Amtsgericht Offenbach: Ärger um Grundbuchamt - Hoffnungen in Justizminister Poseck

Das Amtsgericht Offenbach bezeichnet der Geschäftsführer der Notarkammer Frankfurt als „Problemgericht“. Dauer der Bearbeitungszeiten ist oft inakzeptabel.
Offenbach - Andere Abteilung, gleiches Problem: War es bislang vor allem das Nachlassgericht am Amtsgericht Offenbach, das für Negativschlagzeilen sorgte, entlädt sich aufgestauter Ärger nun über dem Grundbuchamt.
Auch hier betreffen die Vorwürfe in erster Linie die unzumutbar langen Bearbeitungszeiten sowie die mangelnde Erreichbarkeit des Amts. Bemerkenswert dabei: Nicht nur der einfache rechtsuchende Bürger, sondern auch Anwälte und Notare kommen mit ihren Anliegen oft nicht weiter.
Zu den Erstgenannten zählt Axel O. Er hat sich im Mai dieses Jahres eine Wohnung in Offenbach gekauft und wartet immer noch auf die sogenannte Auflassungsvormerkung. Eine solche stellt sicher, dass der Verkäufer einer Immobilie in der Zeit zwischen dem Kauf und der Umschreibung des Objekts nicht auf dieses zugreifen kann. Sie wird im Grundbuch eingetragen. Die Eintragung einer solchen Vormerkung dauert in der Regel wenige Wochen.
Offenbach: Amtsgericht sorgt erneut für Negativschlagzeilen - Grundbuchamt in der Kritik
Bei der Recherche zum Stand der Dinge in diesem Fall gibt es von Gericht beziehungsweise Grundbuchamt widersprüchliche Aussagen: So erhielt O. vom Amt vor wenigen Tagen zunächst die Auskunft, seine Akte sei demnächst ganz oben auf dem Stapel und werde bearbeitet. Gerichtssprecher Andreas Gimmler teilt auf Nachfrage unserer Zeitung dagegen mit: Die Akte sei derzeit nicht auffindbar, falls sie weiter verschwunden bleibe, müsse sie rekonstruiert werden, sprich: Alle Beteiligten müssten ihre Unterlagen noch einmal einreichen. Mit dieser Aussage am Tag darauf konfrontiert heißt es beim Grundbuchamt: Die Akte sei wegen einer Dienstaufsichtsbeschwerde abgeholt worden, derzeit könne man gar nichts veranlassen. Auskünfte, welche den Käufer O. und den Verkäufer ratlos zurücklassen.
Gerichtssprecher Gimmler widerspricht dem, was Axel O. von einem Anwalt gehört hat: Dass nämlich am Grundbuchamt von einst elf Mitarbeitern nur noch zwei tätig seien. Gimmler: „Wir haben am Grundbuchamt zehn Rechtspfleger und acht Mitarbeiter der Geschäftsstelle.“
Wie schwer es selbst Juristen haben, beim Grundbuchamt in akzeptabler Zeit benötigte Dokumente zu erhalten, berichtet Dr. Rainer Gegenwart: Im März dieses Jahres hat er einen Vertrag zum Verkauf eines Hauses in Offenbach notariell geschlossen. Mitte April reicht der Notar die Dokumente zur Eintragung der Auflassungsvormerkung beim Grundbuchamt ein. „Eine über die gesamte Bundesrepublik statistisch gesehen normale Bearbeitungszeit eines solchen Vorgangs beläuft sich auf vier bis acht Wochen“, so Gegenwart.
Hessisches Justizministerium fordert Offenbacher Amtsgerichtspräsidenten zu Stellungnahme auf
Nachdem jedoch keine Reaktion erfolgte, begannen der Notar und er zunächst beim Grundbuchamt schriftlich nachzufragen – es reagierte ebenso wenig wie der daraufhin angeschriebene Präsident des Amtsgerichts. Selbst die eingeschaltete Notarkammer in Frankfurt erhielt keine Antwort. Nach fünf Monaten sei schließlich das Justizministerium in Wiesbaden eingebunden worden. Dieses habe den Amtsgerichtspräsidenten aufgefordert, zu dem Fall Stellung zu nehmen. Hier liege auch noch nichts vor.
„Zusammenfassend muss man feststellen, dass das Grundbuchamt Offenbach nicht arbeitsfähig ist und zudem jegliche Kommunikation mit Klienten und sogar den Notaren verweigert. Beides ist auf keinen Fall akzeptabel“, bilanzierte Rainer Gegenwart Ende vergangener Woche. Dann kann er doch noch Vollzug vermelden: Die erforderlichen Grundbucheinträge sind nun – nach sechs Monaten – erfolgt. „Somit hat wahrscheinlich die Intervention des Justizministeriums etwas bewirkt“, vermutet Gegenwart.
Geschäftsführer der Notarkammer Frankfurt: „Das Offenbacher Amtsgericht ist ein Problemgericht.“
Einer, der einen vergleichenden Blick auf die Dinge werfen kann, ist Dr. Christian Strunz. Der Geschäftsführer der Notarkammer Frankfurt, welche die Bezirke der Landgerichte Darmstadt (wozu Offenbach zählt), Frankfurt, Gießen, Hanau, Limburg und Wiesbaden betreut, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das Offenbacher Amtsgericht ist ein Problemgericht.“ Hauptgrund sei der Personalmangel. Den gebe es zwar überall in der hessischen Justiz, in Offenbach sei er aber besonders eklatant.
Dazu passt, was in Juristenkreisen als bekannt gilt: Weil niemand bereit war, sich zeitweise nach Offenbach abordnen zu lassen, um beim Abarbeiten der Akten zu helfen, wurden die Offenbacher Akten für einige Zeit an andere Gerichte zur Bearbeitung verschickt.
Standortfaktor Offenbach: Zu wenig Personal in der Rechtspflege - Hoffnung auf Justizminister Poseck
Notarkammer-Chef Strunz weist auf einen weiteren Aspekt der Misere hin: Eine funktionierende Rechtspflege – das werde oft unterschätzt – sei auch ein Standortfaktor. „Es entstehen finanzielle Schäden und es geht Vertrauen verloren, wenn Eintragungen nicht vorgenommen werden und dadurch etwa Kreditgeschäfte platzen“, sagt er. Ein wenig Hoffnung setzt man auf den neuen hessischen Justizminister Professor Roman Poseck (CDU), der seit Ende Mai im Amt ist und zuvor zehn Jahre lang Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt war. Er will sich für mehr Personal bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten im Land einsetzen.
Bis diese besetzt sind, werden aber vermutlich noch einige Jahre vergehen, wenn sich denn überhaupt Bewerber finden. „Die Justiz kann bei der Nachwuchssuche insbesondere in Ballungsgebieten keine konkurrenzfähigen Gehälter bezahlen“, gibt Notarkammer-Geschäftsführer Christian Strunz zu bedenken. Die Aussicht, verstaubte Papierakten zu wälzen, statt digital den Schriftverkehr zu bearbeiten, dürfte der Attraktivität der Jobs auch nicht gerade förderlich sein. (Matthias Dahmer)