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Telefon als „Waffe“: So schützen Sie sich und Angehörige vor Schockanrufen, Enkeltrick und Co.

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Von: Dirk Iding

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Schockanrufe, Enkeltrick und Co.: Mit betrügerischen Anrufen machen Gauner immer wieder enorme Beute. Betroffen sind vor allem ältere Menschen.

Offenbach – Eines haben Isabelle Pfister und Jennifer Pangelinan bei ihrer Arbeit gelernt: „Opfer einer solchen Straftat kann wirklich jeder und jede werden. Das hat nichts mit Dummheit oder Senilität zu tun.“ Die beiden Kriminal-Oberkommissarinnen am Polizeipräsidium Südosthessen in Offenbach befassen sich als Ermittlerinnen mit einer besonders abstoßenden Form der organisierten Kriminalität: dem schweren Betrug am Telefon, etwa durch Schockanrufe, den bekannten Enkeltrick oder die Masche mit den falschen Polizisten.

Immer wieder sorgen derartige Straftaten für Aufsehen und ungläubiges Kopfschütteln bei Außenstehenden. So zuletzt auch in Neu-Isenburg und Obertshausen. In Neu-Isenburg wurde eine 89-Jährige im Mai Opfer eines Schockanrufs. Die Täter erbeuteten allein in diesem einen Fall die unglaubliche Summe von 250. 000 Euro. Und auch in Obertshausen hatten Täter wenige Tage zuvor mit einem Schockanruf „Erfolg“. Die Beute dort: rund 5 000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von mehr als 30. 000 Euro. Betroffen dort war eine 79-jährige Frau.

In beiden Fällen wurde den Opfern am Telefon von Unbekannten, angeblich Polizisten beziehungsweise Staatsanwälten, weisgemacht, nahe Angehörige hätten einen tödlichen Unfall verursacht, sie säßen nun in Haft, könnten aber gegen eine angebliche Kaution freikommen. Geld und Schmuck wird schließlich von einer dritten Person entgegengenommen.

Schockanrufe: Spuren zu den Tätern führen oft ins Ausland - Rückverfolgung schwierig

Für die Ermittlerinnen steht fest: Hinter solchen Straftaten stehen gut organisierte Banden, die arbeitsteilig vorgehen. Die Spuren führen oft ins Ausland, von wo die Anrufe meist getätigt werden und daher in der Regel nicht zurückverfolgt werden können.

Die Muster der sogenannten Schockanrufe, die nach Auffassung von Ermittlerin Isabelle Pfister inzwischen den früher viel häufiger versuchten „Enkeltrick“ fast abgelöst haben, sind stets die gleichen. Die Angerufenen werden mit einer absoluten Horrornachricht konfrontiert und dann am Telefon unter permanenten psychischen Stress gesetzt, sodass die Opfer keinen klaren Gedanken mehr fassen können.

Vorsicht bei Anrufen von unbekannten Personen: Noch viel zu häufig gelingt es Betrügern, mit miesen Maschen an Geld und Wertgegenstände zu kommen. Der jährliche Schaden geht in die Hunderttausende.
Vorsicht bei Anrufen von unbekannten Personen: Noch viel zu häufig gelingt es Betrügern, mit miesen Maschen an Geld und Wertgegenstände zu kommen. Der jährliche Schaden geht in die Hunderttausende. © p

Bei den letztlich aus Sicht der Täter erfolgreichen Versuchen dauern die Anrufe oft über Stunden, in denen auf die Opfer ständig psychischer Druck ausgeübt wird. Die Angerufenen geraten in einen emotionalen Sog, aus dem sie sich letztlich nur noch durch die geforderte Übergabe von Geld oder Schmuck befreien können.

Eine zutiefst perfide Masche, die bei den Opfern auch zu schweren psychischen Langzeitfolgen führen kann. Denn die Betrogenen leiden doppelt. Sie wurden nicht nur um Hab und Gut gebracht, sie schämen sich auch meist zutiefst, gegenüber sich selbst und gegenüber ihrem persönlichen Umfeld, Opfer einer solch miesen Masche geworden zu sein.

Senioren sind überdurchschnittlich oft von Schockanrufen betroffen

Und diese Masche ist weiter verbreitet, als man annehmen mag. Zumindest wird es von den Straftätern oft versucht. Davon geht Silvia Traber aus. Die Kriminalhauptkommissarin am Polizeipräsidium Südosthessen ist täglich in Sachen Kriminalitätsprävention unterwegs und auf die Beratung von Seniorinnen und Senioren spezialisiert. Oft hält sie Vorträge zu diesen Themen. „Und meist ist es so, dass Zuhörerinnen oder Zuhörer anschließend zu mir kommen und erzählen, dass auch sie schon solche Anrufe erhalten haben.“

Überwiegend seien es tatsächlich ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die von diesen Straftaten betroffen seien, so die Ermittlerinnen. „Aber wir hatten auch schon Fälle, in denen die Opfer erst Mitte 50 waren und dennoch auf die Tricks hereinfielen“, sagt Jennifer Pangelian.

