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Offenbacher Erfindung setzt zum Siegeszug an - Anfragen aus aller Welt

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Von: Veronika Schade

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Die Gründerinnen von „Pizzycle“, Marlene Bruch (links) und Luise Hornbach, zeigen die von ihnen entworfenen Mehrweg-Pizzaverpackungen. Sie haben mit dem Konzept bereits erfolgreich auf dem Markt Fuß gefasst und erhalten Anfragen aus der ganzen Welt.
Die Gründerinnen von „Pizzycle“, Marlene Bruch (links) und Luise Hornbach, zeigen die von ihnen entworfenen Mehrweg-Pizzaverpackungen. Sie haben mit dem Konzept bereits erfolgreich auf dem Markt Fuß gefasst und erhalten Anfragen aus der ganzen Welt. © Schade

Mit der richtigen Idee zum richtigen Zeitpunkt gestartet und die Welt erobert: Ein Offenbacher Startup ist auf dem besten Weg zu einer Erfolgsgeschichte.

Offenbach – Mit der richtigen Idee zum richtigen Zeitpunkt gestartet und die Welt erobert: Ein Startup aus Offenbach ist auf dem besten Weg zu einer Erfolgsgeschichte. Mit einer wiederverwendbaren Pizzaverpackung sagt es herkömmlichen Pizzakartons den Kampf an – für Umwelt und Nachhaltigkeit.

Doch von Anfang an: Es ist gerade erster Corona-Lockdown, als die Hochschule für Gestaltung (HfG) ihren Studenten die Frage stellt: „Corona – Was jetzt?“ Auf der Suche nach einer kreativen und zugleich lebensnahen Antwort lernen sich die Produktdesign-Studentinnen Luise Hornbach und Marlene Bruch kennen. Die 27- und 25-Jährige verbindet ihr Interesse an Nachhaltigkeit. „Als die Restaurants geschlossen waren, bestellten die Leute sich Essen nach Hause. Die Mülleimer quollen über“, fiel ihnen auf. Dabei ragten vor allem Pizzakartons heraus. „Pizza ist die Nummer 1 unter den Essensbestellungen und wird immer im Karton geliefert. Es gab keine Alternative und da beschlossen wir, eine zu finden.“

Erfindung aus Offenbach: Pizzakartons umweltschädlicher als man denkt

Die Pappkartons werden, so die Erfahrung der Studentinnen, allgemein als nicht sehr umweltschädliche Verpackung wahrgenommen, die man im Altpapier entsorgen und recyceln kann. Doch das stimmt nicht. „Sie sind aus Primärfasern hergestellt, denn nur diese dürfen direkten Kontakt zu Lebensmitteln haben“, erläutert Hornbach. „Dafür muss Wald abgeholzt werden.“ Anschließend gehören die Kartons in den Restmüll, da Fett und Essenreste an ihnen haften, die den Papier-Recyclingmaschinen schaden. „Durch Fehlwürfe entstehen der Wirtschaft im Jahr Kosten von 750 Millionen US-Dollar.“ Durch den Ressourcenverbrauch bei der Herstellung, die Kurzlebigkeit des nur einmal verwendeten Produkts und die schwierige Entsorgung haben die Pizzakartons eine katastrophale Öko-Bilanz.

Ärgerlich: Pizzakartons verursachen viel Abfall.
Ärgerlich: Pizzakartons verursachen viel Abfall. © Schade

Die Idee ist schnell geboren: eine wiederverwendbare Pizzaverpackung. Doch was so einfach klingt, ist in der Ausführung komplex: Von der Größe über die Form, Material, den Verschluss bis hin zum Herstellungsverfahren – es gab viel zum Nachdenken, Tüfteln, Probieren und Bauen. „Die Packung muss hitzebeständig und kratzfest sein“, sagt Bruch. Das Ergebnis ist rund, besteht aus zwei gleichen Hälften, die mit Bajonettverschluss ineinandergedreht werden. Lüftungsschlitze sorgen dafür, dass Feuchtigkeit entweichen kann, sogenannte Stapelnasen gewährleisten Stabilität beim Transport. Dazu lassen sich die Schalen platzsparend stapeln und passen in die Spülmaschine. „Uns ist wichtig, dass der Umgang leicht ist und Spaß macht. Sie sollen aber auch gut aussehen“, so der Anspruch der Designerinnen. Schlicht und funktional, aber zeitlos – so beschreiben sie ihr Produkt, das es in mehreren Farben gibt.

