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Per Mausklick zum Brennholz: Digitale Vermarktung trifft auf hohe Nachfrage und geringes Angebot

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Begehrter Rohstoff: Ob Holzkontor oder Hessen-Forst – die Vermarkter können die Nachfrage nach Brennholz nicht bedienen. Die Zahl der Kaminöfen ist deutlich gestiegen.
Begehrter Rohstoff: Ob Holzkontor oder Hessen-Forst – die Vermarkter können die Nachfrage nach Brennholz nicht bedienen. Die Zahl der Kaminöfen ist deutlich gestiegen. © kühlewind

Ukraine-Krieg und hohe Energiekosten auf der einen Seite, Klimawandel und weniger Ertrag auf der anderen Seite - wer Brennholz aus dem Wald holen will, hat es derzeit schwer. Auch wenn neue Vermarktungswege es eigentlich einfacher machen sollten.

Stadt und Kreis Offenbach – Wer das Holz für einen Kaminofen selbst im Wald holen will, muss seit einiger Zeit neue Wege gehen und den Leseschein online beantragen. Wege, die für sogenannte Selbstwerber mitunter in Sackgassen enden. Denn häufig bleibt auch nach dem x-ten Besuch auf den Internetseiten von Holzkontor oder Hessen-Forst für die Kettensäge nichts zu tun. Der Grund: deutlich mehr Nachfrage als Angebot.

Mathias Geisler bringt es auf den Punkt: „Brennholz ist ein hochgekochtes Thema“, sagt der Geschäftsführer des Holzkontors Darmstadt-Dieburg-Offenbach auf Anfrage der Offenbach-Post. Als Ursache macht der frühere Revierförster eine komplizierte Gemengelage aus: auf der einen Seite der neue Online-Shop und die massiv gestiegene Nachfrage aufgrund des Ukraine-Kriegs; auf der anderen der Klimawandel, der dem Wald zu schaffen macht und von Forstmenschen ein anderes Vorgehen verlangt.

Enorm hohe Nachfrage trifft auf vergleichbar kleines Angebot

Einige Mitarbeiter in den Forstämtern haben inzwischen ihre offenen Sprechstunden eingestellt – mit der Begründung, dass sie sich nicht mehr anschreien lassen möchten. Andere begrüßen Gäste durchs Fenster, ehe sie die Tür öffnen.

Durchaus begünstigt wurde das gelegentlich wutschnaubende Auftreten potenzieller Brennholzkunden durch eine Vielzahl erfolgloser Versuche, über den Internet-Shop an Holz zu kommen. „Wir können verstehen, dass bei Menschen der Eindruck entsteht, dass da nichts passiert. Doch das Holz ist immer sehr, sehr schnell weg“, sagt Geisler.

Der Mittwoch vergangener Woche ist ein Beispiel dafür: Etwa sechs, sieben Dutzend Posten mit jeweils mehreren Festmetern Buche wies der Shop des Holzkontors gegen 9 Uhr aus, keine zwei Stunden später war alles verkauft. „Die Nachfrage ist riesig. Wir stellen etwas online, und kurze Zeit später ist es weg“, sagt Geisler.

Kaum anders geht es laut Michelle Sundermann bei Hessen-Forst zu. „Die Nachfrage ist sehr hoch“, sagt die Sprecherin des Landesbetriebs. Der ist ausschließlich für den Staatswald zuständig. Für kommunale und private Wälder übernimmt das Holzkontor die Vermarktung. Beide beteuern, dass sie tun, was sie können, und setzen zudem auf mehr Gelassenheit aller Beteiligten. „Wir hoffen, dass die Leute merken, dass sie doch nicht so viel mehr Holz brauchen und es bei der Spitze in dieser Saison bleibt“, sagt Geisler.

Holzdiebstahl erschwert zusätzlich die Vermarktung

2020 seien im ganzen Jahr 2 000 Festmeter Brennholz zusammengekommen, 2021 bereits 5 000 Festmeter, was etwa sechs Prozent der insgesamt vermittelten Holzmenge des Kontors entspreche. Im vergangenen Jahr seien es 6 500 Festmeter gewesen, ein Anteil von neun Prozent. Und nur für den Januar dieses Jahres weise die Statistik bereits 3 000 Festmeter aus.

