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Stadtpolizei im Dauereinsatz: Zahl der Ruhestörungen in Offenbach steigt rasant

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Von: Christian Reinartz

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Gegröle nach Mitternacht: Die Stadtpolizei sorgt für Ruhe vor den Kneipen am Wilhelmsplatz nach einem Sieg der Kickers.
Gegröle nach Mitternacht: Die Stadtpolizei sorgt für Ruhe vor den Kneipen am Wilhelmsplatz nach einem Sieg der Kickers. © Reinartz

Die Stadtpolizei in Offenbach hat so viel zu tun wie nie zuvor. Die Zahl der Fälle steigt rasant an. Grund genug, die Streife einen Tag zu begleiten.

Offenbach – Die Zahl der Ruhestörungen, wegen der die Stadtpolizei alarmiert wird, steigt steil an. „Wir verzeichnen eine wirklich starke Zunahme an Fällen, wegen der meine Leute im Einsatz sind“, sagt Stadtpolizeichef Lothar Haack. Von ehemals 449 Fällen im Jahr 2019 sei die Zahl im vergangenen Jahr auf 1376 hochgeschnellt. Und in der laufenden Saison sieht alles danach aus, als ob es eher mehr denn weniger wird.

Allerdings: Seit April 2020 ist die Stadtpolizei 24 Stunden am Stück im Dienst und nicht wie zuvor nur bis 0.30 Uhr. Das erklärt zwar einen Teil des Anstiegs, aber längst nicht alles. „Es ist sicherlich das Zusammenspiel des guten Wetters und der Tatsache, dass die Leute nach der langen Zeit der starken Einschränkungen jetzt vermehrt feiern wollen“, versucht Haack eine Erklärung für die vielen Einsätze. Gerade jetzt während der langen und warmen Wetterphase kämen seine Leute gar nicht mehr aus dem Abarbeiten der Ruhestörungsmeldungen heraus. „Wir haben teilweise bis zu 40 Fälle in einer Nachtschicht. Das geht für die Streifen dann Schlag auf Schlag.“

Offenbach: Unterwegs mit der Streife der Stadtpolizei

Aber wer sind diese Ruhestörer eigentlich? Die Redaktion wollte es genau wissen und hat eine Streife der Stadtpolizei einen Abend lang auf ihrer Tour begleitet.

Los geht‘s nach dem Spiel der Offenbacher Kickers am vergangenen Freitag. Keine fünf Minuten nach dem Eintreffen in der Wache nahe der Berliner Straße gibt Dienstgruppenleiter Manuel Stöhr den Einsatzbefehl. Ein Anrufer hat eine Hochzeitsgesellschaft gemeldet, die es in Bürgel übertreiben soll. Stadtpolizist Thomas nutzt die Fahrzeit im Streifenwagen, um mit einer gängigen Ungenauigkeit aufzuräumen. „Eine klassische Ruhestörung gibt es rechtlich gesehen in Hessen eigentlich gar nicht, sondern nur das Verursachen von unzulässigem Lärm.“ Im Endeffekt also dasselbe. So wie jetzt in Bürgel nach 23 Uhr. Vor Ort ist die Hochzeitsgesellschaft schon zu hören. Feiernde drängen sich im Innenhof einer Gaststätte. Es läuft Musik, manche tanzen.

Offenbacher Polizei: „Ob sie das einhalten, sehen wir im Lauf der Nacht“

Als der Streifenwagen vorfährt, wird heruntergedreht, als wenn nicht gewesen wäre. Eine kurze Diskussion mit dem Wirt später ist klar, dass die Feier so nicht weitergehen kann. Stattdessen handeln die Stadtpolizisten einen Kompromiss aus. „Die dürfen jetzt noch die Torte im Freien anschneiden, müssen dann aber drinnen weiterfeiern“, sagt Stadtpolizist G. „Ob sie das einhalten, sehen wir im Lauf der Nacht.“ Ein Bußgeld wird nicht erhoben. „Das machen wir in der Regel nicht bei der ersten Anfahrt. Da warnen wir nur“, erklärt er.

Kaum sitzen die beiden wieder im Einsatzwagen, meldet sich Stöhr über das Funkgerät. Anwohner haben eine Party in einem Kleingarten nahe der Mühlheimer Straße gemeldet. Die Suche nach den Verursachern entpuppt sich im Dunkeln der Nacht dann als Detektivspiel. Mehrmals fährt Stadtpolizist Thomas in einen von mehreren zugewucherten Feldwegen, setzt zurück, wendet, sucht weiter. Zu hören ist in der lauen Nachtluft durch die geöffneten Fenster kaum etwas. Beim vierten Feldweg dann ein Treffer. Drei Autos parken vor einem Kleingarten. Licht ist keines zu sehen. Es sind ein paar Stimmen von Menschen zu vernehmen, aber ansonsten nur das Rauschen der Natur und das Zirpen der Grillen.

Einsatz in der Kleingartenanlage für die Offenbacher Stadtpolizei

Die Stadtpolizei nähert sich einem dunklen Gartentor aus Holz, vor dem fünf junge Männer stehen. Bevor die Stadtpolizei etwas sagen kann, platzt es aus einem heraus: „Der Junge hier wird heute 21 Jahre alt. Sie können gerne reinkommen und es überprüfen. Das, was sie gerade hören, ist das Lauteste an Musik, was wir anhaben.“ Er gibt aber einen entscheidenden Hinweis. Bis vor kurzem soll auch in einem anderen Kleingarten in der Nachbarschaft laut gefeiert worden sein. Unverrichteter Dinge, aber nach einer mahnenden Ansprache geht es weiter zum nächsten Fall.

Diesmal gleich mit mehreren Kollegen – zur Verstärkung. Auf dem Wilhelmsplatz haben sich Fangruppen der Kickers niedergelassen und feiern dort vor zwei Eckkneipen den Sieg ihres Teams – und zwar so laut, dass die Telefone in der Stadtwache sprichwörtlich glühen. Es ist mittlerweile halb zwei.

Auch in der Kneipe gibt es Klärungsbedarf

Vor Ort ist die Lage unübersichtlich. Schon beim Einfahren in die Bieberer Straße, ist lautes Grölen zu „Country Roads“ aus einer der Kneipen zu hören. Auf der Gasse stehen, sitzen, trinken und rauchen die Fans, sind zum Teil alkoholisiert, unterhalten sich laut. Die Polizisten betreten die erste Kneipe und schauen nach dem Rechten. Nach kurzer Zeit ist Ruhe. Auch in der Kneipe nebenan ist es nach einem eindringlichen Gespräch mit dem Kneipenbesitzer schnell deutlich ruhiger.

So ganz auflösen lässt sich der Pulk aber nicht. Die Stadtpolizei versucht es auf die sanfte Art – mit bloßer Anwesenheit. Und tatsächlich wirkt es. Nach einiger Zeit ziehen immer mehr Feiernde von dannen, sodass nach etwa einer halben Stunde wieder Ruhe am Wilhelmsplatz einkehrt. (Christian Reinartz und Lara Kuhn)

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