In Offenbach „total abgestürzt“: Obdachloser überfällt zehn Männer

Er schlief im Büsingpark, am Marktplatz Offenbach lauerte er seinen Opfern auf: Nun steht ein 32-jähriger Drogensüchtiger vor Gericht.
Offenbach – Die verbreitete Meinung, Opfer nächtlicher Überfälle seien in erster Linie weiblich, muss zurecht gerückt werden: Im Herbst 2019 brachte Mohammad F. zehn männliche Passanten unter Gewaltandrohung dazu, ihm Geld auszuhändigen. Insgesamt 2360 Euro ergaunerte der 32-Jährige auf diese Weise - nun muss er sich wegen räuberischer Erpressung vor dem Landgericht Darmstadt verantworten.
Offenbach: Überfalle am Marktplatz – Drogensüchtiger erbeutet 1475 Euro
Die Masche ist stets ähnlich, findet immer in Marktplatznähe statt und benötigt keine Waffe. Es reicht, wenn der kräftige Deutsch-Afghane mit Schlägen droht. Das schüchtert die meist jungen Männer derart ein, das sie ihm freiwillig das geben, was er fordert: Mal ein paar Scheine, in einem Fall die Bankkarte samt PIN-Nummer. Den ärgerlichen Rekord hält ein 27-jähriger Offenbacher aus der Waldstraße: Er verliert 1475 Euro an den wohnsitzlosen Drogenabhängigen.
Die Erinnerung des Opfers an den 29. September: „Ich bin nachts aus der Bahn gestiegen und lief über den Marktplatz. Da sprach mich der Mann an, er braucht Geld fürs Hotel!“ Er wolle ihm nicht wehtun, aber er bräuchte das Geld dringend. „Ich sagte ihm: ‘Ich hab nur 20 Euro dabei, was soll ich machen?’ „ - Darauf der Täter: „Ich schlag dich zusammen, aber ich will es eigentlich nicht!“ Aus Angst sei er mit ihm zu seiner Wohnung gelaufen, um die Bankkarte zu holen, so der Geschädigte. Der Täter wartete vor der Wohnungstür auf das begehrte Stück Plastik. Sein Konto sei nach vier Abbuchungen anschließend leer gewesen.
Offenbach: Mann droht mit Schlägen – Opfer: „Stresssituation“
Den Vorsitzenden Richter Daniel Kästing interessiert nicht nur der Tathergang, sondern insbesondere die psychischen Folgen für die Opfer. Die sind hier glücklicherweise überschaubar: „Ich habe größtenteils damit abgeschlossen.“
Ein 25-jähriger Philosophiestudent brauchte etwas länger, um die Sache zu verdauen: „Ich war sehr aufgewühlt. Die Stresssituation war erheblich!“ Auch er wurde auf dem Marktplatz von F. angesprochen, ob er ihm Geld fürs Hotel gebe – 180 Euro sollten es sein. „Ich habe abgelehnt, dann hat er mir seine Hand gezeigt und gesagt, er hätte grad eine Auseinandersetzung mit einer anderen Person gehabt.“ Bedroht gefühlt habe er sich, deshalb sei er zur Sparkasse und habe 50 Euro abgehoben. Damit gibt sich der Angeklagte aber nicht zufrieden. Er will ja mehr: „Entweder Geld oder Streit!“ fordert F.. Der Student geht nochmals zur Geldquelle und hebt 130 Euro ab, die F. selbst aus dem Automatenfach nimmt – praktisch, denn so ist er auf der Überwachungskamera der Bank erfasst.
Angeklagter: „Ich bin in Offenbach total abgestürzt“
Und was sagt F. selbst zu den Vorwürfen? „Ich gebe alles zu. Es tut mir sehr leid. Ich bin in Offenbach total abgestürzt. Ich habe das Geld für Essen oder einen Schlafplatz gebraucht.“ Erst 2019 sei er aus Wiesbaden „zugezogen“, weil er seinen neunjährigen Sohn suche. Leider habe er auch gleich andere Junkies kennengelernt und viel konsumiert. In der Landeshauptstadt hatte er bei der Oma gewohnt, in Offenbach schlief er im Büsingpark, „solange bis sie mir dort alles geklaut haben“.
Die Vita des Angeklagten bietet beste Voraussetzungen für eine kriminelle Karriere: Ab dem 14. Lebensjahr Marihuana-Konsum, ab 18 bis zu ein Gramm Kokain pro Tag, dazu Amphetamine. Ohne Schulabschluss und Ausbildung gerät er auf die schiefe Bahn. Nach zwei Therapien wieder rückfällig. Derzeit in Haft gibt es nur noch ein opioidhaltiges Arzneimittel gegen die Rückenschmerzen.
24 Einträge ins Bundeszentralregister hat Mohammad F. angesammelt. Bereits mit 14 Jahren kassierte er eine Jugendstrafe für räuberische Erpressung. Weitere Eigentumsdelikte und Körperverletzungen folgen, allein 17 Urteile gab’s wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Offenbach: Kriminelle Energie auf Drogensucht zurückzuführen?
Immer wieder beteuert F. seine Reue, entschuldigt sich bei jedem Opfer einzeln: „Diese Erpressungen sind überhaupt nicht meine Art.“ Ob die kriminelle Energie allein auf die Drogensucht zurückzuführen ist, soll der Psychiatrische Sachverständige Dr. Peter Haag am zweiten Verhandlungstag klären. Eventuell fällt danach schon das Urteil. (Von Silke Gelhausen)