Dass die Opfer solcher Anrufe im Vorfeld von den Betrügern gezielt ausgesucht oder gar ausgespäht würden, schließen die Ermittlerinnen allerdings weitgehend aus. Zwar liege der Verdacht nahe, dass möglicherweise Telefonbucheinträge nach älteren Vornamen durchforstet und auch Sterbeanzeigen ausgewertet würden, eine eingehende Durchleuchtung der angerufenen Personen finde aber wohl kaum statt. Dagegen spreche, dass die Täter in der Regel aus dem Ausland agierten, wo es regelrechte „Callcenter“ geben soll. „Da macht es wohl eher die Masse der Anrufe, dass sich irgendwann ein Opfer findet“, sind sich die Ermittlerinnen einig.

Dabei beweisen die Betrüger oft ein erstaunliches Geschick in der Gesprächsführung. Etwa indem sie den Angerufenen Details entlocken, beispielsweise die Vornamen von Angehörigen, die sie im weiteren Gespräch für ihre Zwecke nutzen. „Und die Opfer sind dann oft überzeugt, dass die Täter irgendwelche Vorkenntnisse gehabt hätten. Das ist aber in der Regel nicht der Fall“, so Pangelinan.

Die besten Mittel gegen Schockanrufe, Enkeltrick und Co.: Prävention und Aufklärung

Die besten „Waffen“ gegen die miesen Tricks der Telefonbetrüger sind Prävention und Aufklärung. Dabei verfolgt die Polizei vielfältige Ansätze. So bieten etwa speziell geschulte Seniorenberater regelmäßig Beratungen und Vorträge „auf Augenhöhe“ an. In Infobroschüren werden leicht verständlich die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Straftäter erläutert und es gibt Tipps, wie man sich dagegen schützen kann.

Doch auch das Umfeld möglicher Opfer hat die Polizei im Blick. Sie ermuntert ausdrücklich dazu, das Gespräch mit älteren Angehörigen über potenzielle Gefahren am Telefon zu suchen und sie darauf hinzuweisen, dass größere Geldbeträge oder wertvoller Schmuck am besten nicht zu Hause, sondern bei einer Bank aufbewahrt werden sollten.

Enkeltrick, falsche Polizisten und Abzocke: Das sind die Maschen der Betrüger

Die miesen Tricks der Telefonbetrüger sind vielfältig. Schockanrufe sind nur eine Masche. Die Polizei warnt vor weiteren Betrügereien per Telefon.

Der Enkeltrick: Der Enkeltrick galt lange als die gängigste Masche von Telefongaunern. Die Anrufer geben sich als nahe Angehörige aus und bitten um Geld, weil man sich in einer finanziellen Notlage befinde. Das Geld werde von einer angeblichen Vertrauten abgeholt.

Der Gewinn-Trick: Eine andere Masche ist das Versprechen angeblich hoher Gewinne. Voraussetzung für die Übergabe sei allerdings die Überweisung einer Bearbeitungsgebühr, der Besuch einer Veranstaltung oder der Anruf eines kostenpflichtigen Telefondienstes.

Der falsche Polizist: Angebliche Polizisten rufen an und warnen vor Einbrüchen in der Nachbarschaft. Um ihr Hab und Gut zu schützen, solle Geld und Schmuck an vermeintliche Kollegen übergeben werden, die von Haus zu Haus gingen.

Telefon-Abzocke: Unter verschiedenen Vorwänden werden Opfer von unbekannten Anrufern dazu verleitet, während des Telefonats eine Ziffer auf dem Tastenfeld des Telefons zu drücken. Dadurch werden sie oft unbemerkt auf kostenpflichtige Telefondienste weitergeleitet. Die Kosten tauchen dann auf der nächsten Telefonrechnung auf.

Betrug per WhatsApp: Auch Messenger-Dienste wie WhatsApp werden für Betrügereien genutzt. Betrüger geben sich als Angehörige aus, melden sich mit unbekannter Nummer von einem angeblich neuen Handy. Daher könne man auch das Online-Banking noch nicht nutzen. Allerdings müsse eine Rechnung kurzfristig beglichen werden. Die Kontodaten kommen dann ebenfalls per WhatsApp.

Schockanrufe: Banken sensibilisiert, wenn ältere Kunden höhere Beträge abheben

Auch Angestellte von Sparkassen und Banken sind sensibilisiert und sollten misstrauisch werden, wenn ältere Kunden plötzlich höhere Geldbeträge abheben. Größere Geldsummer werden bei vielen Banken auch nur noch in Umschlägen ausgehändigt, auf denen ausdrücklich noch mal auf die Gefahren durch betrügerische Telefonanrufe hingewiesen wird.

Grundsätzlich rät die Polizei: Begegnen Sie unbekannten Anrufern mit gesundem Misstrauen. Beenden Sie verdächtige Telefonate sofort und informieren Sie die örtliche Polizei. Rufen Sie angeblich betroffene Angehörige unter der Ihnen bekannten Rufnummer zurück. Notieren Sie auf einem Zettel die wichtigsten Telefonnummern und legen Sie diesen griffbereit neben das Telefon. (Dirk Iding)

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