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Kuriose Behörden-Entscheidung in Offenbach: Herzkranker Mann verliert Wohngeld, weil er sparsam ist

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Von: Christian Reinartz

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Weil er weniger Geld ausgibt, als im fiktiven Regelsatz vorgesehen, hat das Amt in Offenbach Michael G. die Miet-Unterstützung gestrichen.
Weil er weniger Geld ausgibt, als im fiktiven Regelsatz vorgesehen, hat das Amt in Offenbach Michael G. die Miet-Unterstützung gestrichen. © Reinartz

Weil er weniger Geld ausgibt, als im fiktiven Regelsatz vorgesehen, hat das Amt in Offenbach Michael G. die Miet-Unterstützung gestrichen.

Offenbach – Der schwer herzkranke Michael G. lebt von Arbeitslosengeld I. Rund 675 Euro bekommt er pro Monat. Weil das zu wenig ist, um die Miete allein stemmen zu können, erhält er monatlich 241 Euro Wohngeld von der Stadt Offenbach. Doch damit ist im November 2021 Schluss. Da wird ein Mitarbeiter stutzig – und rechnet nach. Michael G. lebt insgesamt von 916,30 Euro inklusive dem Wohngeld. Das ist aber viel weniger, als im Regelsatz für Hartz-4-Empfänger festgelegt ist. Die würden insgesamt rund 1090 Euro erhalten. Was dann passiert, kann G. nicht fassen.

Die Stadt bewilligt ihm das Wohnungsgeld nicht mehr, weil sie erst einen glaubhaften Nachweis haben will, wie der kranke Mann mit so wenig Geld über die Runden kommt. Michael G. kann nur noch den Kopf schütteln. „Ich bin einfach ein sehr sparsamer Mensch, der mit dem auskommt, was ihm zur Verfügung steht.“

Stadt Offenbach behält Wohngeld ein: Empfänger hat „keinen Cent für Lebensmittel mehr“

G. versucht, mit diversen Kontoauszügen darzulegen, wie er sein Leben mit so wenig Geld bestreitet, aber dem Amt ist das offenbar nicht genug. Seit einem halben Jahr behält die Stadt das Wohngeld ein. Für G. eine Katastrophe. „Ich habe jetzt keinen Cent mehr für Lebensmittel übrig“, sagt er verbittert. „Ich kann mir nur noch was zu essen kaufen, weil mir Freunde immer mal wieder zehn oder zwanzig Euro leihen.“ Doch das ginge auch nicht ewig.

Bei der Stadt sieht man sich im Recht. Sprecher Fabian El Cheikh: „Im Zuge des gestellten Antrags zur Weiterbewilligung ergaben sich Sachverhalte zur finanziellen Situation von Herrn G., die es dem Wohnungsamt nicht ermöglichten, innerhalb der Bestimmungen und Regelungen des Wohngeldgesetzes einer Weiterbewilligung zuzustimmen.“ Hintergrund ist, dass Fixkosten wie Miete, Heizkosten und Versicherungen plus die im Regelsatz veranschlagten Kosten für Lebensunterhalt nicht weniger als 80 Prozent des regulären Gesamt-Regelsatzes eines Hartz-IV-Empfängers betragen dürfen. Im Klartext heißt das: Die Stadt geht davon aus, dass ein Mensch mindestens den fiktiven Regelsatz zum Leben benötigt.

Da aber Michael G. im Alltag weniger als diesen gebraucht hat, fordert die Stadt Beweise. Er habe aber keinen Versuch unternommen, seine sparsame Lebensweise darzulegen, erklärt El Cheikh. „Er hat lediglich sehr ausführlich seine monatlichen Fixkosten dargelegt und verschiedene Bargeldeinzahlungen auf seinem Konto erläutert.“ Und weiter: „Da das Wohnungsamt hier keine Möglichkeit einer Bewilligung gesehen hat, wurde Herr G. durch das Wohnungsamt darauf hingewiesen, dass er, wenn er seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln decken kann, sich umgehend an das Jobcenter oder das Sozialamt wenden soll.“ Zur Erklärung: Diese Regelung soll eigentlich ein Schutznetz sein und verhindern, dass Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, als ihnen zusteht.

Herzkranker aus Offenbach bleibt nur eine Chance: Ein Telefonat mit der Sachbearbeiterin

Dennoch versteht Michael G. die Welt nicht mehr. „Für mich ist das der absolute Behördenirrsinn. Nur weil ich weniger zum Leben benötige, als im Regelsatz fiktiv festgelegt ist, bekomme ich jetzt kein Wohngeld mehr bewilligt.“ Stattdessen fühle er sich in Hartz 4 mit all seinen Restriktionen gedrängt. Das will der Herzkranke aber nicht. „Das Verrückte daran ist, dass ich den Staat dann ja mehr Geld kosten würde als jetzt.“

Eine Chance bleibt ihm noch. Könne Michael G. seinen geringen Geldbedarf bis zum 29. Mai dem Wohnungsamt plausibel darlegen, so El Cheikh, könne die Stadt eine Lösung finden. Er empfiehlt ein persönliches Telefonat mit der Sachbearbeiterin, um abzuklären, was genau benötigt wird. (Christian Reinartz)

Schon seit Jahren hält sich die Vermutung hartnäckig, dass Offenbach bei jenen beliebt sei, die staatliche Transferleistungen in anderen Kommunen erhalten hätten. Doch stimmt das überhaupt?

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