Wiederverwertbarer Pizzakartons aus Offenbach komplett in Deutschland produziert

Das erste „Pizzycle“ – das Wort setzt sich zusammen aus Pizza und recycle (englisch für wiederverwerten) entstand im 3D-Drucker. Doch für die Massenproduktion ist das nichts. Überzeugt von ihrer Idee, beflügelt durch den Zuspruch in sozialen Medien und mit dem „Green Product Award“ ausgezeichnet, wagen sie als Startup den nächsten Schritt: die Herstellung und Vermarktung ihres Produkts. Mit im Team sind nun auch Filip Raketic, der Nachhaltigkeitswissenschaften studiert hat, und Patentanwalt Malte Köllner. Einen Hersteller zu finden, der an das Konzept glaubt, gelingt den Offenbachern schnell.

Zahlen und Fakten: Pizzakartons

. Laut einer NABU-Studie von 2017 entstehen in Deutschland jährlich rund 50 000 Tonnen Pizzakartonabfälle. Dies entspricht knapp 22 Prozent der in der Außerhausverpflegung anfallenden Abfallmengen.

. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 102 Gramm pro Packung entspricht dies mehr als 490 Millionen Einweg-Pizzakartons pro Jahr.

. Die Kartons sind nicht recycelbar, da die Speisereste untrennbar mit dem Material verbunden sind und den Recyclingmaschinen schaden. Im Restmüll werden diese verbrannt oder landen auf der Deponie.

. Kartons verbrauchen auch bei der Herstellung Ressourcen und Energie. Würden die jährlich verbrauchten Einweg-Pizzakartons übereinander gestapelt, wären sie zweimal so hoch wie der Durchmesser der Erde und aufgereiht umrunden sie die Erde fünfmal.

Die „Pizzycles“ werden komplett in Deutschland produziert und bestehen zu 100 Prozent aus wiederverwendbarem, reinen Kunststoff. Die Bestellungen laufen über das digitale Mehrwegsystem „Vytal Global“, das es registrierten Nutzern in teilnehmenden Restaurants ermöglicht, das Essen in Mehrweg statt Einweg zu bestellen und so in den Kreislauf zu treten. Umso mehr Lokale mitmachen, desto einfacher gestaltet sich das Ganze. Die erste Pizzeria, die „Pizzycles“ seit Ende März anbietet, befindet sich in der holländischen Stadt Hoorn, die erste deutsche Lieferung ging nach Stuttgart. Mittlerweile sind die Packungen in Ländern wie Frankreich, Italien und Belgien im Umlauf, es gibt Anfragen von Kolumbien über Kanada, Thailand bis nach Australien.

Offenbach: Erfolg mit Erfindung lässt kaum Zeit für Studium

Zum Studieren hatten die beiden Offenbacherinnen in den vergangenen Semestern keine Zeit, waren komplett damit beschäftigt, ihre Idee zu realisieren. Dass dies so gut klappt, hätten sie nie gedacht. Ihr Diplom wollen sie aber auf jeden Fall machen. „Es freut uns, dass Nachhaltigkeit ein immer wichtigeres Thema ist“, sagen sie. Sie werde ihr oberstes Ziel und Grundlage ihrer Arbeit bleiben. Daher müsse genau geschaut werden, wie sich das Konzept gerade in weit entfernten Ländern umsetzen lasse, ohne das Credo aus den Augen zu verlieren. In der Region ist aber auch noch sehr viel Potenzial. „Wir sind bisher nur in Frankfurt vertreten, in Offenbach nicht.“ Das wird sich, hoffen die Gründerinnen, bald ändern. Interessierte Restaurants können sich jederzeit an sie wenden. (Veronika Schade)

Jüngst ging derweil ein Lieferdienst-Startup in Offenbach auf den Markt: Mayd will Offenbach mit Medikamenten aus Frankfurt beliefern.

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