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„Erzieher am Anschlag“: 171 Erzieherinnen melden sich im März krank

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Von: Christian Reinartz

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Flexibilität ist bei Offenbacher Eltern gefragt. Denn wenn die Kita, wie hier die Einrichtung der Schlossgemeinde, plötzlich früher schließt, weil zu viele Erzieherinnen krank sind, muss eine schnelle Lösung gefunden werden.
Flexibilität ist bei Offenbacher Eltern gefragt. Denn wenn die Kita, wie hier die Einrichtung der Schlossgemeinde, plötzlich früher schließt, weil zu viele Erzieherinnen krank sind, muss eine schnelle Lösung gefunden werden. © Reinartz

Städtische Kitas stehen unter Druck. Fast ein Drittel des Personals ist im März in Offenbach ausgefallen.

Offenbach – Die Omikronwelle frisst sich durch die Stadt. Besonders große Löcher reißt sie in die Personaldecke der Kindertagesstätten. Dass es viele Krankheitsfälle gibt, war ja angesichts der hohen Corona-Inzidenzen zu erwarten. Dass die Krankmeldungen in diesem Bereich seit Wochen derart durch die Decke gehen, hätte aber wohl niemand vermutet.

Dass etwas nicht stimmen konnte, war spätestens klar, als sich zeitgleich Eltern aus drei Kindertagesstätten in der Redaktion meldeten. Sie berichteten übereinstimmend von abgesagten Elternabenden, weil einfach kein Personal mehr da sei, um diese zu organisieren. Und es gab Schilderungen von Kitas in Offenbach, die früher schließen, weil zu wenig gesunde Erzieher übrig geblieben seien. „Wir haben von der Kitaleitung eine Mail bekommen, dass die geplanten Elternabende abgesagt werden, weil das Personal durch Erziehermangel schon so viele Überstunden angehäuft habe, dass keine Kapazitäten mehr da seien“, schildert eine Mutter die Lage.

Kitas in Offenbach machen früher zu: Viele Erzieherinnen krank

Eine andere berichtet, dass die Kita ihres Sohnes seit Wochen schon um 14 Uhr geschlossen werde, weil zu viele Erzieherinnen erkrankt seien. Und Vater C. toppt das ganze noch mal: „Unser Sohn ist seit über einem Jahr in der Kita bis 16.30 Uhr angemeldet, konnte wegen Personalmangels aber noch nicht ein einziges einmal so lange dort bleiben.“ Alle drei sind überzeugt, dass nicht allein Corona an der dramatischen Lage in den Kitas in Offenbach schuld ist. „Die Personalsituation war auch schon davor sehr angespannt und die Erzieher am Anschlag“, fasst C. zusammen. „Dass das Kartenhaus bei einer solchen Mehrbelastung dann zusammenfällt, war vorher abzusehen.“

Eine Anfrage bei der Stadt fördert dann das Ausmaß der Situation zutage. Laut Roberto Priore, dem Leiter des Eigenbetriebs Kindertagesstätten Offenbach (EKO), waren allein im März 171 Personen von insgesamt 568 Mitarbeiterinnen im Erziehungsbereich krank gemeldet. Darunter 126 Erzieherinnen, 19 Leitungskräfte, 17 Mitarbeiterinnen, die zwar keine Fachkräfte sind, aber „in der Tätigkeit“ als Erzieherin arbeiten und neun Auszubildende. Insgesamt ist das knapp ein Drittel der Beschäftigten.

Druck im Kita-Alltag in Offenbach ist groß: 24 Krankmeldungen an einem Tag

Welcher Druck auf den insgesamt 29 städtischen Kitas im Alltag lastet, wird am deutlichsten, wenn man exemplarisch einen einzelnen Tag betrachtet. Am 7. März etwa habe es 24 Krankmeldungen gegeben. 17 davon hätten Erzieherinnen, eine eine Leiterin, vier die Auszubildenden und zwei die weiteren Mitarbeiterinnen betroffen, so Priore.

Dramatisch scheint auch die Personalsituation vieler andere Kindertagesstätten in freier Trägerschaft, etwa den elf evangelischen Einrichtungen der Diakonie. Sprecherin Susanne Schmidt-Lüer räumt ein, dass aktuell ein überwiegend durch Covid-Erkrankungen bedingter hoher Krankenstand beim Kitapersonal herrsche. „Dadurch kommt es in fast allen Einrichtungen temporär zu verkürzten Öffnungszeiten und in seltenen Fällen zu zeitweisen Gruppenschließungen“, sagt sie. Genaue Zahlen liefert die Diakonie indes nicht.

Offenbach: Corona-Pandemie verschärft Personalknappheit in Kitas

Dass die Pandemielage eine ohnehin schon vorhandene Personalknappheit nur verschärft, scheint man bei der Stadt verstanden zu haben und setzt auf Hilfe von außen. Priore: „Der grundsätzlichen Herausforderung des Fachkräftemangels versucht der EKO durch umfangreiche Ausbildungsaktivitäten entgegenzuwirken.“ Dazu würden Werbemaßnahmen sowie Personalakquise genutzt werden und es kämen auch Fachkräfte von Zeitarbeitsfirmen zum Einsatz. „Für die konkrete, aktuelle angespannte Personalsituation, investiert der EKO in Angebotsstrukturen, die er mit Unterstützung von qualifizierten Kooperationspartnern durchführt“, berichtet Priore weiter. Dies betreffe etwa musisch-kulturelle Angebote wie Theater oder Musikschule. In Kitas mit einer besonders angespannten Personalsituation würden zudem gezielte Vorbereitungsangebote auf den Übergang in die Schule für Kinder im letzten Kita-Besuchsjahr in Kooperation mit einem förderpädagogischen Institut genutzt.

Während der Scheitelpunkt der Welle erreicht scheint, gilt es unter den Virologen schon jetzt als gesichert, dass die Zahlen im Herbst wieder nach oben schnellen. Auf die Frage, ob es Ansätze gebe, wie man vorbeugen kann, um eine ähnliche Situation nach dem Sommer zu vermeiden, gab es von der zuständigen Dezernentin, Bürgermeisterin Sabine Groß, bis Redaktionsschluss keine Antwort. (Christian Reinartz)

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