Rührung im Blitzlichtgewitter: Schwenke neuer Rathaus-Chef

Offenbach - Als letzte Amtshandlung in zwölf Jahren als Offenbachs Oberbürgermeister hat Horst Schneider seinem Nachfolger Dr. Felix Schwenke die Ernennungsurkunde überreicht. Von Thomas Kirstein
In der Alten EVO-Schlosserei vollzieht sich damit auch ein Generationswechsel an der spitze der Stadt – der alte OB ist 65, der neue 39. Politisch bleibt es beim Gewohnten: ein Sozialdemokrat als Verwaltungschef. Es ist nicht nur die bestbesuchte Stadtverordnetensitzung der vergangenen sechs Jahre gewesen, sondern auch die emotionalste. Dafür sorgt der scheidende OB, als er nach Dankesworten an Grußredner, Weggefährten und Familie die „Liebe meines Lebens“ samt Enkelin auf die Bühne holt. Konstanze und Horst Schneider, seit 47 Jahren ein Paar, stehen im Blitzlichtgewitter und lassen sich von Ovationen im Stehen rühren.
Dem Nachfolger und seiner Familie gibt der baldige Ruheständler – offiziell ist morgen um Mitternacht Schluss – mit, was bei allem Engagement auch Maxime seiner insgesamt vierzehn Jahre Jahre als Bürgermeister und Oberbürgermeister war: „Lasst euch vom Amt nicht auffressen!“
Der am 24. September direkt gewählte Felix Schwenke, dem Bürgermeister Peter Schneider (Grüne) die Amtskette umgehängt hat, blickt in seiner Antrittsrede zurück und voraus. Mit Vorgänger Schneider verbinde ihn eine „sehr schöne gemeinsame Zeit“; der Studienrat war Dezernent für Soziales und Ordnung sowie bis zu seiner Abwahl durch die Tansania-Koalition Stadtkämmerer.
Schwenke muss sich mit einer andersfarbigen Mehrheit aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern arrangieren. „Ich gebe deutlich mehr Verantwortung in die Hand der Dezernenten der Koalition und reiche der Koalition damit die Hand“, sagt er. „ich erwarte, dass wir – bei allen politischen Differenzen – gemeinsam für Offenbach arbeiten.“ Stadtverordnetenvorsteher Stephan Färber wünscht der Konstellation „kreative Reibung, wobei der Schwerpunkt auf Kreativität, nicht auf Reibung liegt“.
Wenig verwunderlich dreht sich der Abend bei der EVO zunächst aber mehr um den Gehenden als um den Kommenden. Als Gastredner spannt Martin Wentz, früher Planungsdezernent in Frankfurt, den Bogen von einem nach seiner Ansicht viel zu engen, vom Land zu verantwortende Flächennutzungskorsett für Offenbach und Frankfurt zu seinem Freund Horst Schneider, der die Chance zur Zusammenarbeit der beiden Städte ergriffen und genutzt habe. Unter ihm als OB habe Offenbach erkannt, dass es sich dem Stadtwachstum öffnen müsse – im Gegensatz zu Frankfurt, wo kleinteiliges Hickhack um Neubauflächen ein Armutszeugnis darstelle. Die Stadt Offenbach habe es dagegen durch die Förderung des Wohnungsneubaus und dem Zuzug von Menschen geschafft, sich ein gutes Stück vom Ruf des „Armenhauses der Region“ zu befreien.
Der Offenbacher Tarek Al Wazir, Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister, überbringt die Grüße von Ministerpräsident Volker Bouffier, der ausrichten lässt, wie lieb und – betont – teuer im Offenbach sei. Aus gemeinsamen Zeiten in der Stadt unterstreicht Al Wazir die ansteckende Fröhlichkeit, mit der der „liebe Horst“ auch in dunklen Tagen Optimismus verbreitet habe. Kollegialität, Verlässlichkeit, Humor „und jede Menge SMS“ hebt Schneiders Frankfurter Kollege und Parteifreund Peter Feldmann hervor. Heute baue man gemeinsam schöne Wohnungen, sagt er: „Früher haben viele gedacht, wenn Offenbacher und Frankfurter mal was gemeinsam bauen, dann eine Mauer.“
Den baldigen Alt-OB lobt Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid als einen, der sich wie auch sein Nachfolger um die städtischen Finanzen („Auf sehr gutem Weg.“) verdient gemacht habe. Dr. Georg Müller, Chef der Mannheimer MVV, attestiert Schneider einen Sinn für größere Zusammenhänge.
Und auch das legendäre Kehren der Römertreppe kommt aufs Tapet. Der siegreiche Gegner der Wette um ein DFB-Pokalderby, Tigerpalast-Chef Johnny Klinke, der dieser Sondersitzung den Auftritt eines Spitzen-Jongleurs spendiert, nennt „die größte Leistung“ von Horst Schneider: mit dieser „Friedensinitiative“ für Entspannung zwischen Kickers- und Eintracht-Fans gesorgt zu haben.