Hohe Baukosten und Fachkräftemangel: Offenbacher Wohnprojekt auf Eis gelegt
Der Druck am Wohnungsmarkt in Offenbach ist hoch. Gerade „bezahlbare Wohnungen“ werden gesucht. Trotzdem wird jetzt ein Bauprojekt auf unbestimmte Zeit verschoben.
Offenbach - Dazu zählen günstige Domizile für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen, aber auch geförderter Wohnraum. Dafür sind indes die wenigsten Durchschnittsverdiener berechtigt.
Doch Wohnbauprojekte, bei denen Rücksicht auf Menschen mit wenig Einkommen gefordert und festgeschrieben ist, sind ins Stocken geraten: Auf Nachfrage unserer Zeitung hat die Nassauische Heimstätte (NH), eine Baugesellschaft mit Landesbeteiligung, erklärt, dass das Liebigquartier auf dem ehemaligen Post-Areal an der Marienstraße auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
Dabei nannte der Magistrat bei Fragen nach gefördertem Wohnraum in vergangenen Jahren immer wieder dieses Projekt. Schließlich ist da die 30-Prozent-Quote von gefördertem Wohnraum – bei anderen Vorhaben schon mal aus unterschiedlichen Gründen ausgesetzt – erreicht: 100 der 300 Wohnungen im Liebigquartier, so schreibt die NH, sollten „in geförderter Form entstehen“.
Offenbach: Abgesagt ist das Wohnprojekt nicht
Abgesagt ist das Projekt nicht, betont die NH, nur verschoben. Grund ist die Kostenexplosion im Bausektor: „Die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führten dazu, dass neben dem deutlichen Anstieg der Energiepreise und der maximalen Auslastung der Handwerksbetriebe in Verbindung mit dem Fachkräftemangel sich auch die Rohstoffsituation am Weltmarkt deutlich verschlechtert hat.
Die Folgen sind ein massiver Anstieg der Baukosten, eine Inflationsrate auf historisch hohem Niveau sowie deutlich gestiegene Kapitalmarktzinsen. Hinzu kommt eine deutliche Verschlechterung der Förderkulisse“, schreibt die NH. Das Vorhaben rechnet sich also nicht – zumal ein Drittel der Wohnungen ohnehin subventioniert angeboten werden muss. „Wir können daher im Augenblick leider nicht absehen, wann die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen uns einen Baubeginn erlauben“, so die NH.

Das Projekt ist somit nicht gestorben: Die NH dringt darauf, dass Baurecht geschaffen wird. Seit 2018 gehört ihr das Gelände, auf dem neben Wohnungen auch ein Supermarkt, eine Kindertagesstätte sowie Büros und Arztpraxen entstehen sollen. Nur wann dies geschieht, ist momentan nicht absehbar.
Geprüft wird, ob das alte Postamt am Aliceplatz zu Wohnraum umgewandelt wird
Das trifft Offenbach hart, da es auch bei der stadteigenen Gemeinnützigen Baugesellschaft (GBO) keine aktuellen Vorhaben gibt, die durch günstige oder geförderte Wohnungen für Entlastung am Markt sorgen könnten. Man habe „derzeit keine Baumaßnahme, die kurz vor der Umsetzung steht“, heißt es seitens der kommunalen Baugesellschaft.
Allerdings plant diese trotz der gestiegenen Zinsen und Baukosten für künftige Projekte weiterhin – nur was, darüber scheinen bei Magistrat und GBO Unklarheiten zu bestehen: Kürzlich erwähnte Baudezernent Paul-Gerhard Weiß, dass in Bieber-Nord ein GBO-Vorhaben verschoben worden sei – bei der GBO wusste man auf Nachfrage davon jedoch nichts. Eine Verwechslung, hieß es. Allerdings hatte die GBO, wie aus mit der Sachlage vertrauten Kreisen zu hören war, einst angedacht, drei Grundstücke für Mehrfamilienhäuser in Bieber-Nord zu erwerben. Doch lediglich ein Architekturwettbewerb soll für dieses Jahr vorgesehen sein.
Geprüft wird bekanntlich, ob das alte Postamt am Aliceplatz zu Wohnraum umgewandelt werden kann. Aber das ist, wenn überhaupt, ein Projekt, das noch mehrere Jahre Planung benötigt, von der Finanzierung ganz zu schweigen.
Offenbach: Im Quartier 4.0 am alten Güterbahnhof soll es dieses Jahr losgehen
Seit Monaten ist das Projekt in den ehemaligen KWU-Türmen am Kaiserlei zum Erliegen gekommen. Die Kosten für die Unterhaltung der Baustelle, so ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, seien immens. Die NH hatte dort ursprünglich ebenfalls bezahlbare Wohnungen geplant, doch seit der Eigentümer der Immobilie, die Firma Consus, in einen Finanzskandal verwickelt ist, ist es um das Vorhaben still geworden.
Nur im Quartier 4.0 am alten Güterbahnhof soll es dieses Jahr losgehen: Die Wilma-Bau errichtet, wie vermeldetet, ein Gebäude mit Wohnungen, teils mietgedämpft. Doch dürfte dies lediglich der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein sein, da andere Projekte auf Eis gelegt oder erst zu planen sind.
Um ein typisches Offenbacher Phänomen handelt es sich dabei übrigens nicht. Auch andere Kommunen sind von einem Stopp oder einer Verlangsamung der Bautätigkeit betroffen. Dass jedoch gerade die von Kommunen, Land und Bund propagierten bezahlbaren oder geförderten Wohnungen betroffen sind, offenbart die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. (Frank Sommer)