Offenbacher Marienschülerin qualifiziert sich bei Debattier-Wettbewerb fürs Bundesfinale

Sich die Meinung anderer anhören, auch wenn sie nicht unbedingt der eigenen entspricht, sie zulassen, und darauf eingehen – sachlich, fundiert, kritisch, aber immer respektvoll. Das macht eine gute Debatte aus. Und ist alles andere als einfach: Gerade in Zeiten des Internets scheint die Debattenkultur zu schwinden. Da wird sich ins Wort gesprungen, geschimpft, Halbwissen oder Unwahrheiten verbreitet. Somit ist das Format „Jugend debattiert“, das vor 21 Jahren ins Leben gerufen wurde, aktueller denn je.
Offenbach –Am 18. Juni steht in Berlin das Finale des bundesweit ausgetragenen Wettbewerbs an – mit Offenbacher Beteiligung. Die Marienschülerin Juliette Erhardt wurde beim Landesentscheid Zweite ihrer Altersgruppe (Klasse 8 bis 10) und wird mit drei weiteren hessischen Finalisten antreten. Wie es sich anfühlt, vor großem Publikum und besonderer Kulisse zu sprechen, erfuhr sie beim Landesfinale. Dieses fand erstmals im Plenarsaal des Hessischen Landtags statt. „Dort zu stehen war sehr eindrucksvoll, da war ich schon nervös“, blickt sie zurück. „Aber nach der Eröffnungsrede wurde es besser.“ Zumal das Miteinander sehr freundschaftlich, die Atmosphäre angenehm gewesen sei: „Uns war allen klar, dass jeder gewinnen kann. Niemand hat versucht, den anderen auszustechen.“
Zum Debattieren kam die 16-Jährige durch die Schule: „Wir hatten in der siebten Klasse in PoWi eine Einheit dazu, das fand ich sehr spannend. Mir gefällt es, mich mit Themen auseinanderzusetzen. Als es dann in der achten Klasse als AG angeboten wurde, wusste ich sofort: Da mache ich mit.“ Der strukturelle Aufbau einer Debatte, ein Gerüst für die Idee, die Aneignung von Wissen, genaues Anknüpfen, Sprechmittel und Sprachübungen: Was die Schülerinnen in der Theorie lernten, ließ Kursleiterin Jennifer Friedrich sie gleich in der Praxis ausprobieren. Es wurde eifrig debattiert – und alle vier meldeten sich für den Wettbewerb an. Die jeweils zwei besten qualifizierten sich für den Regionalentscheid, bei dem Juliette den fünften Platz belegte. „Ich hatte großes Glück, gelangte als Nachrückerin ins Landesfinale“, berichtet sie. Anderthalb Wochen hatte sie Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Zwei Themen sind vorgegeben, auf die sich die Teilnehmer vorbereiten. Sie recherchieren, schreiben Notizen, Tabellen, formulieren Reden – wobei sie beim Wettbewerb, der aus drei Teilen besteht, frei sprechen müssen. Ob sie die Pro- oder Contra-Position vertreten, erfahren sie erst kurz vorher. „Ich sollte für die Inhalte von populären Serien als Gegenstand des Schulunterrichts argumentieren“, erläutert Juliette. Die Themen der anderen Runden drehten sich etwa um die Freigabe von Alkohol unter 18 Jahren oder um das Verbot von Heizstrahlern. „Es ist natürlich einfacher, wenn man die Position bekommt, die man selbst vertritt“, sagt die Gymnasiastin. Aber das sei eben das Spannende an „Jugend debattiert“, sich tiefgehend mit Themen aus unterschiedlichen Sichtweisen zu befassen, mit konträren Meinungen auseinanderzusetzen und wissenschaftliche Fakten zu berücksichtigen.
Auf Wissenschaft ist sie ohnehin ganz versessen, wie sie selbst von sich sagt: „Sie ist das einzig Wahre, was wir haben, alles andere ist Ansichtssache.“ Über hitzige Diskussionen im Internet, ohne jede Selbstkontrolle und Anstand, kann sie nur den Kopf schütteln. „Niemals sollte man persönlich werden und sein Gegenüber angreifen. Diesen Menschen fehlt ein Grundverständnis für Diskurs.“
Nach dem Abitur will sie Jura studieren. Beruflich soll es in Richtung Rechtsphilosophie gehen, ethisches Denken, Menschenrechte. „Ich bin so ein Weltverbesserer“, sagt die 16-Jährige und lacht.
Doch jetzt konzentriert sie sich auf das bevorstehende Seminar für Landessieger an vier Tagen Mitte Mai auf Burg Rothenfels. „Ich freue mich sehr, dass es in Präsenz stattfindet.“ Sie ist sich sicher, dort viel lernen zu können. „Ich habe Videos gesehen vom Landeswettbewerb und finde, man hört, wie ich denke.“ Das müsse besser werden, sagt sie selbstkritisch. Und dann geht es schließlich zum Finale nach Berlin.
Darauf freut sie sich schon. Aber auch, dass es danach wieder etwas ruhiger wird. „Ich bin die letzten Monate immer viel in der AG gewesen, während die anderen nach Hause gingen“, sagt sie. Dann wird sie wieder mehr Zeit für ihre Hobbys haben: Turnen und Geige spielen. (Von Veronika Schade)