Kaum Neupflanzungen möglich: Vernichtende Kritik am Wald-Moratorium der Stadt Offenbach
Im Offenbacher Wald sollen nach dem Wunsch der Stadtregierung keine gesunden Bäume mehr gefällt werden dürfen. Für den Klimaschutz kontraproduktiv, meinen Fachleute.
Offenbach - Überlagert von Fragen um Einnahmen und Ausgaben ist mit dem Haushalt 2023 mit der Stimmenmehrheit der Ampel-Koalition auch ein Moratorium in Sachen Waldbewirtschaftung beschlossen worden. Das bedeutet: Bis auf Weiteres wird der Offenbacher Wald aus der wirtschaftlichen Nutzung herausgenommen und es dürfen keine gesunden Bäume mehr gefällt werden.
Doch so simpel ist es nicht, wenn man den Wald schützen und für die nächsten Jahrzehnte zukunftssicher machen möchte, wie die Fachleute vom zuständigen Forstamt Langen sagen. Denn um viele Bäume, besonders die Fichten, steht es schlecht. Natürliche oder vom Mensch gesteuerte Neupflanzungen widerstandsfähiger Arten sind dringend notwendig.
Stadt beschließt Moratorium für Baumfällungen im Offenbacher Wald
Im Beschluss heißt es zwar, dass „zum Zwecke der Verkehrssicherung sowie zum notwendigen Erhalt des Bestandes“ noch gefällt werden darf. Aber das scheint ein weites Feld. Im Januar soll es eine weitere Begehung mit Stadtverordneten geben, um ungeklärte Fragen zu beantworten. Denn der „notwendige Erhalt“ ist eine schwierige Thematik, zu der oft das Fällen gesunder Bäume gehört – damit neue Pflanzen die Chance haben, zu wachsen.

Mit 1250 Hektar ist die Stadt eine der größten Waldbesitzerinnen im Kreis. 55 Prozent des Bestands sind Kiefern, 21 Prozent Buchen, 14 Prozent Eichen. „Die Kiefer ist überrepräsentiert, die klimastabile Eiche müsste eigentlich mehr gefördert werden“, sagt Forstamtsleiter Melvin Mika. Ein Moratorium, wie von Offenbach beschlossen, gebe es in keiner anderen Kreiskommune.
Eingreifen nötig: Forstamt kritisiert Moratorium im Offenbacher Wald
Im Wald zwischen Waldhof und Obertshausen zeigt Revierförster Viktor Soltysiak mehrere Gebiete, bei denen man zum Schutz der jungen Bäume eingreifen müsste. Etwa, weil die Bäume zu dicht stehen und sich gegenseitig Licht und Platz wegnehmen. „Das H-D-Verhältnis kommt aus dem Gleichgewicht“, sagt er. Damit ist das Verhältnis von Höhe und Durchmesser gemeint: Stehen Bäume zu dicht, bleibt der Stamm schlank, die Wurzeln bleiben wie die Krone eher klein. „Die sind dann sehr anfällig für Windwurf“, sagt Soltysiak: Ein kleiner Sturm genüge, dass reihenweise Bäume entwurzelt würden oder einknickten.
Um das zu verhindern, sorgen die Förster durch gezielte Fällungen dafür, dass die Bäume nicht zu dicht wachsen. Doch das ist nach dem Moratorium verboten – da es sich per Definition um gesunde Bäume handelt. Auch die Erde vorzubereiten, ist kaum noch möglich. Dabei muss diese vor einer Bepflanzung umgeschichtet werden, damit Kiefern gerade Wurzeln entwickeln.
Wald-Moratorium in Offenbach lässt Fragen zu invasiven Arten offen
Ebenfalls problematisch sehen die Förster den Umgang mit invasiven Arten. „Die spätblühende Traubenkirsche aus Nordamerika breitet sich aus und nimmt anderen, erwünschten Pflanzen Licht und Platz weg“, sagt Mika. Doch ob sie nach den Vorgaben des Moratoriums entfernt werden darf, muss geklärt werden. Denn eigentlich handelt es sich um eine gesunde Pflanze.
Auch Platz für Neuanpflanzungen ist schwieriger zu schaffen. Nur dort, wo in großem Stil abgestorbene Bäume gefällt werden, darf nachgepflanzt werden. Dabei sei es sinnvoll, Platz zu schaffen, bevor Bäume absterben, sagt Soltysiak. „Um die Bestände zu stabilisieren, ist Pflege erforderlich. Etwa neue Bäume anpflanzen und einige alte, die den neuen das Licht nehmen, ernten, bevor sie absterben oder krank werden.“
Kritik am Wald-Moratorium in Offenbach: Abgestorbene Bäume nicht wirtschaftlich
Wirtschaftlich sei es sinnvoll, einen Baum, der 120 Jahre gepflegt wurde und entsprechend viel gekostet hat, zu fällen, wenn noch 120 Euro pro Meter zu erzielen sind statt 30 Euro für einen abgestorbenen Baum.
Geld stehe, das betonen die Förster, ohnehin nicht im Vordergrund. Ein Blick auf den Wirtschaftsplan verdeutlicht das: 350 .000 Euro muss die Stadt auch 2023 für die Waldbewirtschaftung wieder zuschießen, da dieser Zweig defizitär ist.
Unklarheiten über Verkehrssicherung nach Wald-Moratorium in Offenbach
Ein weiteres Problemfeld beim Moratorium bleibt die Formulierung der „Verkehrswegesicherung“: Die gilt nämlich forstrechtlich nur an öffentlichen Straßen und entlang von Bebauung. Im Wald auf Wegen, die Bürger zum Spazieren nutzen, besteht keine Verkehrssicherungspflicht. „Bisher haben wir, wenn in einem Teil Bäume gefällt wurden, die umliegenden Wege nach Totholz kontrolliert“, berichtet Mika. Doch nach dem Moratorium wird das nicht mehr möglich sein. Die Wege gezielt abzufahren, sei jedoch zu aufwendig und unrentabel. „In einem Jahr ist das noch kein Problem, aber nach mehreren kann es eins werden“, fürchtet Mika.
Das Moratorium gilt laut Beschluss zunächst, bis ein Bericht über die Zahl der Öko-Punkte vorliegt, die eine Herausnahme des Waldes aus der Bewirtschaftung für Offenbach bedeuten würde. (Frank Sommer)