum einen sanieren und verbreitern, bevor man sie weiteren Nutzergruppen zur Verfügung stellt“, so Dieckhöfer. Auch sollten alle für Radfahrer relevanten Straßen dringend saniert werden, sodass mehr Bürger lieber das Rad als das Auto nehmen. „Die Einführung der E-Scooter, die in Offenbach bereits zu beobachten ist, wäre ein weiterer Anlass, damit zu beginnen“, findet der Sprecher.
Es werde sich zeigen, ob die Scooter-Fahrer Slalom fahren oder es lieber sein ließen, die Offenbacher „Schlaglochpisten“ zu benutzen. Man solle also zunächst Erfahrungen sammeln, bevor man sich aufrege. Grundsätzlich sieht der ADFC die Elektrokleinstmobile aber als eine weitere gute Möglichkeit, ein oder zwei Kilometer in der Stadt autofrei zu bewältigen, sofern die richtigen Bedingungen dafür vorhanden sind.
Bei der Stadt wartet man ab, ob die Zulassung für E-Roller überhaupt kommt. Dass der Zustand der Radwege zum Teil deutlich verbesserungswürdig ist, sei unbestritten, räumt Stadtsprecher Fabian El Cheikh ein. Der Finanzierungsbedarf betrage „mehrere Millionen, und die finanzielle Situation der Stadt ist allgemein bekannt. Deshalb müssen wir die Infrastrukturprojekte priorisieren.“
"Bürgersteige sollen den Fußgängern vorbehalten bleiben"
Weil die Zahl der Kinder in Offenbach steige, sei Schwerpunkt im Moment die Sanierung und der Neubau von Schulen und Kitas. „Im Bereich Radverkehr liegt der städtische Schwerpunkt aktuell auf dem Projekt Bike Offenbach“, so El Cheikh. Bis 2021 sollen neun Kilometer Fahrradstraßen entstehen und sechs Achsen, die das Stadtgebiet und das Umland neu erschließen. Ob die Kapazitäten ausreichen, lässt sich laut El Cheikh derzeit nicht einschätzen. „Dazu bräuchte man eine Vorstellung, wie viele E-Scooter zu erwarten sind.“
Die Bürgersteige indes sollten grundsätzlich Fußgängern vorbehalten bleiben, sagt der Sprecher. „Sie sind der schwächste und damit am stärksten gefährdete Verkehrsteilnehmer.“ Und sollte es doch zu Zusammenstößen kommen, meint Rentner Manfred Walther lakonisch: „Wir haben ja gute Krankenhäuser.“
VON ANKE HILLEBRECHT