Offenbach: OB Felix Schwenke im Interview - „Unglaublich positive Entwicklung“

Offenbachs Oberbürgermeister Felix Schwenke spricht zum Jahreswechsel über die wirtschaftliche Situation der Stadt.
Offenbach - Mit guten Nachrichten zu Gewerbeansiedlungen hat das Jahr begonnen und endet auch damit. Ansonsten gibt es im neuen Jahr viele Herausforderungen zu bewältigen: In der Innenstadt etwa steht die Zukunft des Warenhauses Kaufhof auf dem Spiel, und die Stadtbücherei ist auf Standortsuche. Die Offenbach Post befragte dazu Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD) – der auch von einem positiven Trend für Offenbach zu berichten weiß.
Herr Schwenke, war 2022 wirtschaftlich gesehen für Offenbach ein gutes oder sehr gutes Jahr?
Wirtschaftlich war es für die Stadt als Ganzes ein gutes Jahr. Viele Betriebe haben noch mit Corona und jetzt mit der Energiekrise schwer zu kämpfen, das ist mir bewusst. Aber der wichtige Unterschied zu früheren Krisen ist: Kein in Offenbach ansässiges Unternehmen wurde härter durch Corona oder die Energiekrise getroffen, als das in anderen Städten der Fall ist. In der Vergangenheit trafen allgemeine Trends Offenbach durch Zufälle oft doppelt und dreifach so hart. Etwa beim Ausstieg aus der Atomenergie fielen einfach so hunderte Arbeitsplätze bei Areva weg. Diesmal ist bei uns alles stabil geblieben. Daher war es ein gutes Jahr. Und von den Zukunftschancen her war es seit Dezember ein äußerst gutes Jahr: Wir haben insgesamt 40 000 Quadratmeter auf dem Innovationscampus an eins der am stärksten wachsenden Unternehmen Hessens verkauft, an Bio-Spring. Die Firma zählt zu den Weltmarktführern bei wichtigen Wirkstoffen für Medikamente, etwa gegen Krebs oder bei Stoffwechselkrankheiten. Wir alle sehen in diesen Tagen, wie wichtig es ist, dass so etwas in Deutschland produziert wird. Bis sich das finanziell auswirkt, wird es zwar dauern. Aber die Stadt hat Perspektiven, die sie sehr lange nicht hatte. Deshalb: wirtschaftlich gut, vom Ausblick her sehr gut.
Mit Blick auf 2023: Was muss wirtschaftlich als erstes angegangen werden?
Eins vorweg: „Wirtschaftsförderung“ klingt immer abstrakt, ist für die Menschen in der Stadt aber sehr relevant. Denn wir sind immer noch eine arme Stadt. Das haben wir dieses Jahr wieder bei den Bussen im ÖPNV erlebt, bei denen wir einen Schritt zurück machen mussten. Und wir haben nur noch ein einziges Schwimmbad, das nicht einmal ein Hallenbad ist. An solchen Beispielen sieht man sehr konkret, dass Geld nicht abstrakt ist. Mit dem vorhandenen Geld kommen wir aber immerhin bei den Schulgebäuden und den Kitagebäuden ordentlich voran. Aber im Vergleich zu den 1970er Jahren fehlen ungefähr 15 000 Arbeitsplätze, um wirtschaftlich wieder in eine vergleichbare Situation zu kommen.
Bei Kaufhof in Offenbach will Oberbürgermeister Felix Schwenke „nicht aufgeben“
Und was wäre für die nächsten Monate besonders wichtig?
Wie immer als erstes die Sicherung von Unternehmen, die schon da sind. Kaufhof ist aber ein Beispiel, dass es Trends gibt, die wir nicht in der Hand haben.
Sie haben Kaufhof angesprochen: Welche Möglichkeiten haben Sie in dem Fall?
