Offenbacher Werkstätten Hainbachtal: Beitrag fürs Miteinander

Die Werkstätten Hainbachtal bieten Arbeit für Menschen mit Beeinträchtigung - doch nun fallen Aufträge weg. Die Arbeitsplätze werden jedoch aus dem Gewinn der Aufträge finanziert.
Offenbach – Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen werden stigmatisiert, müssen mit Vorurteilen oder Benachteiligungen kämpfen. Heute, am 21. März, dem Welt-Downsyndrom-Tag, wird an alle erinnert, die mit 47 statt 46 Chromosomen geboren wurden. In Deutschland gibt es etwa 50 000 Betroffene.
Auf dem Arbeitsmarkt habe sie es oft schwer – in Offenbach bieten die Werkstätten Hainbachtal ihnen Perspektiven. Knapp zehn Prozent der 400 Beschäftigten in der Produktion haben das Downsyndrom. „Wir haben Mitarbeiter mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen“, sagt Kristina Ulrich, die zuständige Leiterin, „alle arbeiten zusammen. Wir finden für alle das richtige Tempo, damit das klappt.“
In der Konfektionierungsgruppe 3, die gerade für den Ventilhersteller Samson Päckchen mit Anbauteilen zusammenstellt, ist das gut zu sehen: 22 Mitarbeiter sitzen an drei Tischen, jeder hat eine bestimmte Aufgabe. Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen arbeiten gemeinsam. „Wichtig ist uns, dass die Qualität stimmt, die Quantität kommt erst danach“, sagt Gruppenleiter Stefan Ritzel.
Was nicht heißt, dass langsam gearbeitet würde, im Gegenteil: Conny sortiert flott Unterlegscheiben auf einem Brett. Eine Geduldsfrage sei es, die winzigen Scheiben, die gern an den Fingerkuppen kleben bleiben, in richtiger Zahl und Größe zu sortieren. „Das macht mir Spaß“, sagt sie. Andere legen weitere Teile darauf, ein Brett entspricht dem Inhalt eines Tütchens. Das wird abgefüllt, Mitarbeiter Thorsten prüft, ob der Inhalt stimmt, ehe es in einen Karton gelegt wird. 68 Gramm muss ein Tütchen mit Inhalt wiegen. „Jeder hat eine Aufgabe, und jeder kontrolliert die vorigen Arbeitsschritte“, sagt Gruppenleiterin Simone Müller.
Hat sich alles eingespielt, wird beraten, wo Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. So wird der Ablauf optimiert. Für die Auftraggeber, große Firmen wie Samson, zählen Qualität und Zeit; einen Bonus, da Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten, gibt es nicht. Durch ausgeklügelte Abläufe schaffen es die Werkstätten, die Qualitätsansprüche ihrer Kunden zu erfüllen.
Die Arbeiten sind unterschiedlich: Mal erfolgt Kleinmontage, etwa von Flugzeugsteckern, oder die Schreinerei stellt Seifenablagen für Barber-Shops her. Auch Werbeaufsteller, die in Drogerien zu sehen sind, werden unter anderem in den Werkstätten aufgestellt und bestückt.
„Bei Führungen, wenn wir die Produktion vorstellen, sind neue Kunden oft überrascht, was für hochwertige Tätigkeiten wir anbieten und wie gut die erfüllt werden“, sagt die stellvertretende Produktionsleiterin Stephanie Müller. Allzu oft gebe es noch Vorurteile, dass lediglich Besen gebunden würden – dabei wird großen Unternehmen zugearbeitet.
Doch die aktuelle Entwicklung der Wirtschaft bereitet Sorge: Gerade erst ist ein großes deutsches Unternehmen der Luftfahrtbranche als Auftraggeber weggebrochen, mit Clouth hat ein langjähriger Kunde Insolvenz angemeldet. Dazu sei spürbar, dass sich China von der Corona-Pandemie erholt habe, sagt Müller: „Die Unternehmen lagern wieder mehr Arbeiten nach China aus, das sind Aufträge, die uns wegbrechen.“
Die Werkstätten reagieren auf die Lage, indem sie ihr Angebot bewerben: Eine neue Broschüre ihrer industriellen Dienstleistungen wurde gerade erst herausgegeben, auf sozialen Medien wird um Kunden geworben. Man sei auf dauerhafte Aufträge angewiesen, sagt Ulrich, denn die Mitarbeiter mit Beeinträchtigung würden aus den Erlösen der Produktion bezahlt.
„In Verschiedenheit miteinander“ lautet das Motto der Werkstätten: Die Arbeitsplätze erfüllen auch gesellschaftlich einen wichtigen Beitrag für das Miteinander.
Von Frank Sommer