Die Offenbacher Freimaurer wollen mit Vorurteilen aufräumen

In Offenbach existiert eine Loge der Freimaurer. Jetzt wollen die Brüder mit Vorurteilen aufräumen. 210 Jahre nach ihrer Gründung.
Offenbach - Sie gelten als Geheimbund, Geheimniskrämer, in den Augen mancher gar als Verschwörer. Seit jeher ranken sich zahlreiche Mythen um Freimaurer. Im Nationalsozialismus wurden sie verfolgt, in manchen Ländern dieser Welt können sie noch heute nicht sicher leben.
Um ihre Sicherheit müssen die Offenbacher Freimaurer nicht fürchten. Im Stadtgeschehen treten sie beinahe ausschließlich durch die Arbeit ihres Wohltätigkeitsvereins in Erscheinung, bleiben sonst meist unter sich. Viele wissen nicht einmal um die Existenz der örtlichen Loge, die in der Domstraße 66 residiert.
Freimaurer in Offenbach: Vor 210 Jahren gründete sich die Brüderschaft in der Stadt
Dabei blicken die Brüder, wie sich die Mitglieder gegenseitig nennen, auf eine beachtliche Geschichte zurück: 1812 wurde die Freimaurerloge Carl & Charlotte zur Treue gegründet, benannt nach dem letzten in Offenbach regierenden Fürstenpaar. 210 Jahre nach der Gründung will die Loge nun mit einigen Vorurteilen rund um die Freimaurerei aufräumen.
Alexander Knöß, aktueller Meister vom Stuhl, also Vorsitzender der Loge, versteht, dass Menschen, die keine Berührungspunkte mit der Freimaurerei haben, nicht recht wissen, was davon zu halten ist. „Viele haben da zum Beispiel die Erzählung von Dan Brown im Kopf“, sagt Knöß. Der US-amerikanische Autor strickte mit „Das verlorene Symbol“ einen ganzen Thriller um die Geheimnisse der Freimaurer.
Die Loge in Offenbach: Ein Raum für die eigene Weiterentwicklung
Mit der Realität habe das jedoch nichts zu tun, betont der Meister vom Stuhl. „Im Grunde geht es um Wissensvermittlung zur persönlichen Weiterentwicklung.“ Die Loge biete einen sicheren Raum, in dem sich die Mitglieder austauschen und weiterbilden, eigene Stärken erkennen. „Nach dem Motto ,Werde der du bist“, betont Alexander Knöß. Er nennt es Persönlichkeitsentwicklung oder Vervollkommnung. Drei Grade durchlaufen die Brüder dabei in ihrem Freimaurerdasein, sind erst Lehrling, dann Geselle und Meister.

Jeden Dienstag kommen Offenbachs Freimaurer zu diesem Zweck zusammen, seit Corona überwiegend virtuell. Entweder dienen die Treffen dem Austausch zu konkreten Themen. Dabei kann es etwa um Historisches gehen, aber auch um Philosophie oder Psychologie. Der Ablauf ist festgelegt und immer gleich: Vortrag, Impuls, Austausch. Wichtig: ein gewisses Niveau. „Unser Austausch findet nicht auf Stammtischniveau statt“, betont der Meister vom Stuhl.
Tempel in Offenbach: Verschwiegenheit rund um die Bräuche und Rituale
Die übrigen Dienstagabende stehen – wenn der Tempel an der Domstraße nicht wie derzeit renoviert wird – im Zeichen der rituellen Tempelarbeit. Der Part der Freimaurerei, um den sich die meisten Mythen ranken. Denn insbesondere hier gilt der Grundsatz der Verschwiegenheit. Auch wenn Riten und Symbolik längst en detail in zahllosen Texten beschrieben sind.
Eine Suchanfrage im Internet reicht, um zu erfahren, dass die Tempelarbeit im Kern aus einem festgelegten Gespräch zwischen dem Meister vom Stuhl und zwei sogenannten Aufsehern besteht. Spezielle Kleidung und Symbole wie Winkelmaß und Zirkel haben entscheidende Bedeutung. Auch eine Reihe weiterer Praktiken, die zumindest in einigen Logen fester Bestandteil sind, können nachgelesen werden.
Offenbach: Keine Turnschuhe bei der Tempelarbeit – Ein Weg aus dem Alltag?
Dennoch: Alexander Knöß und seine Brüder hüllen sich in Schweigen, wenn es um das Ritual geht, das speziell in Offenbach praktiziert wird, geben nur wenig preis von dem, was dort, an der Domstraße bei den Tempelabenden passiert. Nur soviel: „Es gibt ein Drehbuch, die Vorbereitung ist präzise, die Abläufe sehr genau getaktet“, sagt der Meister vom Stuhl.
Altstuhlmeister Walter Noll erläutert, man wolle so aus dem Alltag heraustreten. „Zur Tempelarbeit treffen wir uns darum auch alle in schwarzen Anzügen, nicht mit Turnschuhen.“ Je nach zugewiesener Rolle kommt dann außerdem der sogenannte Hohe Hut hinzu. Mehr ist aus den Brüdern nicht herauszubekommen. Ihr Schweigen erklären sie auch damit, dass die Tempelarbeit vor allem mit dem jeweils eigenen Empfingen zu tun habe und es darum gar nicht dieses eine große Geheimnis gebe, das offenbar werden könne.
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Dennoch gibt Alexander Knöß auch zu, dass ebendiese Geheimniskrämerei, die Ursache ist für viele wilde Spekulationen, eben auch vonseiten der Freimaurer gewollt ist. „Das ist doch ein schönes Alleinstellungsmerkmal“, findet er. (Lena Jochum)
Ihr 200-jähriges Bestehen feierte die Freimaurer Loge in Offenbach in der Domstraße.