Es ist die verständliche Hoffnung der Bürger, dass ein OB da zumindest versucht, Einfluss zu nehmen. Als es bekannt wurde, habe ich sofort Kontakt zur Geschäftsführung aufgenommen. Das ist auch gelungen, ich hatte ein ausführliches persönliches Gespräch mit Herrn Müllenbach (Chef von Galeria Kaufhof Deutschland). Natürlich entscheidet ein Unternehmen wie Kaufhof am Ende aufgrund harter Zahlen. Mich interessierte, welche Zahlen für Kaufhof relevant sind. Beispielsweise gab es hier einen überdurchschnittlichen Rückgang an Kunden. Ich habe die Gelegenheit genutzt, Hintergründe wie den Umbau des Marktplatzes zu erklären. Das ist eine Information, die in den internen Unterlagen von Kaufhof sonst nicht auftaucht. Ein zweites Beispiel im Fall Kaufhof: Wir machen ja wieder ein Konjunkturpaket zur Unterstützung des Handels und der Vereine – auch das hätte der Kaufhofchef nicht gewusst. Natürlich ist es für Kaufhof in 131 Städten mit 131 Gutscheinsystemen schwierig, jedes zu berücksichtigen. Deshalb setzt das Unternehmen lieber auf sein eigenes System. Weil er aber von mir erfahren hat, dass wir in Offenbach den Kunden die Inflation schenken – ein Gutschein für 100 Euro wird 110 Euro wert sein --, fand er unsere Idee sehr gut. Jetzt prüft er, ob Kaufhof seine Systeme rechtzeitig fit bekommt, um an unserer Aktion teilzunehmen. Ich habe auch an einem Gespräch mit der Bundesbauministerin teilgenommen, und ein persönliches Gespräch mit dem Gebäudeeigentümer ist ebenfalls terminiert. Sie sehen: Ich gebe nicht auf, aber ich bereite mich auf alle Szenarien vor.
Das persönliche Gespräch mit den Entscheidern ist also unersetzlich?
Das direkte Gespräche mit Vorständen ist nicht nur bei Kaufhof wichtig. Wenn es um große, wirtschaftsstarke Unternehmen geht, wird dort sehr positiv wahrgenommen, wenn der OB das persönlich macht. Solche Gespräche waren immer auch Grundlage für die wichtigen Ansiedlungen, von denen am Ende, ich sagte es ja schon, alle Menschen profitieren. In solchen Gesprächen mache ich nur einhaltbare Zusagen. Von den Unternehmen wird auch nicht mehr erwartet. Wichtig ist etwas anderes: In jedem Projekt kann es zu Problemen kommen. Wenn ein Unternehmen sehr viel Geld in Offenbach investiert, ist es für die Geschäftsführung ein wichtiger Vorteil zu wissen, dass sie mich im Notfall erreichen kann.
Immer mehr Menschen ziehen nach Offenbach - Schwenke sieht nicht nur hohe Mieten in Frankfurt als Grund
Was legen Sie als positiv für Offenbach in solchen Gesprächen in die Waagschale?
Offenbach hat bei der Zahl der Einwohner mit Arbeitsplatz eine unglaublich positive Entwicklung: In welche Stadt ziehen, natürlich im Verhältnis zu den Einwohnern, die meisten Menschen, die einen Arbeitsplatz haben? Bei dieser Frage lagen wir im Städteranking der Wirtschaftswoche deutschlandweit mehrfach auf Platz eins oder zwei. Jetzt kann man sagen, dass die Mieten günstiger sind als in Frankfurt. Aber das war schon immer so! Neu ist, dass die Menschen nicht mehr nur in den Taunus, den Main-Kinzig-Kreis oder den Kreis Offenbach ziehen, sondern eben zu uns.
Die Kaufkraft in Offenbach ist aber in Hessen seit Jahren vergleichsweise äußerst niedrig …
Wir holen aber bei der Kaufkraft auf und haben einen positiven Trend.
Was steht zur Aufwertung der Innenstadt 2023 an?
Ich bekomme viele Rückmeldungen von Menschen, die sagen, sie seien mit der Entwicklung der Innenstadt noch nicht zufrieden – und das kann ich gut nachvollziehen. Aber das heißt nicht, dass wir nichts tun, sonst sähe es ganz anders aus. Man sieht, der Umbau des Marktplatzes geht voran, und wenn er 2023 fertig ist, ist die Aufenthaltsqualität besser als vorher. Das ist auch dringend nötig: Ich frage immer, wann war wer zuletzt auf dem Hugenottenplatz, weil er sich da so wohl fühlt? Das zeigt ein Problem. Mehr Grün auf dem Hugenottenplatz und im Rest der Innenstadt können den Kampf gegen Klimawandel und eine attraktivere Innenstadt verbinden. Wir werden zudem nächstes Jahr mit dem Deutschen Wetterdienst ein Wetter- und Klimamuseum eröffnen – das ist einzigartig in Deutschland und bringt Menschen in die Innenstadt.
Wie geht es mit dem Umzug der Stadtbibliothek voran?
