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Offenbacher stellt Ladesäulen für E-Autos zur Verfügung: Jetzt sollen sie wieder weg

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Von: Christian Reinartz

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Boris Becker mit Aktenordner: Die beiden Ladestationen und Parkplätze hat ihm die Bauaufsicht verboten.
Boris Becker mit Aktenordner: Die beiden Ladestationen und Parkplätze hat ihm die Bauaufsicht verboten. © Reinartz

In Offenbach will ein überzeugter E-Autofahrer Ladesäulen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Stadt veranlasst jedoch den Abbau.

Offenbach – Nur wenige Tage nachdem die Stadt einem Ehepaar verboten hatte, ihr E-Auto per Kabel zu laden, steht die Stadt Offenbach erneut im Zentrum eines beispiellosen Streits um Elektromobilität. Diesmal geht es um zwei Ladesäulen, die der Offenbacher Boris Becker auf seinem privaten Grund am Buchrainweg installiert hat. Das Besondere: Becker ist seit sechs Jahren überzeugter Elektromobilist und wollte mit seiner viele tausend Euro teuren Investition eigentlich die Infrastruktur in Offenbach nach vorne bringen, in dem er seine Ladestationen auch anderen E-Fahrern zur Verfügung stellt.

„Doch anstatt sich über das Angebot im Stadtgebiet zu freuen, will mich die Bauaufsicht jetzt zwingen, die Ladestationen wieder abzubauen“, sagt Boris Becker. „Nicht mal mehr privat soll ich sie nutzen dürfen. Und das, obwohl Offenbach in Sachen Ladestationen eine Wüste ist.“ In der Tat ist die Stadt seit nunmehr zwei Jahren damit beschäftigt, ein Konzept zu entwickeln, um ein ausreichendes Angebot an Ladestationen zu schaffen. Bis heute liegt aber nicht mal das vor. Und auch im deutschlandweiten Versorgungsranking liegt Offenbach in Sachen Ladesäulen ganz hinten.

Bauamt in Offenbach sieht Wohnruhe gefährdet

Was sich vor diesem Hintergrund fast schon abenteuerlich anhört, entpuppt sich bei Durchsicht von Beckers Korrespondenz mit Bauamtsleiterin Sonja Stuckmann als bittere Realität. Darin heißt es: „Wir halten diese Einrichtung für eine gewerbliche Nutzung, die mit einem reinen Wohngebiet vom Grundsatz her unverträglich ist.“ Das diene vorrangig dem Wohnen und der dortigen Wohnbevölkerung. „Dieser Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht der Eintrag von Fremdnutzungen.“ Erzielt werden solle eine „größtmögliche Störungsfreiheit und eine Widmung des Gebiets der Wohnruhe“. Und weiter: „Die öffentlichen E-Ladestationen widersprechen dem Gebietscharakter, stören das nachbarliche Austauschverhältnis und führen zu einer Verfremdung des Gebiets.“

Dazu führt die Bauaufsicht an, dass Becker mit der Installation der Ladesäulen, gegen den sogenannten Fluchtlinienplan verstößt. Heißt im Klartext: Zwischen Hauswand und Grundstücksgrenze muss eine bestimmte Meterzahl Platz sein. Die an der Wand installierten Ladesäulen verkürzen diese Mindestdistanz um wenige Zentimeter und sind deshalb laut Bauaufsicht unzulässig. Dazu kommt der Vorwurf, Becker habe zwei Stellplätze auf seinem Grundstück geschaffen, obwohl der straßenseitige Bereich von baulichen Anlagen und Versiegelungen freizuhalten und zu begrünen sei, heißt es in dem Schreiben. Zum Schluss stellt Stuckmann klar: „Die Nutzung der Stellflächen hat nun ab sofort zu unterbleiben. Sie können aufgrund ihrer formellen und materiellen Illegalität auch nicht als reine Stellplätze genutzt werden, auch nicht für den Eigenbedarf.“

Vor allem Nachbarn für Ärger mit Ladesäulen in Offenbach verantwortlich

Rückendeckung erhält Stuckmann von Baudezernent Stadtrat Paul-Gerhard Weiß. Der erklärt, warum die Stadt so unnachgiebig ist: „Im Buchrainweg stehen die Nachbarn auf der Matte und reklamieren.“ Zumal diese zuletzt deutlich „lauter geworden sind und angekündigt haben gegen die Bauaufsicht tätig zu werden.“ Natürlich freue er sich, wenn Menschen in Offenbach eine Ladestation einrichteten, beteuert Weiß. „Gleichwohl müssen sich alle ans Baugesetzbuch und die entsprechenden Vorschriften halten.“

Warum Becker aber nun seine Ladeboxen nicht mal mehr privat nutzen darf, erklärt Bauaufsichtsleiterin Sonja Stuckmann so: „Die Stellplätze vor dem Haus seien nur aufgrund Beckers Angabe genehmigt worden, dass es nicht möglich sei, die schon vorhandenen Stellplätze hinter dem Haus zu nutzen. „Da ist dann unter Umständen und im Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung möglich.“ Allerdings habe sich bei einem Ortstermin herausgestellt, dass diese doch zugänglich seien, sagt Stuckmann. „Würden wir diese Stellplätze im Vorgarten zulassen, hätten wir einen Präzedenzfall für die gesamte Nachbarschaft geschaffen, und jeder könnte sich darauf berufen und dasselbe fordern.“ Selbstverständlich sei es jedoch möglich an den hinteren Stellplätzen eine Lademöglichkeit zu installieren.

Boris Becker ist enttäuscht. „Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht, zumal das ganze ja auch politisch so gewollt ist. Für mich ist es unverständlich, dass dann aber auf der Verwaltungsebene so lange in den Krümeln gesucht wird, bis man etwas gefunden hat, um eine Weiterentwicklung zu verhindern.“ (Christian Reinartz)

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