Geisler kennt Gründe für die Entwicklung: „Die Leute, die früher ein, zwei Festmeter für die Wohlfühlwärme gemacht haben, möchten so viel Brennholz haben, dass der Ofen das ganze Jahr laufen kann.“ Zudem hätten sich immer mehr Menschen einen Kaminofen angeschafft und wollten ebenfalls selbst Holz schlagen.

Für Michelle Sundermann von Hessen-Forst lässt sich die gestiegene Nachfrage an einem anderen Parameter festmachen: „Es wird deutlich mehr Holz gestohlen.“ Als Täter sind gewerbliche Banden unterwegs, die Sattelschlepper-Ladungen wegkarren, aber auch manch Ofenbesitzer. Vor wenigen Wochen ertappte eine Polizeistreife zwischen Offenthal und Dietzenbach einen Mann, der Holz von einem der gefällten Bäume klein sägte und auflud.

Bringt bessere Dokumentation mehr Ruhe ins Thema?

Holz, das besser im Wald bleiben sollte, wofür Mathias Geisler einen guten Grund nennt: Die meisten Nährstoffe eines Baums seien in der Krone, der Stamm selbst enthalte nicht einmal 20 Prozent davon. „Wenn du eh Probleme mit absterbenden Wäldern hast und in der Folge immer mehr Boden frei liegt, die Verrottung sich beschleunigt, sind die Revierleiter sehr erpicht darauf, möglichst viel Nährstoffe, aber auch Schatten, also Kronenmaterial, am Boden zu lassen“, sagt der Mann vom Holzkontor und sieht in diesem Prozedere die beste Grundlage für einen nachwachsenden Wald.

Geisler überlegt unterdessen, die häufig leeren Seiten des Holzkontor-Shops besser zu dokumentieren, sie etwa mit Angaben über den bisherigen Verkauf zu versehen. „Dann könnten die Leute sofort sehen, was sich getan hat, wenn sie wieder vor einer leeren Seite sitzen.“

Auch mit Service lässt sich das hochgekochte Thema abkühlen. Von solchem berichtet ein Leser aus Dreieich. Er hatte online eine Fuhre Holz aus der Nähe von Zellhausen erstanden. Keine zwei Stunden später bekam er einen Anruf von Hessen-Forst mit dem Hinweis, dass die Entfernung ja doch ziemlich groß sei. Alternativ bot ihm der Landesbetrieb ein Kontingent in Buchschlag an. Kommentar unseres Lesers: „Das nenn’ ich echten Service!“ (von Klaus Kühlewind)

Bundeskartellamt rügt fehlenden Wettbewerb

Dem Holzkontor Darmstadt-Dieburg-Offenbach gehören 37 Kommunen von Alsbach-Hähnlein über Weiterstadt bis Langen an. Entstanden ist der überkommunale Betrieb zur Holzvermarktung aufgrund eines Erlasses der Aufsichtsbehörden. Das Bundeskartellamt hatte 2017 die monopolartigen Strukturen und den fehlenden Wettbewerb bei der Holzvermarktung gerügt. Folglich musste Hessen-Forst es aufgeben, das Holz aus privaten und kommunalen Wäldern gemeinsam mit dem Bestand aus dem Staatswald zu verkaufen.

In der Folge taten sich die Städte und Gemeinden aus den Regionen Darmstadt, Dieburg und Offenbach zusammen und hoben das Holzkontor aus der Taufe. Es ist zuständig für 26 500 Hektar private und kommunale Waldfläche und vermarktet jährlich etwa 125 000 Festmeter Holz.

Brennholz vermarktet das Kontor über seinen Online-Shop. Einen ähnlichen Weg geht Hessen-Forst für das Brennholz aus dem Staatswald. Auf dem virtuellen Marktplatz stellen die Forstämter verfügbares Holz ein, das online reserviert werden kann.

Neue Wege geht in Kürze die Stadt Dreieich mit dem Brennholz aus ihrem Stadtwald. Von Ende Februar an sollen Besitzer von Kaminöfen Feuerholz über die Holzbörse des Forstservices Taunus kaufen können.

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