Wir werden im kommenden Jahr eine Entscheidung zum Gebäude der Station Mitte treffen. Und diese Station Mitte ist nicht nur der Umzug der Stadtbücherei: Die Menschen gehen heutzutage in jeder Stadt weniger zum Einkaufen in die Innenstadt, sie brauchen also zusätzliche Gründe. Von Schülerinnen und Schülern, von Studentinnen und Studenten wissen wir, dass sie dringend Plätze zum Lernen brauchen. Deswegen ist die Idee, die Bibliothek zu einem modernen Lernort aufzuwerten, richtig. Das Land Hessen hat uns dafür einen Preis verliehen, wir sammeln Fördergelder ein, um jetzt das zu tun, was Städte mit mehr Geld auch schon getan haben.
Was wird mit dem Rathauspavillon?
Auch da gilt: Ideen haben wir viele, aber für die meisten fehlt das Geld. Während wir also mal wieder Fördergelder einwerben, setzen wir für kommendes Jahr auf abwechslungsreiche, kulturelle Zwischennutzungen.
Offenbach: Oberbürgermeister Schwenke über die Zukunft im Gewerbegebiet Sprendlinger Landstraße
Gehen wir von der Innenstadt in einen anderen Teil Offenbachs: Das Gebiet Sprendlinger Landstraße soll aufgewertet werden. Was kann die Stadt tun?
Im Masterplan haben wir gesagt, dass wir bestehende Industrie- und Gewerbegebiete schützen wollen. Wir haben daher einen Bebauungsplan aufgestellt, um unerwünschte Nutzung zu verhindern.
Führen Sie bitte „unerwünscht“ etwas aus.
Aus rechtlichen Gründen dürfen wir nicht klar und einfach sagen, wo wir keine Vergnügungsstätten wie Wettbüros oder Bordellbetriebe haben wollen, sondern wir müssen sagen, wo diese sein dürfen. Erst danach dürfen sie an anderer Stelle verboten werden. Also machen wir exakt das.
Dass Wettbüros oder Prostitution dem Industriegebiet nicht förderlich sind, leuchtet ein. Nun gab es dort aber in der Vergangenheit auch unerwünschte Wohnnutzung mit einer Flüchtlingsunterkunft ...
Es ist eine Schande, wenn man Eigentümer hat, die in Gewerbeimmobilien Menschen ausbeuten und sie in aller Regel zu horrenden Mieten und unter unwürdigen Umständen unterbringen, statt sich anständig um ihr Eigentum zu kümmern. Das würde heißen, ihre Immobilien an Unternehmen zu vermieten – das ist nämlich Aufgabe der Eigentümer. Zum Glück haben wir auch eine Menge Eigentümer, die bei der Ansiedlung von Gewerbe gut mit uns zusammenarbeiten.
Die ganz große Gewerbefläche ist mit dem Verkauf der zusätzlichen 30 800 Quadratmeter auf dem Innovationscampus weg – wo hat die Stadt noch Flächen für zusätzliches Gewerbe?
Wir haben noch Flächen im Kaiserlei und in Waldhof, die für Gewerbe vorgesehen sind. Da sind auch Einzelflächen dabei, die etwa 10 000 Quadratmeter haben. Im Hafen ist zwar noch nicht alles entwickelt, aber – Stand jetzt – alles verkauft.
Probleme bei Amtsgericht in Offenbach: Schwenke erwartet baldige Verbesserung der Situation
Hat die problematische Situation am Amtsgericht, etwa beim Grundbuchamt, eine Rolle gespielt bei der Ansiedlung von Unternehmen?
Ich kann sagen, dass wir Glück hatten, dass die Situation bisher für die großen Ansiedlungen keine Rolle gespielt hat. Ich muss aber auch sagen, dass es für Menschen und Unternehmen in Offenbach wichtig ist, dass die Situation gelöst wird. Die letzten Äußerungen aus Wiesbaden zeigen, dass das Problem beim Justizminister angekommen ist und er das Amtsgericht wieder handlungsfähig machen will. Es ist dann nicht mein Stil, öffentlich nachzutreten. Ich gehe von einer baldigen Verbesserung aus.
Die Unternehmen können sich für Ansiedlungen auch nach dem Herbst kommenden Jahres an Sie wenden?
Ich habe sehr große Freude an meiner Arbeit. Gerade so etwas wie die Unterschrift von Bio-Spring dieses Jahr oder Samson letztes Jahr motiviert mich sehr, weiterzumachen. Aber ich bin sowieso bis zum 20. Januar 2024 gewählt, und bisher gibt es nicht einmal einen Termin für die OB-Wahl. Deshalb: Sobald der feststeht, werde ich offiziell sagen, ob ich wieder antrete.
Das Gespräch führten Ronny Paul und Frank Sommer.