1. Startseite
  2. Offenbach

Krasser Fall von Mietwucher: 400 Euro für fünf marode Quadratmeter

Erstellt:

Von: Christian Reinartz

Kommentare

Was den Mietern eines Gebäudes in der Offenbacher Waldstraße widerfahren ist, macht fassungslos (Symbolbild).
Was den Mietern eines Gebäudes in der Offenbacher Waldstraße widerfahren ist, macht fassungslos (Symbolbild). © dpa/Daniel Bockwoldt

Ein Mehrfamilienhaus an der Waldstraße in Offenbach ist ins Visier der Stadt geraten. Die Vermieter sollen die Notlage ihrer Mieter dort „gnadenlos ausnutzen“.

Offenbach – Wer in Offenbach ein Zimmer mieten will, ohne, dass viele Fragen gestellt werden, wird in einem Mehrfamilienhaus an der Waldstraße fündig. Mietverträge werden dort per Handschlag besiegelt, die Miete beläuft sich auf 400 Euro für ein heruntergekommenes Zimmer mit fünf Quadratmetern, einem Bettgestell und Etagenbad. Heizung gibt es nicht. Stattdessen sollen sich die Mieter auf eigene Kosten einen Heizlüfter besorgen. Die Stromkosten gehen immerhin aufs Haus.

So berichtet es zumindest eine Mieterin, die dort seit Kurzem wohnt. Ihren Namen will sie nicht nennen. Sie hat Angst vor dem Vermieter und will ihre Bleibe trotz der horrenden Kosten nicht verlieren. „Ich bekomme nichts anderes hier in Offenbach“, versichert sie. Bei allen anderen Versuchen, ein bezahlbares Zimmer zu finden, sei sie abgelehnt worden, wegen ihrer Schulden und ihrer Herkunft. „Da fragt keiner, solange du zahlst“, erklärt sie ihre Entscheidung. „Und das wird vom Vermieter gnadenlos ausgenutzt.“

Offenbacher Ordnungsamt hat Mietwucher-Haus „seit längerem im Fokus“

Auch ein Leser wendet sich mit einem ähnlichen Fall an die Redaktion. „Meine Bekannte hat dort ein Zimmer angemietet, weil sie dort ihren Geschäften als Sexarbeiterin nachgehen will“, sagt der Mann aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg. Deswegen beschwere sie sich auch nicht. Was da mit den Leuten gemacht werde, sei einfach eine Schweinerei. „Da wird die Notlage der Bewohner systematisch ausgenutzt und Menschen das letzte Geld abgepresst, obwohl sie sowieso fast nichts haben.“ Seiner Meinung nach sei das ein Fall für die Behörden.

Und offenbar ist er das auch schon. Das bestätigt Offenbachs Ordnungsamtsleiter Peter Weigand. „Dieses Haus haben wir schon seit längerem im Fokus“, sagt er. Immer wieder komme es dort zu solchen Vorwürfen. Deshalb beschäftige sich mittlerweile auch die Fallbearbeitungsgruppe Sozialleistungsmissbrauch, eine ämter- und behördenübergreifende Runde, mit dem Anwesen und dessen Besitzer. Konkret gehe es dabei laut Weigand um den Vorwurf des Wuchers und des Missbrauchs von Sozialleistungen. Ein Beispiel für einen solchen Fall könne etwa sein, wenn ein Vermieter mit dem Amt eine 100-Quadratmeter-Wohnung abrechne, die Mieter ab tatsächlich in ein kleines Zimmer stecke. Warum die Menschen nicht reihenweise gegen den Vermieter vorgehen, erklärt Weigand so: „Es handelt sich häufig um Sozialleistungsempfänger oder Menschen in einer Notlage.“

Offenbach: Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich zu Mietwucher-Haus bedeckt

Aus Polizeikreisen ist unterdessen zu vernehmen, dass es sich bei den Mietern vornehmlich um Menschen aus Südosteuropa handelt. Diese wollten hier nicht auffallen und seien froh, eine Bleibe gefunden zu haben. Dazu käme, dass viele von ihnen die Missstände schon aus ihrem Heimatland kennen würden und gar nicht ahnten, was da mit ihnen gemacht werde, sagt ein Ermittler, der das Gebäude aus diversen Einsätzen kennt. Nachgefragt bei der Polizeipressestelle, will man sich zu dem Anwesen nicht äußern. „Eine Antwort würde Rückschlüsse auf einen möglichen Verdächtigen oder Beschuldigten zulassen“, sagt Sprecher Felix Geis und verweist an die Staatsanwaltschaft.

Deren Pressesprecher, Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, hält sich aus Gründen des Datenschutzes ebenfalls bedeckt. Ermittlungen könne er deshalb nicht bestätigen, weil eine Örtlichkeit Rückschlüsse auf den Besitzer zulasse. Generell und losgelöst vom speziellen Fall, könne er jedoch mitteilen, „dass bei der Staatsanwaltschaft bezogen auf das Stadtgebiet Offenbach ein Ermittlungsverfahren wegen Mietwuchers geführt wird. Die diesbezüglichen Ermittlungen dauern an.“ (Christian Reinartz)

Immer wieder gelangen Fälle von extremem Mietwucher in Offenbach an die Öffentlichkeit. So beispielsweise auch im Jahr 2020, als eine ehemalige Oberstaatsanwältin zufällig auf die Verhältnisse in einer wahren Bruchbude aufmerksam wurde.

Auch interessant

Kommentare