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„Raubzug“: Anwohner in Offenbach werden über Nacht zu Parksündern

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Von: Matthias Dahmer

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Selbst wenn zur Hälfte auf dem Gehweg geparkt wird, ist es in der Geschwister-Scholl-Straße eng. Absurd: Folgen die Anwohner zur Vermeidung von Knöllchen den Weisungen des Ordnungsamts und parken am Fahrbahnrand, kommen Müll- und Rettungsfahrzeuge nicht mehr durch.
Selbst wenn zur Hälfte auf dem Gehweg geparkt wird, ist es in der Geschwister-Scholl-Straße eng. Absurd: Folgen die Anwohner zur Vermeidung von Knöllchen den Weisungen des Ordnungsamts und parken am Fahrbahnrand, kommen Müll- und Rettungsfahrzeuge nicht mehr durch. © Dahmer

„Mich würde auch mal interessieren, was ein Verkehrsrichter sagt“: Anwohner der Geschwister-Scholl-Straße in Offenbach werden plötzlich zu Parksündern.

Offenbach – Die Geschwister-Scholl-Straße: knapp 300 Meter noch funktionierendes Offenbach, eine ruhige Wohngegend unterhalb des Buchhügels. Mit dem Frieden ist es indes seit Kurzem vorbei. Denn buchstäblich über Nacht wurden die Anwohner zu Parksündern.

Das kam so: Im November legten Mitarbeiter des Ordnungsamts in der Geschwister-Scholl-Straße gleich zweimal besonderen Eifer an den Tag beziehungsweise die Nacht. Jeweils zwischen 1 und 3 Uhr verteilten sie dort Knöllchen, weil die Anwohner ihre Autos mit zwei Rädern auf dem Gehweg geparkt hatten.

Offenbach: Absurde Situation in der Geschwister-Scholl-Straße

„Seit 62 Jahren lebe ich hier, und seit es hier Gehwege gibt, das heißt seit etwa 55 Jahren, parken alle Anwohner ihre Wagen mit einer Seite etwas auf dem Gehweg“, berichtet Joachim Riedel, der zunächst am 7. November einen Strafzettel über 20 Euro bekommen hat. Am 19. November folgte dann der „zweite Raubzug“, wie Riedel formuliert: ein weitere Verwarnung über 55 Euro. So wie Riedel erging es zahlreichen Anwohnern. Etwa Karin F., die am 19. Novemberlaut Anhörungsbogen „von 2.50 bis 2.57 Uhr“ verbotswidrig auf dem Gehweg parkte. „Die Geschwister-Scholl-Straße ist eine reine Anwohnerstraße und nur sechs Meter breit. Wenn jetzt jeder wie verlangt auf der Straße parkt, ist für alle außer Radfahrer kein Durchkommen mehr“, schildert Joachim Riedel. Wenn das Ordnungsamt nun wirklich seine Linie im ganzen Viertel durchziehe, seien hunderte von Anwohnern betroffen. Riedel: „Mich würde auch mal interessieren, was ein Verkehrsrichter sagt, wenn nach mehr als 50 Jahren hunderte von Leuten plötzlich über Nacht zu Parksündern werden.“

Wie geradezu absurd die derzeitige Situation ist, zeigt sich daran, dass Riedel vergangene Woche einen Zettel der Müllabfuhr an der Windschutzscheibe seines nun wie vom Ordnungsamt verlangt geparkten Autos fand: „Damit wir den Abfall auch in den engen Straßen Offenbachs problemlos abholen können, sind wir auf Eure Mithilfe angewiesen. Bitte parkt nur in den dafür vorgesehenen Bereichen. Haltet die Straßen für unsere großen Fahrzeuge frei“, heißt es auf dem Flyer. Und: „Falsch geparkte Fahrzeuge werden konsequent abgeschleppt.“

Offenbach: Eindeutige Regelung fehlt

Tatsächlich fehlt in der Geschwister-Scholl-Straße eine eindeutige Regelung, während etwa in der parallel verlaufenden, ebenso schmalen Wilhelm-Leuschner-Straße das Gehwegparken mittels Beschilderung ausdrücklich gestattet ist.

Peter Weigand, Leiter des Ordnungsamts, versucht eine Erklärung für den Eifer seiner Mitarbeiter: Es gebe grundsätzlich die Anweisung, in Wohngebieten beim Gehwegparken „wohlwollend“ vorzugehen, sprich von Strafzetteln abzusehen. Weil jedoch im Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip gelte, habe die Stadtpolizei ein Ermessen und könne einen Strafzettel verhängen, wenn ihrer Ansicht nach verkehrsgefährdend geparkt werde.

Offenbach: Warum wurde nach mehr als 50 Jahren kontrolliert?

Warum mitten in der Nacht kontrolliert wurde und warum nach mehr als 50 Jahren ausgerechnet in der Geschwister-Scholl-Straße begründet Ordnungsamtschef Weigand wie folgt: Die Streifen seien nun mal rund um die Uhr im Einsatz, und es werde gemäß den Dienstplänen von Bezirk zu Bezirk vorgegangen, wobei die Kontrolldichte abnehme, je weiter der Bezirk von der Innenstadt entfernt sei.

Zugleich räumt Weigand mit Blick auf die Schwierigkeiten der Müllabfuhr ein, die fehlende Beschilderung in der Geschwister-Scholl-Straße sei ein Problem. Man habe die Sache deshalb auch an die Straßenverkehrsbehörde mit der Bitte um Prüfung weitergeleitet. Die Anwohner müssten schließlich die Chance erhalten, sich legal zu verhalten. Im Übrigen weist der Amtsleiter noch einmal darauf hin: Es gelte weiterhin der Grundsatz, in Wohngebieten werde beim Gehwegparken wohlwollend vorgegangen. Ob man dies dahingehend interpretieren kann, dass in der Geschwister-Scholl-Straße künftig keine Knöllchen mehr verteilt werden, lässt er offen. Sicher ist nur: Die bereits verteilten Strafzettel würden nicht zurückgenommen, so Peter Weigand. (Matthias Dahmer)

Das Mainvorgelände östlich der Carl-Ulrich-Brücke in Offenbach ist eigentlich zu wertvoll, um dort einen riesigen Parkplatz zu betreiben. Das soll sich nun aber ändern.

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