Vereinsarbeit nach einem Jahr Krieg kaum noch möglich

Offenbacher Freundschaftsclub unterstützt Orjoler Waisenhaus weiter

Das Orjoler Waisenhaus konnte 2021 die vom Freundschaftsklub gestifteten Spielgeräte noch offiziell in Empfang nehmen.
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Das Orjoler Waisenhaus konnte 2021 die vom Freundschaftsklub gestifteten Spielgeräte noch offiziell in Empfang nehmen.

Am 24. Februar 2022 fielen russische Truppen in der Ukraine ein, seitdem herrscht Krieg zwischen beiden Staaten. Das hat Auswirkungen auf die Arbeit des Freundschaftsklubs Offenbach-Orjol: Gegründet, um die deutsch-russischen Beziehungen zu verbessern, ist nach einem Jahr Krieg kaum noch Handeln möglich.

Offenbach - Direkt nach dem Überfall waren sich Stadt wie Verein einig, an der Partnerschaft festzuhalten. Doch Kontakte gibt es kaum noch: Ein Brief von Oberbürgermeister Felix Schwenke an seinen Kollegen in Orjol blieb unbeantwortet, die Kontakte werden immer weniger. „Wir nutzen jede Gelegenheit, etwa wenn wir Geburtstagsgrüße senden, um die Menschen in Orjol zu erreichen – doch viele antworten gar nicht mehr, wohl aus Furcht vor Repressalien“, sagt Werner Frei, Vorsitzender des Freundschaftsvereins.

Die Austausch-Aktivitäten seien in dieser Situation vollkommen eingestellt. Was die wenigen, die noch Kontakt zu Mitgliedern des Vereins halten, zu berichten wissen, sei wenig hoffnungsvoll. „Der politische Druck ist groß in Russland“, sagt Frei, „man muss bedenken, dass die Leute 24 Stunden am Tag der Propaganda ausgesetzt sind. Jede Opposition wird bekämpft.“

Nur zwei Dozentinnen hielten unverändert Kontakt und äußerten sich offen kritisch über Putin. „Sie rufen ihre Studenten dazu auf, sich über internationale Medien zu informieren und nicht der Propaganda zu glauben“, sagt Frei, „sie nennen den Krieg beim Namen.“ Eine mutige Haltung, aber eine gefährliche. „Wir hoffen, dass ihnen nichts passiert.“ Dass sich einige aus Furcht gar nicht mehr äußern wollen, kann Frei nachvollziehen. „Einer unserer Freunde aus dem Verein ist Maler, er porträtiert reiche Russen – würde er sich gegen das System stellen, würde er alle Aufträge verlieren.“

Offizielle Kontakte gibt es seit Kriegsbeginn keine mehr. Während einige Städte ihre Partnerschaft ruhen lassen, will Offenbach daran festhalten. „Speyer hat betont, an der Partnerschaft mit Kursk festzuhalten, wir in Offenbach sehen das ähnlich: Wir wollen zeigen, dass wir uns den Menschen verbunden fühlen“, sagt er. Auch bei der Mitgliederversammlung im Oktober gab es ein unmissverständliches Votum, die Partnerschaft aufrechtzuerhalten.

An der Unterstützung des Waisenhauses in Orjol, in dem auch Kinder mit Behinderungen untergebracht sind, hält der Freundschaftsklub ebenfalls fest. „Das Waisenhaus ist auf Spenden angewiesen, es wird von staatlicher Seite kaum unterstützt“, sagt Frei. 2021 konnte der Verein noch offiziell Spielgeräte an das Waisenhaus liefern, jetzt ist die Unterstützung schwieriger geworden. „Wir haben im vergangenen Jahr 4 000 Euro für dringend benötigte Therapiegeräte gesammelt. Auch wenn es kompliziert geworden ist, die Kinder werden die Geräte erhalten“, erklärt Frei.

Weil Überweisungen über Banken wegen der Sanktionen nicht möglich sind, werde das Geld über vertrauenswürdige Bekannte nach Russland gebracht. Ein befreundetes Ehepaar kümmere sich um den Kauf der Geräte. „Wir lassen die Kinder nicht im Stich“, betont der Vereinsvorsitzende.

In Offenbach und Frankfurt betreut der Verein 26 aus der Ukraine geflüchtete Frauen und Kinder. „Wir helfen ihnen im Alltag, bei Behördengängen oder haben gemeinsame Ausflüge unternommen“, erzählt Frei.

Wann man zu „normaler“ Vereinsarbeit zurückkehren könne, sei ungewiss. „Selbst wenn der Krieg vorüber ist, wird es viele Jahre dauern, bis wieder Vertrauen herrschen wird“, befürchtet Frei.

Von Frank Sommer

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