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„War sofort klar, dass etwas nicht stimmen kann“: Stadt Offenbach verschickt zu hohe Rechnungen an Hausbesitzer

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Von: Christian Reinartz

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Gute Nachrichten für die Hausbesitzer im Neubaugebiet Bürgel-Ost. Sämtliche Kanalanschlussgebührenbescheide werden überprüft und neu berechnet.
Gute Nachrichten für die Hausbesitzer im Neubaugebiet Bürgel-Ost. Sämtliche Kanalanschlussgebührenbescheide werden überprüft und neu berechnet. © Reinartz

Deutlich zu hohe Rechnungen sorgen derzeit im Offenbacher Baugebiet Bürgel-Ost für Ärger. Der zuständige Dezernent ordnet eine Überprüfung der Bescheiden an.

Offenbach – Im Baugebiet Bürgel-Ost ist man gerade nicht gut auf die Stadtverwaltung zu sprechen. Grund sind die jüngst verschickten Kanalanschlussgebührenbescheide, die an sich jeden neuen Hausbesitzer in einem Neubaugebiet erwarten. Einziger Unterschied: Der geforderte Betrag erschien vielen Adressaten höher als erwartet.

Auch Helmut Metzing, Chef der Aschaffenburger Projektentwicklunggesellschaft MIB, traut seinen Augen nicht, als er die Bescheide in die Hände bekommt. Insgesamt 25 Objekte hat der Bauherr dort im Auftrag seiner Kunden hochgezogen und kennt sich mit solchen Gebührenbescheiden eigentlich aus. „Aber da war mir sofort klar, dass etwas nicht stimmen kann“, sagt er. Metzing rechnet, schlägt nochmals im Bebauungsplan nach, rechnet wieder. Am Ende ist für ihn klar: „Die Stadt hat die Anschlussgebühren viel zu hoch angesetzt, weil sie einen falschen Berechnungssatz genutzt hat.“

Zu hohe Rechnungen in Offenbach: „Stadt hat mehr kassiert, als ihr zusteht“

Um das bis ins Detail zu verstehen, müsste man schon tief in die Baumaterie mit all ihren Paragrafen und Regelungen eintauchen. Vereinfacht gesagt, hat die Stadt die theoretisch zu bebauende Fläche als Grundlage genommen, um einen Faktor zu ermitteln, aus dem die Kanalanschlussgebühren berechnet werden. Das Problem: Dieser Faktor ist zu hoch angesetzt, sodass auch die Gebühren zu hoch sind. An einem Beispiel erklärt Metzing: „Die Stadt geht von einem Faktor von 0,88 aus. Dabei schreibt der Bebauungsplan höchstens eine Bebauung von 0,4 vor, was wie in Bürgel bei zweigeschossigen Häusern 0,8 ergibt“, erklärt Metzing. In den meisten Fällen hätten geltende Abstandsregeln die zu bebauende Fläche und damit auch den Faktor weiter reduziert. „Im Klartext heißt das: Die Stadt hat mehr kassiert, als ihr zusteht.“

Metzing wendet sich daraufhin an die Verwaltung und bittet um Richtigstellung. „Aber die haben mich zwischen den Ämtern herumgereicht, weil keiner den Fehler auf seine Kappe nehmen wollte.“ Als Metzing nicht locker lässt, will man bei der Stadt nicht mehr mit ihm reden. Stattdessen sollten sich die Hausbesitzer persönlich melden. Nach deren Widerspruch flattern plötzlich mehrere geänderte Gebührenbescheide bei seinen Kunden ins Haus – mit deutlich niedrigeren Kosten. Etwa 1500 Euro pro Partei, sagt Metzing.

Stadt Offenbach gibt zu: „Ja, es wurden falsch berechnete Bescheide verschickt“

Zeitgleich beschweren sich andere Häuslebauer des Baugebiets wegen derselben Sache bei der Redaktion. Auch sie haben Widerspruch gegen gegen die auffällig hohen Bescheide eingelegt. Ein Anwohner zitiert aus einem Antwortschreiben der Stadt, das der Redaktion vorliegt: „Die Widerspruchskosten können bis zu 20 Prozent des in dem angefochtenen Bescheid fest gesetzten Betrages zuzüglich der entstandenen Auslagen betragen.“ Als er das gelesen habe, sei er zähneknirschend eingeknickt. „In meinem Fall wären das zwei- bis dreitausend Euro gewesen.“ Für Metzing hat dieses Vorgehen System. „Ich gehe davon aus, dass fast alle in diesem Baugebiet verschickten Bescheide fehlerhaft sind.“ Deshalb habe er sich auch entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Als die Redaktion die Stadt mit dem Vorwurf konfrontiert, meldet sich schon nach kurzer Zeit Baudezernent und Stadtrat Paul-Gerhard Weiß und räumt den kapitalen Fehler seiner Behörde ein: „Ja, es wurden falsch berechnete Bescheide verschickt. Deshalb habe ich angewiesen, dass alle überprüft werden.“ Insgesamt 123 an der Zahl. „Die Menschen müssen der Verwaltung vertrauen können“, begründet er seine Entscheidung. Von einem echten Fehler will Weiß indes nicht sprechen, sondern von einer „alternativen Berechnungsmethode“. Im Zweifelsfall hätte die Stadt die günstigere wählen müssen, was nicht erfolgt sei.

Helmut Mentzing kann das kaum beschwichtigen. „Ich erwäge, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Beteiligten zu stellen.“ (Christian Reinartz)

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