Georg Bloch-Jessen ist neuer Pfarrer in Bieber

Mit Pfarrerin Irmela Büttner hat ein Nordlicht die Evangelische Kirchengemeinde Bieber verlassen. Doch das nächste steht bereits in den Startlöchern und strebt an, ebenso hell über der Gemeinde zu erstrahlen: Georg Bloch-Jessen, gebürtiger Hamburger, ist der neue Pfarrer und hält am Sonntag seinen Antrittsgottesdienst.
Offenbach - „Sie hat große Spuren hinterlassen“, sagt der 36-Jährige anerkennend über seine Vorgängerin. Die selbstverständlich gewordene Zusammenarbeit der drei südlichen evangelischen Gemeinden, der gemeinsame Konfirmationsunterricht, die fest verankerte Stelle der Gemeindepädagogin. All das will Bloch-Jessen weiterleben, intensivieren: „Die Kooperation ist ein wichtiger Bestandteil davon, die Gemeindearbeit für die Zukunft aufzustellen“, sagt er. Dabei gehe es längst nicht nur um Finanzierungsfragen, sondern um den ganzen Reformprozess, den die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau unter dem Schlagwort ekhn2030 in die Wege geleitet hat. „Diesen Wandel zu begleiten, wird sicherlich eines meiner Hauptthemen in Bieber“, sagt er. Die Botschaft, die die Kirche hat, an die Menschen heranzutragen – und zwar auch außerhalb der Gemeinde, das sei der Weg in die Zukunft.
Diese Aussicht betrachtet er als sehr spannend. „Überhaupt ist Pfarrer für mich der spannendste Beruf überhaupt“, schwärmt er. Es wird seine erste Pfarrstelle. Er studierte Theologie in Münster und Marburg, arbeitete danach knapp sechs Jahre als theologischer Referent bei der Diakonie in Berlin. Eine sichere Stelle, die er noch lange hätte fortführen können. „Aber ich wollte nicht nur Verbandsarbeit machen, sondern auch Gemeindedienst, wünschte mir Kontakt zu den Menschen.“ Das sei eine sehr bewusste Entscheidung gewesen. Er entschied sich fürs Pfarramt, wählte fürs Vikariat das Rhein-Main-Gebiet und landete so bei der Friedenskirche in Offenbach.
Mit seiner Frau und dem heute fast achtjährigen Sohn zog er in die Stadt. „Es war 2020 zum Höhepunkt der Coronakrise. Trotzdem fühlten wir uns gut aufgenommen, besuchten gern den Wochenmarkt, empfanden Offenbach als lebenswerte Stadt.“ So ist es immer noch. Deshalb war es ein Wunsch der Familie, auch nach der Beendigung seines Vikariats in Offenbach zu bleiben. „Ich traf mich mit Pfarrerin Büttner. Die Entscheidung für Bieber ist schnell gefallen“, erzählt Bloch-Jessen. „Mir ist bewusst, dass Bieber für die Bieberer nicht Offenbach ist“, ergänzt er augenzwinkernd.
Im Stadtteil sieht der neue Pfarrer großes Potenzial. „Hier kann man die Menschen auch außerhalb der Gemeinde zusammenbringen. Bieber ist stark geprägt vom Vereinswesen und Leuten, die sich engagieren.“ Es gebe, so sein erster Eindruck, viel Zusammenhalt. Außerdem verändere sich im Ort viel durch Neubau und Zuzug, was weitere Möglichkeiten eröffne. Zunächst aber gelte es für ihn, die Menschen und Abläufe in der 2300 Mitglieder umfassenden Gemeinde kennenzulernen. „Es muss sich alles einspielen.“ Mit den vielen Aufgaben des Pfarrers, von der Seelsorge über das Leiten von Gottesdiensten, den Papierkram bis hin zum Feiern von Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, hat er sich im Vikariat bereits vertraut gemacht.
Er zeigt sich offen für Neues, etwa für Aktionen, wie er sie aus seiner Heimat in der Nordkirche kennt: „Pop Up-Kirche im öffentlichen Raum, Fußwaschungen und solche Dinge. Wir werden uns gemeinsam etwas einfallen lassen. Ideen werden immer dann besser, wenn man sie in der Gemeinschaft bespricht.“ Die Menschen jedenfalls hätten Lust, nach den tristen Coronajahren die Gemeinschaft neu zu erleben. Auch die anderen Krisen dieser Zeit ließen sich leichter bewältigen, wenn man wisse, dass man dabei nicht allein sei: „Dabei kann die Gemeinschaft in der Gemeinde unglaublich bereichernd sein. Aber auch das Gefühl, jemanden zu haben, der sich einem zuwendet, der seine Hände über einen legt.“
Glaube spielte für ihn immer eine Rolle, auch wenn er in seiner Jugend bei der Gemeindearbeit nie vorn mitgewirkt habe. „Mich fasziniert, dass ein so altes Buch wie die Bibel die Leute immer noch in den Bann zieht und ihnen so viel zu sagen versteht.“ Das sei der Grund für sein Theologie-Studium gewesen.
Mit der Geschichte der Bieberer Lutherkirche und ihren umstrittenen Altarraum-Malereien aus der Nazizeit hat er sich vor Amtsantritt intensiv befasst. „Es ist richtig, dass die Bilder geblieben sind. Aber es ist die Pflicht der Gemeinde, verantwortungsvoll mit diesem Erbe umzugehen“, betont er. „Das Thema muss und wird uns begleiten, es ist ein laufender Diskussionsprozess. Unser Kirchraum beinhaltet ein Stück Erinnerungskultur, das nicht kontextlos bleiben darf.“
Lesen ist seine große Leidenschaft, beruflich und privat. Auch reist er gern, vorzugsweise mit dem Zug, und ist begeisterter Hobbykoch: „Dabei kann ich wunderbar entspannen.“ Jetzt aber stehen die Bieberer Gemeinde-Aktivitäten im Fokus: „Ich habe richtig Lust und freue mich schon sehr darauf.“
Von Veronika Schade