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Caritas Offenbach stoppt 50-Millionen-Projekt – wegen einer fehlenden Busverbindung

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Von: Frank Sommer

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Bewohner des Seniorenzentrums in der Schumannstraße sind auf die Linie 106 angewiesen: Helmut Beyer etwa nutzt täglich den Bus, um in die Innenstadt zu gelangen.
Bewohner des Seniorenzentrums in der Schumannstraße sind auf die Linie 106 angewiesen: Helmut Beyer etwa nutzt täglich den Bus, um in die Innenstadt zu gelangen. © Sommer

Die Caritas hat den Ausbau eines Seniorenzentrums in Offenbach vorerst gestoppt: Die Investition sei unter den aktuellen Umständen „schlichtweg nicht sinnvoll“.

Offenbach – Es kommt einem Paukenschlag gleich: Die Caritas Offenbach legt sämtliche Erweiterungs- und Ausbaupläne für das Seniorenzentrum an der Schumannstraße auf Eis – davon betroffen sind Investitionen in Höhe von mindestens 50 Millionen Euro. Grund ist der geplante Wegfall der Busverbindung zum Seniorenzentrum.

In offenen Briefen an Oberbürgermeister Felix Schwenke und Bürgermeisterin Sabine Groß Anfang der Woche (25. April) hatten die Caritas-Direktoren Christiane Leonhardt-Içten und Michael Klein einen solchen Schritt bereits angedeutet, nun wurden alle Planungen vorerst abgesagt. Es sei schlicht nicht sinnvoll, in dieser Höhe für ein Zentrum zu planen, das von der ÖPNV-Infrastruktur abgeschnitten sei, sagt Klein.

Betroffen vom Wegfall der Linie 106 und der Abschaffung der dortigen Haltestelle wären die beiden Alten-und Pflegeheime der Caritas mit 167 Bewohnern und über 200 Mitarbeitern. Trotz heftiger Proteste der Betroffenen wurde seitens des Magistrats lediglich darauf verwiesen, dass die dortige Haltestelle von weniger als 100 Fahrgästen am Tag genutzt würde. „Diese Personen sind aber unbedingt auf die Haltestelle angewiesen“, sagt Klein.

Caritas Offenbach streicht Millionen-Projekt: Kita, Pflegeschule und Tagesbetreuung waren geplant

Dass die Stadt das Caritas-Zentrum vom ÖPNV abschneiden möchte, obwohl dort Investitionen von insgesamt über 50 Millionen Euro geplant sind, hat die Caritas nun dazu bewogen, die Planungen einzustellen. „Die Stadt wusste, dass wir hier für 40 Millionen Euro eine viergruppige Kita, eine Tagespflege und betreutes Wohnen bauen wollten“, sagt Klein. Auch sei der Stadt bekannt gewesen, dass die Caritas für knapp zehn Millionen Euro eine Schulungseinrichtung für Pflege und Kinderbetreuung plante. Das Regierungspräsidium und die Stadt hatten in der Vergangenheit den Bedarf an diesen zusätzlichen Einrichtungen bestätigt, eine Bauvoranfrage wurde von der Stadt noch im vergangenen Jahr positiv beschieden. Rund 600. 000 Euro hat die Caritas bisher in Planung und Gebühren investiert.

Die geplanten Einsparungen im ÖPNV

Wie berichtet, muss die Stadt den ausufernden Kosten im Mobilitätsbereich durch Einsparungen begegnen. Bereits im vergangenen Jahr wurden Einsparungen, etwa durch Taktverkürzung in den Abendstunden, vorgenommen. Bürgermeisterin Sabine Groß (Grüne) und Kämmerer Martin Wilhelm (SPD) haben nun mit den Beratungsfirmen KCW und Plan-Mobil ein Konzept vorgelegt, das Einsparungen von rund zwei Millionen Euro, knapp 1,3 Millionen Euro allein beim Busverkehr, vorsieht.

