Offenbach: Würdevollen Abschied gewähren

Sie werden nicht vermisst, ihr Ableben fällt oft erst sehr spät auf: Wenn Menschen einsam sterben, ist die Stadt für die Beerdigung zuständig. „Wir müssen uns dann darum kümmern, dass die Person würdevoll bestattet wird – aber wir haben auch die Pflicht, nach Angehörigen zu suchen“, sagt Pietro Mereu, zuständiger Abteilungsleiter vom Ordnungsamt.
Offenbach - 96 Stunden hat das Ordnungsamt Zeit für die Bestattung, so ist es in der entsprechenden Verordnung zur Abwehr von Seuchengefahr vorgeschrieben. Bestattung bedeutet in diesem Fall, dass der Körper auf Anordnung der Stadt eingeäschert wird. Findet sich in diesen 96 Stunden ein Angehöriger, so ist dieser für die anschließende Beisetzung zuständig. Ansonsten geht die Suche weiter: Rund neun Wochen haben die Mitarbeiter des Ordnungsamtes dann, bis die Urne mit der Asche beigesetzt wird.
Bei Einwohnermelde- oder Standesamt werden etwa Geburtsort, Eheschließung oder der letzte Wohnort abgefragt, um Hinweise auf Angehörige zu erhalten. Oft gebe es auch Hinweise vom Sozialdienst oder Nachbarn, erläutert Mereu.
Dass, wie in manchen anderen Städten praktiziert, die Wohnung des Verstorbenen vom Ordnungsamt nach Hinweisen durchsucht wird, kommt in Offenbach kaum vor. Die Quote, Angehörige oder Erben durch Recherche am Schreibtisch zu finden, ist sehr gut: Von den 41 Sterbefällen in diesem Jahr konnten bis auf 13 Fälle Angehörige ermittelt werden. „In den letzten beiden Jahren gab es eher weniger Todesfälle, die von uns bearbeitet wurden, davor waren es zwischen 60 und 80 im Jahr“, sagt Mereu.
Wenn Angehörige gefunden werden, ist Fingerspitzengefühl gefragt: Einerseits muss diesen der Tod des Angehörigen sensibel vermittelt werden, andererseits hat die Stadt die Aufgabe, diese an deren Bestattungspflicht zu erinnern. „Es geht erst mal nicht ums zahlen, sondern dass sich jemand pietätvoll in angemessener Zeit um den Verstorbenen kümmert“, betont Mereu. Dennoch müsse das Amt daran erinnern, dass eine Sorgepflicht der Angehörigen besteht und Fristen zur Bestattung einzuhalten sind. Wenn Angehörige diese ignorieren, droht ihnen wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld von bis zu 800 Euro. Beides, Beileid auszusprechen wie an die Pflichten zu erinnern, in Einklang zu bringen, sei schwierig, sagt Mereu.
Wenn Menschen sich von Angehörigen zurückgezogen haben, sind dem oft private Dramen vorausgegangen – die Bandbreite, was die Mitarbeiter des Ordnungsamtes dann erfahren, ist groß: Manche würden gar nicht auf das Schreiben reagieren, andere es ablehnen, sich um die Angehörigen zu kümmern. Eine Ablehnung, betont Mereu, ist aber nur in Ausnahmefällen möglich. Schwere Misshandlung in der Kindheit, die nachgewiesen wurde, zählt etwa dazu. „Sich im Alter zerstritten zu haben, ist kein Rechtfertigungsgrund.“ Wer sich dennoch hartnäckig weigert, dem drohen Bußgeld und Gerichtsverfahren.
Rund 2000 Euro fallen an für Leichenschau, Einäscherung und Beisetzung. Wenn sich kein Angehöriger findet, übernimmt die Stadt die Kosten. „Wir erwarten von den Bestattern, dass sie mit allen Toten würdevoll umgehen“, sagt Mereu, „es darf kein Unterschied gemacht werden zu anderen Sterbefällen“.
Eigentlich würden diese Verstorbenen anonym beigesetzt – doch in Offenbach gibt es seit 2009 die Vereinbarung mit dem ehemaligen Evangelischen Dekanat, dass aus einem Spendentopf Beisetzungen mit Namensnennung auf dem Friedhof Bieber ermöglicht werden. „In diesem Jahr wurden fünf Beisetzungen daraus bezahlt“, sagt Friedhofsleiterin Gabriele Schreiber. Die Friedhofsverwaltung sei darauf angewiesen, dass die Bestatter ihnen diese Fälle melden, damit eine anonyme Beisetzung vermieden werden kann.
Von Frank Sommer