Stadthalle als Wärme-Insel

Im Katastrophenschutz muss stets vom schlimmsten Fall ausgegangen werden. Denn sollte dieser, so unwahrscheinlich er auch ist, eintreten, ist es unerlässlich, darauf vorbereitet zu sein. Das gilt jetzt in Bezug auf Erdgas. Auch Offenbach trifft Vorkehrungen.
Offenbach - Zwar sind die Gasspeicher in Deutschland, auch die der Energieversorgung Offenbach (EVO), derzeit randvoll – anders als noch im September befürchtet. Doch sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur Einschnitte bei der Gasversorgung wegen der massiv gedrosselten Lieferungen aus Russland in Folge des Kriegs gegen die Ukraine weiterhin nicht völlig auszuschließen. Deshalb bereiten sich die Stadt, die Feuerwehr und die EVO auf eine solche kritische Gasmangel-Lage vor, eine Arbeitsgruppe trifft Vorkehrungen für den Notfall.
„Wir haben ein hohes Maß an Zuversicht, aber keine Gewissheit, gut durch den Winter zu kommen. Und das ist der große Unterschied zu den vergangenen Jahrzehnten“, sagt EVO-Vorstandsvorsitzender Christoph Meier. Das von der Bundesregierung vorgegebene Ziel von 20 Prozent Einsparung sei in Offenbach noch nicht erreicht worden, „aber wir sind auf einem guten Weg“. Doch die kalte Jahreszeit mit dem höchsten Gasverbrauch fürs Heizen sei in vollem Gange und dauere noch an – und die weitere Entwicklung hänge von verschiedenen Faktoren ab.
Die meisten davon können die Menschen in Offenbach nicht beeinflussen: Wie streng wird der Winter in Bezug auf Temperaturen, Sonnenschein und Windverhältnisse? Und werden die im Bau befindlichen, norddeutschen Flüssiggas-Terminals (LNG) tatsächlich zum Jahresende fertig? „Wir haben drei mögliche Szenarien erstellt“, erläutert Meier. „Auch wenn der schlimmste Fall glücklicherweise viel unwahrscheinlicher geworden ist als zunächst befürchtet, so kann man noch keine hundertprozentige Entwarnung geben.“ Auf eines habe jedoch jeder Bürger Einfluss: den eigenen Verbrauch.
„Deshalb gilt es, diesen weiterhin so gering wie möglich zu halten“, appelliert Oberbürgermeister Felix Schwenke, der zugleich Leiter des Offenbacher Katastrophenschutzes ist. Als Politiker stehe man bei solchen Themen vor einem Präventionsparadoxon – wenn viel gewarnt werde, die Leute sich daran hielten und deshalb nichts passiere, heiße es danach, das sei übertrieben gewesen. „Aber die Botschaft kann jetzt, trotz der besseren Ausgangslage, nicht sein, wieder Gas zu verbrauchen, als wäre nichts.“
Uwe Sauer, Leiter der Offenbacher Berufsfeuerwehr, hofft, dass die aktuellen Planungen „nur für die Schublade“ sind. Doch sollte es zu einem Gasmangel kommen, würde zunächst die energieintensive Industrie vom Netz genommen. Die Bevölkerung erst danach – und zwar im absoluten Notfall. Da ungefähr die Hälfte der Offenbacher mit Gas heize, würden schlimmstenfalls rund 60 000 Menschen in kalten Wohnungen frieren. „Für diese würde dann eine Wärme-Insel in der Stadthalle eingerichtet“, erklärt der Feuerwehrchef. Die Stadthalle sei an Fernwärme angeschlossen, verfüge über Notstrom, moderne Belüftung und sanitäre Anlagen und habe sich bereits als Impfzentrum krisenbewährt. Dort könnten sich die Menschen stundenweise aufwärmen, vorzugsweise besonders gefährdete wie Alte, Kranke und kleine Kinder.
„Aber Selbsthilfe ist ebenfalls ein enorm wichtiger Aspekt“, betont Sauer. So sei es sinnvoll, bei Freunden und Bekannten nachzufragen, wie sie heizen und ob man im Notfall zu ihnen könnte. „Da sollte jeder sich seine eigenen Gedanken machen.“
Infos im Internet
www.offenbach.de/krisenfit
Sein Kollege Niko Kern, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz, verweist auf Warnmeldungen über soziale Netzwerke, Apps und digitale Stadtinformationstafeln oder klassisch per Lautsprecherdurchsagen. Auch die Stadt hat auf ihrer Internetseite Informationen zum Thema „krisenfit“ zusammengetragen. „Die gibt es auch in leichter Sprache und sie können in verschiedene Sprachen übersetzt werden“, sagt Kerstin Holzheimer vom Amt für Öffentlichkeitsarbeit.
Apropos Stadt: Wie berichtet, musste die Stadt verschiedene Maßnahmen zur Energieeinsparung treffen, so werden beispielsweise städtische Gebäude nur noch auf 19 Grad beheizt oder in Turnhallen das Warmwasser abgedreht. „Das wird mitunter deutlich kritisiert“, gibt der Oberbürgermeister zu. Er habe schon viele Gespräche zu diesem Thema geführt, an deren Ende aber stets die Einsicht stand: „Trotz aller Unannehmlichkeiten, da müssen wir durch.“ Im Februar sei ein weiteres Treffen mit Vertretern von Städten anberaumt, um das weitere Vorgehen abzustimmen, die Maßnahmen würden voraussichtlich bis Ende Februar beibehalten. „Wir hoffen, sie dann sukzessive zurückfahren zu können“, so Schwenke.
Von Veronika Schade