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„Einkommen zu gering, um uns mit dem Günstigsten sattzubekommen“ – Immer mehr Berufstätige müssen zur Tafel

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Von: Christian Reinartz

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Bei der Offenbacher Tafel bekommen auch die Hilfe, bei denen das Gehalt nicht zum Leben reicht.
Bei der Offenbacher Tafel bekommen auch die Hilfe, bei denen das Gehalt nicht zum Leben reicht. © Reinartz

Immer mehr Tafelkunden, die einen richtigen Job haben: Die Mittelschicht in Offenbach gerät aufgrund der Inflation und Niedriglöhnen in Notlage.

Offenbach – Marita H. aus dem Mathildenviertel arbeitet schon ihr ganzes Leben. Nichts Großes, nichts Einträgliches, aber es hat immer gereicht, um irgendwie über die Runden zu kommen. Seit die Inflation so hart zugeschlagen hat, genügt es nicht mehr. „Ich arbeite zwar seit einiger Zeit als Beiköchin, aber mein Geld reicht nicht, um mich und meine Familie mit Lebensmitteln zu versorgen. H. stellt klar: „Ich rede hier jetzt nicht von tollen und qualitativ guten Lebensmitteln. Mein Einkommen ist zu gering, um uns selbst mit dem Günstigsten sattzubekommen.“

Auch bei Piotr Z. langt das Monatsgehalt mittlerweile nicht mehr zum Überleben. Er arbeite als Automechaniker in einer kleinen Offenbacher Hinterhofwerkstatt, sagt er. Seinen Sohn könne der Alleinerziehende mit dem bisschen Geld, das er für Essen übrig habe, kaum ernähren. „Und wenn, dann nur mit Nudeln und Reis“, sagt er. „Aber das kann man doch keinem Kind antun.“ Beide wollen ihre wahre Identität nicht in der Zeitung lesen, zu groß ist die Angst vor Jobverlust.

Nicht nur Rentner und Hartz-IV-Bezieher: Immer mehr Menschen suchen Tafel in Offenbach auf

Die Misere habe sich langsam angebahnt, berichtet Z. Nichts, das plötzlich auf einen Schlag da war. Ohnehin habe er immer relativ wenig Geld verdient. Aber dann sei erst die Miete erhöht worden, später seien Strom und Gas teurer geworden. Bei Marita H. sind es im Grunde dieselben Faktoren. Das alles sei zwar schon weit vor der Ukrainekrise ein Problem gewesen, erinnert sie sich. „Aber ich habe damals Haushaltsbuch geführt und sparsam gekocht.“ Etwa 200 Euro blieben ihr nach Abzug der Miete und der Fixkosten für die Wohnung, rechnet sie vor. „Das ist zwar wenig, aber es ging irgendwie.“

Seitdem die Energie- und Lebensmittelpreise förmlich explodiert seien, habe sie den Kampf endgültig aufgegeben. „Für die Lebensmittel, für die ich vorher 200 Euro bezahlt habe, müsste ich mindestens 300 hinlegen“, sagt sie. „Und wenn ich an die Gas- und Stromrechnung denke, bekomme ich einen Kloß im Hals.“ Piotr Z. geht noch weiter: „Ich habe richtige Angst vor dem, was noch kommt.“

Die Rettung der beiden: die Offenbacher Tafel. Die ist zwar eigentlich nur für Hartz-IV-Bezieher und bedürftige Rentner gedacht. Neuerdings ist sie aber Anlaufstelle für Leute wie H. und Z.

Inflation: Tafel in Offenbach steht unter enormem Druck

„Wir verzeichnen mehr Menschen, die ganz normal im Berufsleben stehen und die sich mit ihrem Lohn nach Abzug der Miete nicht mehr ernähren können“, sagt die Offenbacher Tafelchefin Christine Sparr. Aktuell zähle sie schon 30 dieser Kunden. Erschreckend sei, in welcher Geschwindigkeit die Zahlen stiegen. „Wenn das so weitergeht, ist es bald der Normalfall, dass Menschen im Niedriglohnsektor sich nicht mehr selbst ernähren können.“ Insbesondere in Offenbach sei das ein großes Problem. „Wir haben hier nun mal viele Menschen mit schlechter Qualifikation und folglich auch niedrigeren Löhnen.“

Die Tafel selbst steht wegen dieser Entwicklung in einer ohnehin schwierigen Zeit für Lebensmittelspenden noch mehr unter Druck. „Auf der einen Seite gehen unsere Spenden rapide runter, weil viele Supermärkte und Discounter ihre Waren nicht mehr einfach so verschenken, sondern versuchen, sie noch verbilligt zu verkaufen.“ Aber auch die Privatspender hätten in der angespannten Lage nicht mehr so viel zu geben wie vor der Krise. Etwa die Hälfte der Lebensmittelspenden seien deshalb weggebrochen, berichtet Sparr.

Dennoch wolle sie weiterhin jeden unterstützen. „Wir teilen alles unter den Bedürftigen Offenbachs auf. Und wenn am Ende eben jeder eine kleinere Tüte mit nach Hause nehmen kann, ist das ja immer noch für viele die Rettung in der allergrößten Not.“ (Christian Reinartz)

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