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Offenbacher Taxi-Boss Addy Wehner tritt künftig kürzer

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Von: Martin Kuhn

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Ohne seinen Segen läuft bei den Offenbacher Taxifahrern wenig: Addy Wehner. Der Unruheständler will aber künftig deutlich kürzer treten, als Funkchef geht er weiterhin zu früher Stunde ans Telefon...
Ohne seinen Segen läuft bei den Offenbacher Taxifahrern wenig: Addy Wehner. Der Unruheständler will aber künftig deutlich kürzer treten, als Funkchef geht er weiterhin zu früher Stunde ans Telefon... © Georg-Foto

Eine cremefarbene „Fledermaus“ mit dem Kennzeichen OF - AW ... Ganz klar: ein Taxi der Familie Addy Wehner. Diese über Jahrzehnte unverwechselbare Wiedererkennung wird im Straßenbild zur Rarität. Nach 55 Jahren als Offenbacher Taxi-Boss tritt Addy Wehner künftig deutlich kürzer.

Offenbach – Addy Wehner ist eine Marke. Ohne ihn läuft über Jahrzehnte eigentlich nichts, was mit den neuzeitlichen Offenbacher Droschken zu tun hat. Er ist einer, der in Stadtbild und -gesellschaft präsent ist – auf der Kickers, auf dem Wochenmarkt, im Rathaus... Er ist Fahrer, Unternehmer, Sprachrohr. Und stets auf seine trockene Art grundehrlich, einer der von sich sagt: „Ich bin zum Chefsein geboren.“ Er sagt das mit einer Bestimmtheit, die ein Widerwort kaum zulässt. Gleichzeitig darf man sagen: Wer Addy Wehner zum Freund hat, kann sich jederzeit auf ihn verlassen und berufen.

1943 geboren, ist der junge Wehner einer, der schon früh das Herz auf der Zunge trägt – was bei seinen Lehrern nicht immer gut ankommt. Als junger Mann erlernt er den Beruf des Maschinenschlossers bei Mabeg, dann zieht es ihn nach Hamburg und von dort direkt auf hohe See. Als Maschinist ist er in der Welt unterwegs, heimisch fühlt er sich allerdings nur in Offenbach. Am 17. Januar 1967 legt er hier seine Taxi-Prüfung ab, als seinen Lehrmeister bezeichnet er Friedel Born: „Der hat mir alles beigebracht.“

Sein erstes Taxi?  Addy Wehner weiß es noch genau: Ein 180er Mercedes-Benz. Taxinummer: 26; oder „zwei - sechs“, wie es seinerzeit in der Funksprache hieß. Von der ersten Sekunde an hat Addy Wehner seinen Beruf geliebt und gelebt. Die erste Fahrt ging vom Offenbacher Hauptbahnhof nach Bieber in die Innsbrucker Straße. „Dort wohnte ein Freund von mir, daher wusste ich auch sofort, wo die Straße ist“, schmunzelt er.

Was heute kaum einer weiß, der sich in ein Taxi mit Funk, Handy, Navi und Taxameter setzt: Seinerzeit erfolgte die Vermittlung per Telefon. „Unsere Telefonkästen standen an den Halteplätzen Hauptbahnhof, Kaiserstraße, Stadtkrankenhaus, Landesgrenze, Ostendplatz, Hebestraße und Tempelsee“, listet der 78-Jährige auf. Wenn das Telefon klingelte, holte der Fahrer einen Schlüssel raus und nahm seinen Auftrag entgegen.

Die Umstellung auf Funk erfolgte 1972 für die 38 Taxen in Offenbach. Aktuell sind es mehr als 90. Nicht nur diese Entwicklung hat er begleitet und teils vorangetrieben. Die lokale Droschken-Geschichte beinhaltet Firmen wie „City Car“, „Pro Car“ und die „Taxizentrale“. Später gründen fünf Unternehmer – Wehner legt Wert auf die Tatsache, dass er nicht zu dieser Handvoll gehört hat – in der Fledermaus-Bar des Hotels Waitz einen eigenen Taxi-Ruf – die Fledermäuse. Und als dessen Sprachrohr gilt der umtriebige Offenbacher.

Auf den Mund gefallen ist Addy Wehner noch nie. Er spürt aber hinterm Steuer schnell, ob ein Fahrgast sich unterhalten, Frust von der Seele reden oder schweigen möchte. An Prominenten mangelt es in der Kundenliste nicht. Und als eingefleischter Kickers-Fan lässt er es sich nicht nehmen, Uli Hoeneß nach einem Erfolgsrezept des FC Bayern München zu fragen. Antwort des damaligen Fußball-Bosses: „Taxifahrer, Sie müssen die Leute bezahlen, dann können Sie auch Leistung erwarten.“ Das hat er sich gemerkt.

Ansonsten rasselt er Erlebnisse und Sprüche im Stakkato herunter: „Taxifahrer, die sagen, sie hätten keine Angst, lügen.“ Er rät zu Vorsicht und Weitblick. So erinnert sich der Offenbacher an nächtliche Fahrten von US-amerikanischen Soldaten nach Langendiebach, wo er lieber unter einer Laterne gehalten hat, um die Fahrgäste aussteigen zu lassen – etliche Meter vor dem Kasernentor. Der ehemalige Oberbürgermeister Gerhard Grandke durfte für ihn fahren. Und für die Fernsehshow „Verstehen Sie Spaß“ fädelte er eine Aktion ein mit dem Titel „Koffer ohne Ende“. Als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull 2010 ausgebrochen ist, organisierte er im Handumdrehen Taxi-Fahrten nach Paris, Stockholm oder Nizza.

Und damit ist jetzt größtenteils Schluss. Zum Ende des Jahres 2021 hat die Familie Wehner ihre Konzessionen und Fahrzeuge veräußert. Eines ist geblieben. Als erfahrener Taxi-Unternehmer schaut er für seine Branche optimistisch in die Zukunft – trotz Coronavirus und Uber-Konkurrenz. Nach kurzer Pause schiebt er ein „Aber“ hinterher. „Es bedarf einiger Veränderungen.“ Er favorisiert das Modell des klassischen Alleinfahrers: ein Taxi, ein Besitzer. „Nur wer viele Stunden fährt, verdient sein Geld. Mit angestellten Fahrern funktioniert das nicht.“ (Von Martin Kuhn)

Wer sich die Verstehen-Sie-Spaß-Folge mit den Offenbacher Taxifahrern noch einmal ansehen möchte, wird auf dem Videoportal des Unternehmens YouTube fündig.

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