Nach Verzögerung und Kostenexplosion: Am Marktplatz in Offenbach fließt der Verkehr wieder

Was lange währt, wird endlich gut. Nach langer Bauzeit können Autos in Offenbach wieder über den Marktplatz fahren. Doch fertig ist der Umbau noch lange nicht.
Offenbach - Wenn der Kaiserlei-Umbau als das größte Infrastrukturprojekt seit Jahrzehnten mit Wirkung nach außen gilt, dann darf der Marktplatz-Umbau als größtes Projekt mit Wirkung nach innen angesehen werden. Parallelen gibt es ohnehin: Beide Bauprojekte verzögerten sich gewaltig, im Untergrund fanden sich unvorhergesehene Schwierigkeiten und die Kosten übertrafen auch die Schätzungen.
Doch nun ist ein wichtiger Meilenstein erreicht: Kurz nach 11 Uhr am gestrigen Donnerstag konnte der Marktplatz wieder für den Individualverkehr freigegeben werden. Wie vor der Umgestaltung kann nun wieder von Norden kommend Richtung Süden und Wilhelmsplatz gefahren werden.
Händler beklagen schlechte Erreichbarkeit: Marktplatz in Offenbach wieder für Verkehr geöffnet
„Damit ist eine wichtige Forderung der Händler der Innenstadt erfüllt, die Innenstadt ist wieder besser erreichbar“, sagt Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD). Der Handel hatte über rückläufigen Kundenzuspruch geklagt, zudem monierten Kunden die provisorische Verkehrsführung während der Bauzeit.
Nun darf der Individualverkehr wieder fließen, allerdings gilt im Bereich des Marktplatzes nun zum Schutz der Fußgänger Tempo 20. Den Busfahrern, die kurz nach der Eröffnung den Marktplatz befuhren, schien gestern dieses Tempolimit jedoch noch nicht bekannt.
Trotz Freigabe für Verkehr: Umbau am Marktplatz in Offenbach noch nicht fertig
Fertig ist der Umbau des Marktplatzes indes noch nicht: Davon zeugen vor allem die Absperrungen auf der Westseite, auch sonst sind noch einige Arbeiten zu erledigen. So werden die Markierungen für den Radverkehr erst im kommenden Jahr etappenweise angebracht, auch der Ottomar-Gassenmeyer-Brunnen muss noch aufgestellt werden. „Der Sockel ist gegossen“, sagt Birgit Mertens, Referatsleiterin im Bauamt.
Außerdem soll ein neuer Trinkwasserbrunnen installiert werden. Sechs japanische Schnurbäume werden ebenfalls erst im kommenden Jahr gepflanzt, sagt Mertens.
Umbau des Marktplatzes in Offenbach soll erst im Frühjahr beendet sein - Kosten weiter unklar
Das als Hingucker geplante metallene Blätterdach für die Haltestelle, das die organgenen Segel ersetzt, kann ebenfalls erst 2023 aufgebaut werden. Die Konstruktion verzögert sich, da anfangs lediglich eine Firma ein Angebot auf die städtische Ausschreibung abgab und mit diesem über dem Budget der Stadt lag. „Jetzt sind die Kosten für das Blätterdach aber fix, an diesen kann sich nichts verteuern“, betont Baudezernent Paul-Gerhard Weiß (FDP). Im Frühjahr soll der Umbau dann beendet sein.
Aktuell rechnet die Stadt mit Kosten in Höhe von 7,5 Millionen Euro – wie hoch sie tatsächlich ausfallen, wird erst die Laufe des kommenden Jahres zu erstellende Schlussrechnung zeigen. Dann werden auch die Rechnungen für die Anlieger erstellt: So mancher fürchtet mit Kosten in sechsstelliger Höhe. Dass die Rechnungen laut Stadt auch ratenweise abbezahlt werden dürfen, ist da wohl nur schwacher Trost.
Der lange Weg zum Umbau
Der Umbau des Marktplatzes gilt als Herzensanliegen des ehemaligen Oberbürgermeisters Horst Schneider. 2007 wird in Gesprächen der Stadt mit Handel und Verkehrsinitiativen ein erster Plan zur Änderung der Verkehrssituation erstellt, der in den Folgejahren nach heftigen Diskussionen mehrfach umgearbeitet wird.
Erst Mitte 2016 kommt es zu einem Grundsatzbeschluss der Stadtverordneten zur Umgestaltung. Da die Kritik daran nicht abreißt, dauert es bis Ende 2017, bis ein Kompromiss erarbeitet wird. Doch Mitte 2018 werden alle Umbau-Pläne auf Eis gelegt. Grund dafür ist, dass sich lediglich eine Baufirma auf die städtische Ausschreibung beworben hat – und mit ihrer Kostenschätzung um 3,4 Millionen Euro über dem städtischen Budget von 5,1 Millionen Euro liegt.
Erneut wird die Planung überarbeitet, im Herbst 2020 soll Baubeginn sein, doch der verzögert sich schließlich bis Mai 2021. Dann geht es relativ zügig voran, der Ottomar-Gassenmeyer-Brunnen, das Blätterdach der Haltestelle sowie ein Trinkwasserbrunnen werden 2023 montiert.
Wolfgang Strohl vom Planungsamt betont, dass die großen Arbeiten jedoch abgeschlossen seien, als besonders aufwendig erwies sich wieder einmal der Untergrund. „Wir haben dort Kellerreste gefunden, die archäologisch untersucht werden mussten, außerdem Gasleitungen – sogar eine Leitung der seit Jahrzehnten abgerissenen Straßenbahn, auf der tatsächlich noch Spannung war“, berichtet er.
Umbau am Marktplatz in Offenbach kam zur rechten Zeit: City-Center ebenfalls saniert
Trotz aller Widrigkeiten kam der Umbau zur rechten Zeit: So konnten, da auch das City-Center saniert wurde, die kläglichen Reste der ehemaligen zweiten Ebene zeitgleich abgerissen werden – die schmuddelige Treppe gegenüber des Fußgängerüberwegs samt des Brückenrestes ist Geschichte.
Gerade noch rechtzeitig kam wohl auch der Abriss des seit Jahren verdreckten orangen Zeltdachs an der Westseite des Marktplatzes: Es habe Stimmen gegeben, die eine Prüfung für den Denkmalschutz empfohlen hätten, heißt es. (Frank Sommer)