Gefährlicher Trend in Offenbach besorgt Anwohner - Luftballons geben Hinweise

Luftballon und Gaskartuschen sind deutliche Indizien: Der Missbrauch von Lachgas ist ein Thema in Offenbach. Die Konsumenten: „Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahren.“
Offenbach - Gaskartuschen und Luftballons, die sich in den vergangenen Wochen immer wieder im Bereich der Geleitsstraße in Offenbach fanden, haben Anwohner misstrauisch werden lassen: Regelmäßig treffen sich dort Kinder und Jugendliche, um Distickstoffmonoxid (Lachgas) aus Behältern in Luftballons abzufüllen und anschließend zu inhalieren. Das Gas kann nämlich für kurzfristige Rausch- und Euphoriezustände sorgen.
„Das sind Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahren, die sich hier treffen und das Gas einatmen“, berichtet ein Anwohner unserer Zeitung. Als er im Internet den Namen, der auf den Gaskartuschen aufgedruckt ist, eingab, erhielt er eine Fülle an Seiten, auf denen detailliert beschrieben wird, wie man den Rauschzustand erlangen kann.
Tatsächlich enthalten Kapseln und Kartuschen, die etwa in der Gastronomie bei Sahnespendern zum Einsatz kommen, Lachgas. Dass da keine Zuckerbäcker die Kunden sind, die Gaskartuschen für mehrere Sahnetorten benötigen, ist beim Blick auf die einschlägigen Internetseiten ersichtlich: „Kommt gut und ballert“, schreibt ein offenkundig zufriedener Kunde nach Bezug der Gaskartuschen auf einer der Seiten.
Lachgas-Missbrauch in Offenbach: Werbung im Internet ist „ein Skandal“
„Dass so offensiv im Internet für die missbräuchliche Nutzung geworben wird, ist für mich ein Skandal“, sagt Mechthild Rau, Vorstand des Suchthilfezentrums Wildhof. Das Phänomen an sich sei nicht neu, in den vergangenen zwei Jahrzehnten sei es immer wieder einmal aufgetaucht. „Das kommt immer mal wieder: Meist sind es Jugendliche, die mit Rauschzuständen experimentieren“, sagt Rau.
Im Alltag der Kinder- und Jugendarbeit werde vereinzelt von Vorfällen berichtet, heißt es seitens der Stadt. Die Stadtpolizei habe ebenfalls gelegentlich den Konsum von Lachgas bemerkt und teils auch die Landespolizei zugezogen. „Hin und wieder finden sogar Lachgaspartys in Bars oder Clubs statt. Der Gesetzgeber gibt uns dazu jedoch kein Eingriffsrecht“, erklärt Ordnungsdezernent Paul-Gerhard Weiß.
Offenbach: „Niemand sollte zum Spaß Lachgas inhalieren“
Denn „der Kauf und auch der Konsum von Lachgas sind straffrei“, wie das Polizeipräsidium Südosthessen bestätigt. Distickstoffmonoxid fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, bis 2016 war der Verkauf jedoch durch das das Arzneimittelgesetz geregelt, das missbräuchliche Nutzung und Verkauf unter Strafe stellte. Doch nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2016 darf Lachgas frei verkauft werden – und im Internet gibt es seitdem sehr viele entsprechende Angebote.
„Es gibt sogar Preisvergleiche, damit man besonders günstig an die Kapseln und Kartuschen herankommt“, sagt Rau von der Suchthilfe. Auch wenn Lachgas legal erhältlich ist, die zweckentfremdete Nutzung ist keineswegs gefahrlos, betont sie.
Lachgas laut Suchthilfe in Offenbach ein Thema, aber kein ganz großes Problem
Das Stadtgesundheitsamt kann das nur bestätigen: „Niemand sollte zum Spaß Lachgas inhalieren – es wurde früher unter medizinischer Beobachtung für medizinische Eingriffe und Zahnbehandlungen eingesetzt. Als Rauschmittel von Laien eingenommen ist Lachgas jedoch riskant“, sagt Bürgermeisterin und Gesundheitsdezernentin Sabine Groß. Schwindel, Taubheitsgefühle und Bewusstlosigkeit können bei der Einnahme auftreten. „Regelmäßiger Konsum schädigt vor allem das Nervensystem. Die Koordination und das Gehen können gestört sein, ebenso die Merkfähigkeit vermindert“, erläutert die stellvertretende Gesundheitsamtsleiterin Christine Faust, „sogar das Knochenmark kann Schaden nehmen und dadurch die Blutbildung gestört werden“. Sowohl Faust wie Rau warnen eindringlich vor dem Konsum in Verbindung mit anderen Drogen, auch eine psychische Abhängigkeit sei bei regelmäßiger Anwendung möglich.
Dass Lachgas einen Einstieg in harte Drogen bedeutet, kann Rau aber nicht bestätigen. „Dafür gehören andere Faktoren hinzu.“ Ein großes Problem für Offenbach sei es nicht, es tauche aber immer wieder einmal auf. Da es legal erhältlich ist, fordert die Suchthilfe eine bessere Aufklärung für Kinder und Jugendliche.
Übrigens wurde einmal der Transport der Gaskartuschen durch die Stadtpolizei gestoppt – wegen Verstoßes gegen die Gefahrgutvorschrift. (Frank Sommer)