Düstere Prognose: Schilderwald in Offenbach wächst weiter

Die Straßen in Offenbach sind von Verkehrsschildern gesäumt. Ist eine Reduzierung des Schilderwaldes bald in Sicht?
Offenbach – Bundesweit sind geschätzte 20 Millionen Verkehrszeichen aufgestellt. Obwohl Parteien, Verbände und Bürger immer wieder auf eine Reduzierung des „Schilderwaldes“ pochen, hat sich jedoch faktisch noch nicht viel geändert. Denn das ist leichter gesagt als getan. „Zwischen Theorie und Praxis klafft eine gewaltige Lücke“, urteilt Jan Schmidbauer, Chef der Offenbacher Straßenverkehrsbehörde.
Halte und Wartegebote, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote, Halte- und Parkverbote... In Deutschland gibt es rund 500 verschiedene Verkehrszeichen, die nahezu jede Situation im Straßenverkehr regeln. „Es sind deutlich zu viele.“ Also: Rein subjektiv. Der Autor dieser Zeilen wollte es mal genau wissen. Das „Versuchslabor“ ist die Senefelderstaße, schön nahe am Arbeitsplatz gelegen, etwa 1800 Meter lang. Wie viele Verkehrszeichen gibt es auf dieser Strecke?
Offenbach: Verkehrsschilder werden immer mehr
„Hmmm, 85?“, fragt die Kollegin, die hauptsächlich zu Fuß unterwegs ist. Dank Verkehrsmix (Fahrrad, Auto, Bus) überlegt der junge Offenbacher etwas länger. „120.“ Schon besser. Auf 203 bin ich gekommen – ohne Gewähr, ohne Ampeln, ohne Straßenmarkierungen, ohne Bushaltestellen, ohne Wahlwerbung. Jan Schmidbauer hat sich an der Schätzung natürlich nicht versucht. „Wir würden am liebsten viele Schilder reduzieren; aber es geht nicht ohne.“ Dabei stellt er sogar eine Prognose, die nicht als gewagt bezeichnet werden darf: „Es werden sicher nicht weniger Schilder. Im Gegenteil...“

Der Leiter der Straßenverkehrsbehörde macht das an zwei Beispielen anschaulich, die von der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vorgegeben werden. Beispiel eins: Die Öffnung der Einbahnstraßen für den gegengerichteten Fahrradverkehr, die auch im Bieberer Ortskern schrittweise erfolgen soll. Diese wurde mit einer Änderung 2013 anhand von Einsatzkriterien und Anforderungen vereinfacht. Eine Begleiterscheinung ist indes eine unzählige Zahl von Schildern und Markierungen.
Warum der Schilderwald in Offenbach mehr und mehr zunimmt
Beispiel zwei: Die Ausweisung der Offenbacher Fahrradstraßen, die überwiegend in Tempo-30-Zonen erfolgt ist – etwa in Senefelder-, Ludwig- oder Geleitsstraße. Dort, wo lange Jahre rechts vor links für alle Verkehrsteilnehmer galt, genießt der Radfahrer Vorfahrt. Nun sind an jeder Kreuzung Vorfahrt- und Vorfahrt-achten-Bleche und Hinweise auf die Fahrradstraße an sich erforderlich.
Mit Blick auf das obige Bild an der sogenannten Bus- oder Fahrradschleuse in Höhe der Blindenwohnanlage sagt er: „Wir hatten sogar überlegt, auf der Mittelinsel weitere Verkehrszeichen zu montieren, da anfangs einige Autofahrer angemerkt haben, sie hätten die neue Beschilderung nicht gesehen.“ Bedeutet auch: Es wird stets geprüft, ob die Schilder notwendig sind. „Sind sie. Aus rein fachlicher Sicht“, die nicht immer mit dem Blick des Verkehrsteilnehmers deckungsgleich ist.
Falschparker und Parkplatzmangel in Offenbach immer wieder Thema
Immer wieder seien – die Erfahrungen aus Bürgersprechstunden belegen das – das Parken, der Parkplatzmangel oder vermeintliche Falschparker in Offenbach Thema. Vermehrt geht es um Kleintransporter, die in den Wohnquartieren stehen. Drei bis vier solcher Fahrzeuge, die Firmen gern ihren Mitarbeitern als Fortbewegungsmittel außerhalb ihrer Arbeitszeiten überlassen, müsse ein Quartier verkraften. „Bei acht bis zehn gemeldeten schauen wir uns das schon mal näher an in reinen Wohnstraßen.“ Bestätigt sich die zunächst persönliche Betroffenheit der Anwohner, werden neue Schilder fällig, um in der Folge auch sanktionieren zu können.

Zudem werden der technische Fortschritt und angepasste Fortbewegungsformen den innerstädtischen Schilderwald wohl wachsen lassen. Stichworte: Elektro-Mobilität und Carsharing-Angebote, die zumindest im ruhenden Verkehr absoluten Vorrang erhalten werden – mit entsprechenden Hinweisen am Fahrbahnrand. Und das geht ins Geld. Hatte die Stadt früher eine kleine Abteilung, die Schilder selbst laminiert hat, wird heute bei externen Anbietern geordert.
Eine Jahressumme kann Jan Schmidbauer nicht nennen, aber der Blick ins Internet lässt ahnen, dass sich das summiert. So kostet ein Verkehrsschild „Haltverbot“ – das StVO-Verkehrszeichen-Nr. 283-50 – inklusive Mehrwertsteuer um die 110 Euro. Mit der gleichen Summe schlägt das Verkehrszeichen „Beginn einer Fahrradstraße“ (Nr. 244.1) mit Folie der Reflexionsklasse RA 2 zu Buche. Und dabei fehlt noch die Montage respektive das Einbetonieren eines Stahlpfostens... (Martin Kuhn)