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EU verbietet Tattoofarben: Tätowierer und Kunden in Offenbach leiden

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Von: Christian Reinartz

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Farben sind ab sofort verboten: „Musterknabe“ Adrian Neumann darf seinen Kunden nur noch schwarz-weiße Tattoos stechen.
Farben sind ab sofort verboten: „Musterknabe“ Adrian Neumann darf seinen Kunden nur noch schwarz-weiße Tattoos stechen. © Reinartz

Weil die EU Tattoofarben verbietet, haben Tätowierer und Kunden in Offenbach ein Problem. Vor allem, weil es einige gibt, deren Tattoo noch gar nicht fertig ist.

Offenbach – Selena K. hatte einen Plan. Ein ausgeklügeltes Konzept, ihren Körper langsam, aber sicher in ein Kunstwerk zu verwandeln. Seit drei Jahren lässt sich die Offenbacherin immer wieder tätowieren: einen Koikarpfen, Drachenköpfe, einen Samurai, japanische Motive. In bunten, fast schon schillernden Farben. Erst an der linken Schulter, dann den Rücken hinab über die linke Pobacke. Weiter ist sie nicht gekommen.

Denn ein Beschluss der EU verbietet ab sofort Farbpigmente, die in Tattoofarben enthalten sind. Die Folge: Ihr Großtattoo bleibt unvollendet. „Ich bin so sauer auf diese Bürokraten“, sagt die 26-Jährige mit der olivfarbenen Haut. „Die wissen gar nicht, was sie den Leuten damit antun, die noch mitten im Tätowierprozess sind.“

Farbverbot: Offenbachs Tattoo-Studios sind frustriert

Tätowiererin Gizi Özdemir kennt diesen Frust aus der Praxis. Sie arbeitet im ältesten Offenbacher Tattoo-Studio „Skin Art“ in Offenbach-Bieber. „Die Leute wurden mit ihren unvollendeten Tattoos einfach alleine gelassen“, sagt sie, während sie ihre Tätowiernadel in schwarze Farbe taucht und sich einem Arm zuwendet, den noch am selben Abend zwei Nägel und eine zerrissene Kette zieren sollen.

Der Arm gehört zu Maurice F. Auch er wurde vom Farbenverbot der Europäischen Union kalt erwischt. „Ich habe aber den Vorteil, dass ich sowieso eine Mischung aus schwarzen und bunten Tattoos habe“, sagt er. „Nur deshalb kann ich jetzt weitermachen.“

Tätowierer in Offenbach sind sauer: „Haben eben keine Lobby“

Während sich Özdemirs Tätowiermaschine in F.´s Haut gräbt, lässt sie ihrem Ärger über das Farbenverbot der Europäischen Union freien Lauf. „Wir wurden einfach mit der Kosmetikindustrie in einen Topf geworfen.“ Das sei ungerecht und der Sache überhaupt nicht angemessen. „Denn es gibt gar keine Studien, die besagen würden, dass Tätowierfarben schädlich sind“, sagt Özdemir. „Aber die Tattoo-Szene hat in der Politik eben keine große Lobby, die für uns eintritt.“

Dem Argument der Politik, dass es ja noch einige wenige erlaubte Farben auf dem Markt gebe, erteilt sie eine Absage. Die Produkte seien nicht farbstabil und würden schnell verblassen. „Das Zeug ist so schlecht, dass ich es keinem Kunden guten Gewissens in die Haut stechen würde.“

Gizi Özdemir tätowiert den Arm von Maurice F.
Gizi Özdemir tätowiert den Arm von Maurice F. © Reinartz

„Arbeitsgrundlage gestrichen“: Corona macht es Tattoo-Studios in Offenbach ohnehin schwer

Auch ihr Tätowierer-Kollege Adrian Neumann, der in der Szene als „Musterknabe“ bekannt ist, ist von dem Farbenverbot genervt. Er arbeitet in seinem eigenen Studio an der Waldstraße. „Uns wurde einfach mir nichts dir nichts ein großer Teil unserer Arbeitsgrundlage gestrichen“, sagt er gefrustet. „Darüber, dass das für unsere Betriebe enorme wirtschaftliche Einbußen in dieser ohnehin schon schweren Corona-Zeit bedeutet, hat sich keiner in Brüssel Gedanken gemacht.“ Für Tattoo-Studios gilt wie für andere „körpernahe Dienstleistungen“ wie Friseure seit Ende 2021 die 2G-Regel. Das heißt, die Studios dürfen nur geimpfte oder von Covid-19 genesene Kunden bedienen.

Und nun auch noch das Farbverbot. Allein bis zu 40 Prozent weniger Aufträge verbucht Neumann seit Inkrafttreten des Verbots am 4. Januar. Für etwa 1000 Euro musste er zudem schon gekaufte Farben entsorgen. Das Problem: Ein immer größer werdender Teil der Kundschaft wolle heute farbige Tattoos, sagt er. „Schwarzweiß ist für diese Leute aber keine Alternative, sodass sie dann lieber auf ein Tattoo verzichten.“

Reaktionen in Offenbach: Tätowierer hoffen auf Farbalternativen nach Verbot

Dennoch kann zumindest Gizi Özdemir der Neuregelung auch etwas Gutes abgewinnen. „Bisher hat sich niemand für die Szene interessiert. Immerhin kommt diese uralte Kunst so mehr in den Blickwinkel der Politik und damit auch der Gesellschaft.“ Deshalb sieht sie auch für die Zukunft der Farbtattoos nicht komplett schwarz. Özdemir: „Ich hoffe darauf, dass die Hersteller bis Ende des Jahres Farbalternativen anbieten können.“

Bis dahin müssen betroffene Kunden noch warten und hoffen, dass die Farbtöne dann übereinstimmen. „Das wird das größte Problem werden“, erklärt Özdemir. „Man kann den Unterschied zu einer neuen Farbe immer sehen. Und das will keiner, der ein großes Tattoo hat, das noch nicht fertig ist.“ (Christian Reinartz)

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