Vorgesehen ist unter anderem, die Linie 106 zu streichen. Einige Stationen werden durch andere Linien bedient, sieben Haltestellen im Stadtgebiet werden gar nicht mehr angefahren – darunter auch die Haltestelle am Caritaszentrum in der Schumannstraße. Im Gegenzug wird eine der Taktkürzungen vom vergangenen Jahr wieder rückgängig gemacht. In einem nächsten Schritt soll das weitere Mobilitätsangebot in der Stadt auf Einsparmöglichkeiten untersucht werden.

So wird etwa die Verlagerung der Mobilitätszentrale vom Salzgäßchen an die Hebestraße geprüft, ebenso ist angedacht, dass die E-Mobilitätsausleihe an ein privatwirtschaftliches Unternehmen vergeben wird. Das gesamte Einsparkonzept wird am Donnerstag, 19. Mai, in der Stadtverordnetenversammlung diskutiert. Wenn es mehrheitlich angenommen wird, gelten die Änderungen ab. 3. Juli. 

Das Vorhaben sei unter den veränderten Bedingungen aber obsolet, heißt es: Ohne Busanbindung würden sich kaum Mitarbeiter dafür finden lassen. Über 50 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hätten dort entstehen sollen – da viele aus dem zweiten Arbeitsmarkt rekrutiert würden, sei eine Anbindung an den ÖPNV unabdingbar. „Die Menschen sind auf den Bus angewiesen, ebenso wie die übrigen Mitarbeiter und unsere Auszubildenden, aber auch Bewohner und Besucher der beiden Heime“, sagt Michael Klein.

Offenbach: Übergriff auf Auszubildenden auf dem Weg zum Bus

Dass Verstärkerbusse zweimal am Tag das Zentrum anfahren, wie von der Stadt vorgeschlagen, sei viel zu wenig: In den Pflegeheimen gebe es allein 20 unterschiedliche Schichten mit verschiedenen Anfangs- und Endzeiten. Besuchern und Bewohnern wäre damit ebenfalls nicht geholfen. Auch die von der Stadt propagierte X-Linie an der Sprendlinger Landstraße sei keine Lösung: Diese fahre zu selten, zudem sei der Weg durch den Wald oder durch das Industriegebiet den Mitarbeitern nicht zuzumuten.

In einem offenen Brief an alle Stadtverordnete schreibt Frank Kollmus, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, zudem, dass es im vergangenen Jahr dort einen polizeilich dokumentierten Übergriff auf einen Auszubildenden des Caritas-Zentrums gegeben habe. Im Gespräch mit unserer Zeitung hatten sich Pflegekräfte besorgt gezeigt, in den frühen Morgen- und späten Abendstunden dort entlang gehen zu müssen.

Projekt der Caritas in Offenbach droht zu scheitern: Offener Brief appelliert an Stadtverordnete

Durch die Abkoppelung des Zentrums vom Busverkehr werde für viele Menschen ihre Arbeitsstätte unerreichbar, schreibt Kollmus. Direktor Klein berichtet, dass ihm auch aus dem nahe gelegenen Briefzentrum schon Klagen von Mitarbeitern über den geplanten Wegfall der Linie 106 zugetragen wurden. Attraktiver werde dieser Bereich der Stadt durch die Einsparung der Busverbindung nicht. „Durch den Wegfall der Haltestelle werden die geplanten Neubauprojekte verhindert, was langfristig zum Arbeitsplatzabbau an diesem Standort beitragen wird“, ist sich Klein sicher.

„Wir hoffen auf ein Einlenken in letzter Minute“, schreibt Kollmus den Stadtverordneten – bis zur Sitzung am 19. Mai sei noch Zeit, die Bedürfnisse von Mitarbeitern und Bewohnern des Zentrums zu berücksichtigen. Die Caritas hatte etwa vorgeschlagen, die bisherige Haltestelle durch eine andere nahe Linie anzufahren. (Frank Sommer)

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