Offenbacher Kreishandwerkerschaft und IHK fordern rasche Hilfe in der Energiekrise

Zehn Prozent: Auf diesen Wert schätzt das Statistische Bundesamt die Inflationsrate im September, Tendenz weiter steigend. Dazu kommen die mit der Energiekrise einhergehenden Probleme steigender Strom- und Gaspreise und die fragliche Versorgungssicherheit. Gerade für Unternehmen wie Handwerk eine gefährliche Mischung: „Die Mehrkosten können nicht ohne Weiteres weitergegeben werden, die Kunden sind ja ebenfalls von den gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen“, sagt Dennis Kern, Kreishandwerksmeister für Stadt und Kreis Offenbach.
Offenbach - Zwar hat die Bundesregierung nun ein weiteres Entlastungspaket in Aussicht gestellt, doch gibt es noch viele offene Fragen zur Ausgestaltung. „Die Hilfe muss sehr schnell kommen – bis zum nächsten Februar oder März haben wir keine Zeit“, sagt Markus Weinbrenner, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Offenbach.
Handwerk wie IHK sind sich einig: Die Energiekrise ist existenzbedrohend für Betriebe und Unternehmen, Arbeitsplätze sind somit gefährdet. Rund 180 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gibt es im Bereich der IHK Stadt und Kreis Offenbach, im Einzugsbereich der Kreishandwerkerschaft 6 500 Betriebe mit über 30 000 Arbeitsplätzen.
„Die Betriebe stehen gerade mit dem Rücken zur Wand“, sagen Kern wie Weinbrenner übereinstimmend. Noch seien die Folgen der Corona-Krise nicht überwunden, da gebe es durch Inflation und Energiekrise weitere Brandherde. Gerade energieintensive Betriebe wie Bäcker oder Schreiner seien durch die steigenden Energiekosten schwer getroffen. Dies zu kompensieren sei kaum möglich, sagt Uwe Czupalla, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, der Brotpreis könne nicht einfach verfünffacht werden. „Das macht kein Kunde mit.“
Dazu kämen weitere Probleme, betont Weinbrenner: Der Preis vieler Vorprodukte habe sich drastisch erhöht, Bäckereien hätten somit nicht nur mit den um gut 62 Prozent gestiegenen Energiepreisen, sondern auch mit den höheren Kosten für Mehl oder Malz zu kämpfen, Brauereien mit der Kohlensäure-Knappheit und stark gestiegenen Kosten für Flaschen. Die Folge: In Seligenstadt etwa musste die dortige Brauerei schon eine zehntägige Braupause einlegen, wie Weinbrenner berichtet.
Sparen allein helfe nicht, sind sich Handwerk wie IHK einig: Weder kann ein Kaufhaus einfach sämtliche Lichter und Heizungen ausschalten, noch der Handwerker bei Reparaturen vor Ort auf strombetriebenes Werkzeug verzichten. Die IHK rechnet zudem damit, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Betriebe in Stadt und Kreis Anfang des kommenden Jahres neue Stromverträge abschließen müssen, da die alten gekündigt wurden oder der Anbieter aufgeben musste. „Die neuen können dann aber bis zu 700 Prozent teurer ausfallen“, sagt Weinbrenner. Czupalla vermutet, dass für Handwerksbetriebe die Zahl vergleichbar sein dürfte.
Entlastungen und staatliche Hilfen seien daher dringend notwendig. „Die muss aber unbürokratisch erfolgen“, betont Kern, eine Situation wie in der Corona-Krise mit extremer Bürokratie dürfe sich nicht wiederholen. „Das können wir den Betrieben nicht noch einmal aufbürden“, sagt er. Während die Kreishandwerkerschaft auch für Steuererleichterungen – etwa bei Kurzarbeitergeld, Sozialversicherungsabgaben oder Überstunden – plädiert, erklärt Weinbrenner, dass die Steuersenkung während der Corona-Pandemie mehr Aufwand bedeutet habe, als dass Betriebe entlastet wurden. Der IHK-Geschäftsführer betont, dass dringend mehr Strom produziert werden muss, um so den Preis zu drücken und für Entlastung zu sorgen. Gleichzeitig warnt er davor, die Unternehmen mit neuen Steuern zu belasten: dieses Geld fehle dann für dringend nötige Investitionen.
Beide Interessensvertretungen warnen davor, dass ganze Betriebe wegbrechen könnten und Arbeitsplätze in der Region verloren gingen. „Was weg ist, lässt sich erst einmal nicht rasch ersetzen“, sagt Kern. Weinbrenner warnt zudem vor einer schleichenden Deindustrialisierung, die weitere Arbeitsplätze vernichten würde.
Aktuell befragt die IHK Unternehmen nach ihren Prognosen, Ende des Monats werden die Ergebnisse vorgestellt. Dann müsse es aber Sicherheit für Handwerk und Handel durch den Bund geben, betonen Kern wie Weinbrenner, eine praxisnahe Ausgestaltung der Hilfe sei unverzichtbar: Der „Doppelwumms“ muss unkompliziert daher kommen.
Von Frank Sommer