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Selbsthilfetag in Offenbach: Der Stigmatisierung entgegenwirken

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Von: Barbara Scholze

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In Offenbach gibt es am Selbsthilfetag in der Frankfurter Straße eine Offensive gegen Stigmatisierung. 28 Initiativen beteiligten sich.

Offenbach – Fräulein Frieda hat ganz schönzutun. Die auffällig bunt gekleidete junge Dame mit dem Regenschirm flitzt die Ausstellungsmeile in der Frankfurter Straße rauf und runter und bezirzt die Passanten mit ihrem trockenen Humor. Die gelernte Clownin, hinter deren Verkleidung Andrea Filsinger steckt, will dazu motivieren, Stände aufzusuchen und Informationsangebote anzunehmen.

Zum 34. Selbsthilfegruppentag sind 28 Initiativen aus dem Gesundheitsbereich in der Fußgängerzone angetreten, um ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben. Ist doch neben der medizinischen Versorgung bei Krankheiten mancher Ratschlag eines ebenfalls Betroffenen grundlegend wichtig. Organisiert haben die Präsentation das Selbsthilfebüro der paritätischen Projekte und die Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen im Gesundheitsbereich in Stadt und Kreis Offenbach.

Hilfe in Offenbach: Angehöriger von Alkoholkranken finden hier ein offenes Ohr

Fräulein Frieda will den präsentierten Themen „ein bisschen die Schwere nehmen“ und macht unter anderem Halt am Stand von Al-Anon. Auf dem Tisch liegen bunt bemalte Steine mit Slogans wie „Nur für heute“ oder „Das Wichtigste zuerst“. Hier finden auch die Rat und Hilfe, die sonst vielleicht nicht im Mittelpunkt einer Beratung stehen. Es geht um die Angehörigen von Alkoholerkrankten, um Partner, Kinder und auch Freunde und Kollegen. „Wie der Alkoholiker auf die Flasche konzentriert sich der Angehörige auf den Alkoholiker“, sagt Matthias von der Selbsthilfegruppe. Vor allem Kinder seien betroffen und neigten dazu, sich zu isolieren.

Ebenso ein Nischenthema, das gesellschaftlich gerne totgeschwiegen wird, sind sogenannte Sternenkinder, Kinder, die in der frühen Schwangerschaft, bei der Geburt, kurz nach der Entbindung oder innerhalb der ersten Lebenswochen verstorben sind. „Wir schauen hin, wenn andere wegschauen“, heißt es bei der Selbsthilfegruppe „Unsere Sternenkinder“.

Verein klärt in Offenbach auf: Sternkinder in der Gesellschaft immer noch Nischenthema

„Vor allem bei einer stillen Geburt, also einer Frühgeburt, nehmen die Leute das Kind nicht ernst, sie haben es nicht gesehen, nicht berühren oder halten können“, sagt eine der Betroffenen. Schnell komme es da zu Ratschlägen, wie: „ihr könnt es ja noch mal versuchen“. Neben dem Verständnis aus der eigenen Betroffenheit heraus geben die Vereinsvertreterinnen auch Tipps zur rechtlichen Situation, etwa bei Mutterschutz oder Bestattung. „Und wir beziehen selbstverständlich Väter, Geschwisterkinder und Großeltern ein“, betont die Sternenkinder-Vorsitzende Jessica Hefner.

Weiter geht es mit vielerlei Stationen zu Krankheiten wie Alzheimer, Epilepsie, Krebs oder Augenerkrankungen. Wer sich in eines der vielen Gespräche begibt, erfährt so, dass etwa Diabetes auf dem Vormarsch ist, die Aids-Hilfe dagegen nicht mehr so beansprucht wird. „Die Krankheit ist heute behandelbar und durch Corona etwas in den Hintergrund geraten“, heißt es. Im Pavillon des Gruppengründers Jörg Engelhardt geht es um Männer, die von Depression betroffen sind. Vor sechs Jahren gegründet, hat die Selbsthilfeinitiative inzwischen sogar einen zweiten Gesprächskreis ins Leben gerufen. „Der Bedarf ist hoch, noch immer ist die Krankheit vor allem bei Männern stigmatisiert“, sagt Engelhardt.

Selbsthilfetag in Offenbach: Zwischen Assistenzhunden und Blutzuckerwerten

Viele der vertretenen Selbsthilfegruppen bieten Aktionen an, zu sehen sind Assistenzhunde bei der Arbeit, wer will, kann sich die Blutzuckerwerte bestimmen lassen und am Stand des Freundes- und Förderkreises der Wohnanlage für Menschen mit geistiger Behinderung gibt es wohl gefüllte Wundertüten.

„Die Vertreter der Selbsthilfegruppen sind neben den Medizinern die wichtigen Fachleute“, sagt Tom Schüler vom Selbsthilfebüro. 120 Gruppen zu 40 verschiedenen Themengebieten gibt es in Stadt und Kreis. Das Büro stehe bei Neugründungen beiseite, wobei auch die kulturübergreifende Arbeit stärker in den Vordergrund rücke. „Da müssen wir genau hinschauen und die Vielseitigkeit beachten, es gibt Kulturen, die noch nicht einmal ein Wort für Selbsthilfe haben“, berichtet Schüler. (Barbara Scholze)

Einer blinden Frau aus Offenbach wurde zuletzt der Zugang zur Arztpraxis untersagt.

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