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Schluss mit der Abkürzung: Anwohner in Offenbach erkämpfen sich Durchfahrtssperre

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Von: Veronika Schade

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Hier geht es nicht mehr weiter: Gestern wenden zahlreiche Autofahrer vor der frisch angebrachten Sperrung, viele sind genervt.
Hier geht es nicht mehr weiter: Gestern wenden zahlreiche Autofahrer vor der frisch angebrachten Sperrung, viele sind genervt. © Schade

Schnell von Bieber auf die Mühlheimer Straße? Viele Autofahrer in Offenbach nutzen dafür als Abkürzung den Bierbrauerweg. Seit gestern ist dies nicht mehr möglich.

Offenbach - Schon seit 1995 ist der Bierbrauerweg in Offenbach Anliegerstraße, doch dies interessierte gefühlt kaum jemanden. Der Durchgangsverkehr dort war immens. Bereits 1996 beschwerten sich Anwohner deshalb erstmals bei der Stadt. Doch es sollten weitere Jahre vergehen, bis sie 2018 eine Arbeitsgemeinschaft gründeten, mit dem Ziel einer Verkehrsberuhigung. „Zuvor sind die Versuche einzelner Anwohner gescheitert, etwas zu erreichen. Deshalb haben wir uns zusammengeschlossen“, blickt Sprecher Björn Schneider zurück.

Er wohnt dort seit knapp 20 Jahren. „Wir sind gerade deshalb hergezogen, weil es eine Anliegerstraße ist. Deshalb gingen wir von einem ruhigen Wohnen aus.“ Doch der Verkehr habe mit der Zeit spürbar zugenommen. „Das geht morgens zum Berufsverkehr los und ab 15 Uhr nachmittags bis in den späten Abend hinein ist es hier voll.“ Auch ans Tempolimit von 30 Stundenkilometern habe sich kaum jemand gehalten, ergänzen die Mitstreiter. „Da wird gern aufs Gaspedal gedrückt.“ Nicht nur die Lärmbelästigung und Luftverschmutzung, auch die Sorge um die Sicherheit habe sie angetrieben. „Hier wohnen Kinder und ältere Leute. Gerade die Älteren sind langsam unterwegs und tragen nicht gerade Leuchtjacken im Winter. Das birgt viele Gefahren“, sagt Uschi Rohde.

Bierbrauerweg in Offenbach: Es gibt eine gute Alternative

Zumal, so betont die Arbeitsgemeinschaft, es eine gute und schnelle Alternative gibt – die Daimlerstraße. „Nur eine Straße hinter dem Bierbrauerweg und reines Gewerbegebiet, so dass die Anwohnerbelastung wegfällt.“ Andere Straßen nicht übermäßig zu belasten, sei allen wichtig gewesen. „Uns ist klar, dass der Verkehr irgendwo abfließen muss.“

Eine Chronik ihrer Bemühungen seit 2018 hat die Arbeitsgemeinschaft erstellt, die deutlich macht: Es war ein langer und steiniger Weg, der viel Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen erforderte. „Wir haben zwischendurch immer mal gezweifelt.“ Doch der Zusammenhalt unter den Nachbarn, eine 75-prozentige Rücklaufquote bei Briefkastenbefragungen und Zustimmung sogar seitens der Gewerbetreibenden gaben Kraft. Immer wieder gab es Schriftwechsel und Gespräche mit der Stadtplanung, dem Straßenverkehrsamt, mit der Polizei.

Abkürzung in Offenbach: Rund 3000 Fahrzeuge am Tag

„Kontrollen waren selten, weil es weder bei der Stadt noch der Polizei genug Kapazitäten dafür gibt“, berichtet Schneider. Die Arbeitsgemeinschaft führte gleich zu Beginn auf eigene Faust eine Verkehrszählung durch. „Wir machten einen genauen Einsatzplan, wechselten uns schichtweise ab, führten Strichlisten, erstellten Tortendiagramme“, blicken die Mitglieder zurück.

Auf rund 3000 Fahrzeuge am Tag kamen sie dabei. Die Zahl wurde 2019 bei einer optischen Verkehrsmessung seitens der Stadt bestätigt. Für die Arbeitsgemeinschaft war klar: Eine bauliche Lösung muss her. 2021 schlägt die Stadt nach einer Vorsprache in der Verkehrskommission drei Varianten vor: eine Fahrbahnverschwenkung, eine Einbahnstraßenregelung und die Vollsperrung. „Bald darauf bekamen wir die Mitteilung, dass die dritte Variante bevorzugt wird.“

Diesen Sommer wurde die Zuständigkeit ans Mobilitätsamt unter der Leitung von Sabine Groß übertragen. Nachdem sich die Arbeitsgemeinschaft erneut in Erinnerung gerufen hat, wurde Ende August eine Umsetzung in Aussicht gestellt. Gestern war es dann soweit. „Ein guter Tag, für uns scheint gerade in doppelter Hinsicht die Sonne“, freut sich Rohde.

Offenbach: Konsequent im Sinne des Klimaschutzes und der Verkehrswende

„Es war ein langer Weg, weil es auch rechtlich nicht ganz einfach war“, sagt Bürgermeisterin Sabine Groß. Eine ganze Straße für den Autoverkehr zu sperren, sei eine ungewöhnliche Maßnahme – aber konsequent im Sinne des Klimaschutzes und der Verkehrswende. „Dass die Anwohner sich selbst eine solche Maßnahme wünschten, hat die Entscheidung für uns leicht gemacht.“ Und die bisherige Beschilderung habe nicht den gewünschten Effekt gebracht.

Die Baken wurden zunächst testweise für ein Jahr installiert. Die Autofahrer sind gezwungen zu wenden, was gestern viele mit einem Kopfschütteln tun. „Sie werden sich daran gewöhnen“, sagen die Anwohner. „Für uns hier auf dem Bieberer Berg geht es jetzt bergauf.“ (Veronika Schade)

Die Verkehrswende in Offenbach sorgt auch an anderer Stelle für Ärger: Lastenräder bereiten Auto- und Radfahrern Probleme, weil sie beim Abstellen viel Platz wegnehmen.

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