Boom in der Digitalbranche: Neue Rechenzentren in Offenbach

Offenbach entwickelt sich allmählich zu einem wichtigen Standort für Digitalunternehmen. Das bislang größte Rechenzentrum entsteht am Lämmerspieler Weg – und sollte eigentlich noch viel größer werden.
- Die Digitalisierung verändert immer mehr das Leben und Arbeiten vieler Menschen.
- Auch in Offenbach siedeln sich immer mehr Digitalunternehmen an.
- Diese Entwicklung hängt unter anderem mit der geeigneten Infrastruktur in der Region zusammen.
Offenbach – Dem weltweit größten Internetknoten DE-CIX an der Hanauer Landstraße im Frankfurter Osten ist es zu verdanken, dass um ihn herum Rechenzentren wie Pilze aus dem Boden schießen. Allein in der Mainmetropole gibt es mittlerweile mehr als 60. Auch Offenbach profitiert von diesem Boom, der in Zeiten von Corona, Homeoffice und Videokonferenzen noch zusätzlich befeuert wird.
Der bislang größte Datensammler der Stadt entsteht derzeit am Lämmerspieler Weg auf einem ehemaligen Manroland-Gelände. Das amerikanische Unternehmen Cloud HQ stellt dort auf einer rund 14 Hektar großen Fläche unweit des Neubaugebiets An den Eichen zwei zweistöckige jeweils 56 000 Quadratmeter große Datenhallen hin. Es ist das erste Standbein des US-Unternehmens in Europa.
Die Erdarbeiten für das Vorhaben laufen, die Bauzeit ist mit 18 Monaten veranschlagt. Am kommenden Samstag, 10. Oktober, bieten die Amerikaner von 11 bis 12 Uhr einen virtuellen Tag der offenen Tür an, bei dem das Projekt, der Bauverlauf und der der spätere Betrieb vorgestellt werden. An der Webkonferenz kann man teilnehmen auf www.cloudhq.com/offenbach.
Eigentlich sollte das neue Rechenzentrum in Offenbach noch viel größer sein
Ursprünglich geplant war die Einrichtung in wesentlich größeren Dimensionen: Eigentlich sollte im Offenbacher Osten das größte Rechenzentrum der Welt entstehen. Weil für die vorgesehenen Kapazitäten nicht genügend Strom im Netz bereitgestellt werden kann, schrumpften die Mega-Pläne auf etwas mehr als ein Drittel ihres anfänglichen Umfangs. Dennoch wird das neue Rechenzentrum noch etwa viermal größer sein als das bereits bestehende und ein noch geplantes Daten-Center auf dem Gelände der Energieversorgung Offenbach (EVO). Deren Ableger Energienetze Offenbach (ENO) bindet das neue Rechenzentrum am Lämmerspieler Weg an das Stromnetz an.
Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent Felix Schwenke betont die Bedeutung der digitalen Infrastruktur: Vor einem Jahrzehnt noch seien Ölkonzerne die wertvollsten Unternehmen gewesen, im Zeitalter der „Plattform-Ökonomie“ seien dagegen Daten das neue Gold. Inwieweit Offenbach unmittelbar von der Neuansiedlung profitieren wird, ist noch nicht bezifferbar. „In der Regel zahlen Rechenzentren Gewerbesteuer“, sagt Schwenke. Und natürlich würden Arbeitsplätze geschaffen, wobei es sich überwiegend um Jobs im Sicherheits- und Überwachungsbereich handeln werde.
Andere Firmen eröffnen bereits Rechenzentren in Offenbach
Ein weiteres Rechenzentrum wird bereits Ende Oktober ans Netz gehen. Für 160 Millionen Euro haben es die EVO und zwei Partner auf einer ungenutzten, knapp 8000 Quadratmeter großen Betriebsfläche des Energieversorgers in Höhe der Kreuzung Goethering/Bettinastraße errichtet.
Der Gebäudekomplex verfügt über eine Bruttogeschossfläche von rund 22 000 Quadratmetern, in den Räumen finden rund 3300 Computer-Schränke Platz.
Bauherr und Betreiber ist die „Main DC Offenbach GmbH“, ein Zusammenschluss der EVO, des luxemburgischen Rechenzentrumbetreibers Vantaga Data Centers und der in Deutschland ansässigen DC Datacenter Group GmbH. An der neuen Gesellschaft hält die EVO 50 Prozent, Vantage 40 und die Data Center Group zehn Prozent. Seit drei Jahren ist auf dem EVO-Gelände zudem ein Rechenzentrum des Frankfurter Unternehmen Maincubes in Betrieb. Für den Standort spreche die „Dreieinigkeit von Lage, gesicherter Stromversorgung durch die EVO und hervorragender Telekommunikationsanbindung“, hieß es 2016 bei der Grundsteinlegung.
Infrastruktur entscheidend: Offenbach bietet viele Vorteile für Digitalunternehmen
Das gilt noch immer: Entscheidend für die Standortwahl seien die Nähe zum Internknoten an der Hanauer Landstraße, der nur rund 800 Meter vom EVO-Gelände entfernt liege, sowie die Versorgungssicherheit, welche die EVO bieten könne, sagt deren Sprecher Harald Hofmann.
Der Oberbürgermeister weist unterdessen darauf hin, dass Cloud HQ bereits voll vermietet sei, ebenso Maincubes; für Main DC geb es nur noch Restflächen. Rechenzentren würden im Übrigen perfekt in die auf Diversifizierung setzende Ansiedlungsstrategie der Stadt passen, ergänzt Schwenke.
Bei der Frage, ob auch auf dem gewerblichen Filetstück Clariant-Gelände Rechenzentren eine Option seien, zögert der Wirtschaftsdezernent. Auf diese Idee seien schon andere gekommen, es gebe entsprechende Anfragen. Noch sei aber nicht entschieden, ob das zum Konzept des Innovationscampus passe, zur Arrondierung des Angebots sei es aber vorstellbar.
Umweltschutz und Entwicklung verbinden: Rechenzentren als Belastung für das Klima
Weil Rechenzentren als enorme Abwärme-Produzenten alles andere als klimafreundlich sind, hat Schwenke auch den ökologischen Aspekt im Blick: Wenn die Stadt bei künftigen derartigen Projekten Einfluss nehmen könne, müssten Konzepte zur Nutzung der Abwärme erstellt werden. Es gelte, Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung zu verbinden.
Das ganze große Rad in Sachen IT-Infrastruktur wird derweil auf der anderen Mainseite gedreht: Am ehemaligen Neckermann-Hauptsitz an der Hanauer Landstraße werden ab 2021 gleich mehrere Rechenzentren gebaut. Rund eine Milliarde Euro investiert das holländische Unternehmen Interxion in das Projekt. Es betreibt bereits 15 Rechenzentren in Frankfurt. (Von Matthias Dahmer)