1. Startseite
  2. Offenbach

„Wir leben in ständiger Angst“ - Immer mehr aggressive Hunde im Tierheim

Erstellt:

Kommentare

Tierpflegerin Conny Bauer mit Herdenschutzhund-Mischling Kalle im Offenbacher Tierheim.
Er sieht harmlos aus, ist es aber nicht: Tierpflegerin Conny Bauer mit Herdenschutzhund-Mischling Kalle, der mit Vorsicht zu genießen ist. Momentan zeigen neun von 14 Hunden im Tierheim Offenbach Problemverhalten. © Schade

Im Tierheim in Offenbach leben 14 Hunde. Mehr als die Hälfte von ihnen ist verhaltensauffällig. Bei einigen besonders aggressiven Hunden schließt das Tierasyl eine Vermittlung sogar aus.

Offenbach - „Der Hund ist eine Zeitbombe.“ „Wir leben in ständiger Angst.“ „Der Hund ist gefährlich und muss eingeschläfert werden.“ Das sind Auszüge aus Hilferufen, die das Tierheim beinahe täglich bekommt. Und das nicht nur aus Offenbach, sondern weit darüber hinaus. „Es gibt kaum noch ein Tierheim, das nicht voller beißender Hunde wäre. Auch bei uns werden es immer mehr, wir ähneln schon einem Gnadenhof für Kämpfer“, sagt Tierpflegerin Conny Bauer. Die Kapazitäten sind erschöpft.

14 Hunde leben derzeit im Offenbacher Tierasyl, neun davon sind verhaltensauffällig. Sie haben gelernt, wie man sich mit Zähnen durchsetzt. „Hunde brauchen klare Strukturen, konsequenten Umgang und Grenzen. Das haben sie bei ihren Besitzern nie bekommen“, weiß Bauer. Im Gegenteil, viele würden ihre Tiere vermenschlichen, sie mit Liebe überschütten, dabei jedoch ihre tatsächlichen Bedürfnisse verkennen. Das räche sich irgendwann.

Tierasyl Offenbach: Viele Hunde haben Verhaltensprobleme und sind aggressiv

Es sind längst nicht nur „Listenhunde“, die aggressiv und kaum händelbar im Tierheim landen. Sondern auch vermeintlich einfache Rassen, die oft als Kinder- oder Partnerersatz angeschafft würden – ohne darüber nachzudenken. „Es ist sehr leicht geworden, an einen Hund zu kommen. Sie werden einfach im Internet besorgt“, kritisiert die Tierpflegerin. Das erkläre den Anstieg der Problemfälle.

Dazu kämen Rassetrends wie Huskys oder verschiedene Hütehunde, die viel Platz, körperliche und geistige Beschäftigung brauchen. „Nicht nur einen Spaziergang eine halbe Stunde um den Block, währenddessen man nur aufs Handy schaut.“ Aktuell immer beliebter: der Cane Corso. Das sieht Bauer mit Sorge. Der sei, trotz süßem Knautschgesicht, ein ernst zu nehmender Wachhund.

Offenbach: Tierheim muss immer wieder Absagen an Interessierte für schwierige Hunde erteilen

Auch Tierheimbewohner Kalle sieht aus, als könne er kein Wässerchen trüben – genau da liegt der Knackpunkt. Der Bernhardiner-Herdenschutzhund-Mix ist misstrauisch und respektlos, grob bei Tier und Mensch, hat in seiner Ursprungsfamilie ein Kind umgeworfen, es schlug sich die Zähne aus. „Er braucht einen hundeerfahrenen Menschen, der in der Lage ist, ihn zu erziehen“. Die Tierpflegerin benennt damit das Problem bei der Vermittlung dieser Tiere.

Die gestaltet sich schwierig, weil Menschen, denen man sie guten Gewissens anvertrauen kann, selten sind. Manchmal gebe es Interessenten, denen aber letztlich eine Absage erteilt wird. „Wenn wir es nicht verantworten können, kein gutes Gefühl haben, eine Gefahr für den Menschen sehen, behalten wir den Hund. Natürlich sind diese Leute dann sauer, manche stellen uns im Internet als arrogant hin“, so Bauers Erfahrung.

Aggressive Hunde im Tierasyl Offenbach zum Teil nicht vermittelbar

Dass die Gefahr allgegenwärtig ist, erlebt sie kürzlich schmerzhaft am eigenen Leib. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit genügte, der Hund zog sich selbst den Maulkorb aus und „tackerte meine Hand und meinen Arm“. Erst jetzt ist sie nach Krankschreibung wieder im Dienst. Noch schlimmer erwischte es vor einem Jahr eine Kollegin, die von einem Dackelmix, als sie nach einer heruntergefallenen Leine griff, in den Zeigefinger gebissen wurde. Sie kann bis heute den Finger nicht richtig bewegen.

Bei Husky Lio schließt das Heim eine Vermittlung sogar aus. Er verteidigt Futter, Schlafplatz und Spielzeug und auch seine Bezugspersonen. Einschränkungen oder schon das Wort „nein“ lassen ihn wütend werden. „Er hat in der Vergangenheit gelernt, Entscheidungen selbst zu treffen.“ Mit dem Siebenjährigen muss noch lange gearbeitet werden, bis ein neues Zuhause vorstellbar wird. Wenn überhaupt.

Tierheim in Offenbach: Unterstützung von Hundeschulen

Zwei Hundeschulen unterstützen das Offenbacher Tierheim dabei, schicken Trainer, um die Tiere professionell einzuschätzen und den Pflegern Tipps zu Umgang und Erziehung zu geben. Die Tierpflegerinnen trainieren mit den Hunden regelmäßig – auch das bedeutet mehr Aufwand als mit den unproblematischen Schützlingen. „Wir versuchen, dass es die Hunde so gut wie möglich haben, gerade wenn viele von ihnen leider lange hier bleiben müssen“, sagt Bauer.

Die Arbeit sei emotional mitunter anstrengend, doch es passiert auch Erfreuliches. So fand die Old-English-Bulldog-Hündin Ruby nach vielen Vorbesitzern und Monaten im Tierheim ein tolles neues Zuhause. „Sie hat sogar einen eigenen Instagram-Account“, lacht die Tierpflegerin. (Veronika Schade)

Wegen Corona sollten Halter von Hunden einiges beachten. Was ist zum Beispiel, wenn der Halter das Coronavirus hat und das Haustier seinen Auslauf braucht? Zu Beginn des Jahres setzten Unbekannte einen Hund in Frankfurt aus. Dieser reagierte aggressiv und biss daraufhin zwei Menschen.

Auch interessant

Kommentare