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Nazi-Hetze in Offenbach: Wer steckt dahinter?

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Die Lebensrune wurde von Nazis an einen Stromkasten in Bieber geschmiert.
Die Lebensrune wurde von Nazis an einen Stromkasten in Bieber (Offenbach) geschmiert. © Privat

In Offenbach schmieren Unbekannte regelmäßig Nazi-Symbole in die Stadt. Handelt es sich um Gesinnungstäter oder Dummejungenstreiche?

Offenbach – In auffälliger Häufigkeit schmieren Rechte ihre Nazi-Symbole und Parolen seit gut einem Jahr an Offenbacher Hauswände, Straßenlaternen, Warnbaken und sogar auf Autos. Jüngstes Beispiel: Im Stadtteil Bieber wurde die sogenannte Lebensrune an einen Verteilerkasten gesprüht.

Diese wurde in der NS-Zeit als Zeichen des SS-Vereins „Lebensborn“ genutzt, der sich der „Zucht der arischen Elite“ verschrieben hatte. Sie gilt allerdings nicht als verfassungsfeindlich. Die Liste der Nazi-Schmierereien in Offenbach ist aber viel länger:

Nazi-Symbole in Offenbach: Ein Überblick über die Schmierereien

Aber wer steckt hinter diesen Vorfällen? Gibt es in Offenbach wirklich rechte Gesinnungstäter? Oder handelt es sich nur um Dummejungenstreiche?

Polizei in Offenbach sieht „keine rechte Szene“ hinter Nazi-Schmierereien

Die Polizei jedenfalls hält sich meist bedeckt, wenn es um das Thema Rechte geht, will im Fall Offenbach auch keine Häufung erkennen. Für das Stadtgebiet seien im Jahr 2021 „politisch rechtsmotivierte Straftaten im niedrigen zweistelligen Bereich registriert“ worden. Aktuelle Zahlen aus dem laufenden Jahr gebe es noch nicht. Grundsätzlich zeichneten sich laut Präsidiumssprecher Christopher Leidner „nahezu die gleichen Fallzahlen wie im Vergleichszeitraum Januar bis Oktober 2021 ab“. Dem Staatsschutzkommissariat lägen zudem keine Hinweise auf eine rechte Szene in Offenbach vor.

Die Aufklärungsquote bei rechtsmotivierten Straftaten liege, so Leidner, bei sagenhaften 76 Prozent. Grund genug für die Redaktion, ins Detail zu schauen, um eine Idee davon zu bekommen, was das für Menschen sind, die in Offenbach Hakenkreuze und Nazi-Sprüche schmieren.

Die Beschuldigten, die im Verdacht stehen, im Jahr 2021 in Offenbach eine rechtsmotivierte Straftat begangen zu haben waren laut Polizei zur Tatzeit zwischen 16 und 62 Jahre alt und sind Deutsche, Türken oder Osteuropäer. „Unter den aufgeklärten Straftaten waren auch Tatverdächtige, die im Deliktsbereich bereits polizeilich in Erscheinung getreten waren“, räumt Christopher Leidner ein. Überwiegend handele es sich aber nicht um Gesinnungstäter. Der Großteil der ermittelten Beschuldigten sei im Phänomenbereich der politisch rechts motivierten Kriminalität vorher nicht in Erscheinung getreten.

Nazi-Hetze: Verstärkt antisemitische Vorfälle in Offenbach

Allerdings: Drei der Beschuldigten waren „dem Staatsschutz wegen gleich gelagerter Sachverhalte bereits bekannt“, sagt Leidner. Das heißt: Es gibt in Offenbach offiziell mindestens drei Täter, die immer wieder mit Nazi-Hetze auffallen und deshalb der rechten Szene zugeordnet werden können.

Bei der Frankfurter Organisation Achtsegel, die sich als Büro für demokratische Kommunikation und politische Bildung im Netz bezeichnet, behält man die Machenschaften der Rechten ganz genau im Blick, sammelt Daten zu Vorfällen und betreibt ein eigenes Monitoring rechter Vorfälle. Fabian Jellonnek von Achtsegel jedenfalls zeichnet für Offenbach ein eindeutiges Bild. „Ein Anstieg in diesem Jahr ist festzustellen.“ Bereinige man die Fälle um alle Einträge zum Prozess gegen den rechten Offenbacher Terroristen Franco A., habe man Ende August bereits bei sieben Vorfällen gelegen. Im gesamten Jahr 2021 waren es aber nur acht Fälle in Offenbach.

Und offenbar haben sich die Fälle auch in ihrer Qualität verändert. In den Jahren 2019 und 2020 seien vor allem Propaganda-Aktionen der NPD in Offenbach beobachtet worden. Diese hätten jedoch „nur eine sehr geringe Wirkung und Relevanz“ gehabt, sagt Jellonnek. „In den jüngeren Berichten fallen dagegen verstärkt antisemitische Vorfälle auf.“

Nazis in Offenbach: Verbindung zur Identitären Bewegung

Wie es zu den unterschiedlichen Einschätzungen bei Polizei und Achtsegel kommt, erklärt Jellonnek so: „Die Polizei führt eine reine zahlenbasierte Fallstatistik und keine einordnende gesellschaftliche Analyse“, sagt er. Sie erwecke aber gern den Eindruck, als ob man genau das aus der Statistik ableiten könne. „Im Fall von Offenbach wäre es absolut naiv, zu behaupten, es gäbe dort keine rechte Szene oder organisierte Rechte“, stellt Jellonnek klar. Es gebe sogar einen Offenbacher mit Verbindungen zur Identitäten Bewegung, der schon in mehrfacher Hinsicht auffällig geworden sei.

„Wir müssen ehrlich anerkennen, dass es auch in Offenbach Menschen gibt, die rechtsextremes Gedankengut haben und bereit sind, diesem auch Taten – etwa in Form von Schmierereien – folgen zu lassen.“ (Christian Reinartz)

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