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Offenbach: Streit um „qualifizierten Mietspiegel“

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Von: Matthias Dahmer

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Vogelperspektive auf die Offenbacher Kernstadt.
Der alte Mietspiegel für Offenbach hat ausgedient. Ein neues, nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstelltes, Regelwerk soll her. Das wird nicht von allen begrüßt. © Häsler

Das Werk ist noch gar nicht erstellt, schon birgt es jede Menge Konfliktpotenzial. Die Rede ist von einem sogenannten qualifizierten Mietspiegel, der spätestens ab 2024 in der Stadt Offenbach gelten soll.

Offenbach - Im Zuge der turnusmäßigen Vorstellung der Zahlen zum seit mehr als 40 Jahren in Offenbach geltenden einfachen Mietspiegel, kündigte Bürgermeisterin Sabine Groß (Grüne) gestern das Vorhaben an und bekam überraschenden Gegenwind: Sowohl Manfred Kind, Rechtsanwalt des Vereins der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, als auch Detlev Dieckhöfer, der Geschäftsführer des Mieterbunds Offenbach, betonten die Praxistauglichkeit der bisherigen Regelung und sahen keine Notwendigkeit für ein komplexeres Werk, welches ihrer Ansicht nach zu mehr Streitigkeiten führen wird.

Bislang war es so: Die Herausgeber des Mietspiegels, der Mieterbund und der Verein der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, veröffentlichten mit dem städtischen Wohnungsamt alle zwei Jahre einen einfachen Mietspiegel als Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete. Die Preisermittlung beruht auf Zahlen der Herausgeber, der Mainarbeit und des Sozialamts. Weiterhin liegen ihnen die statistischen Werte der Indexmieten des Statistischen Landesamtes zugrunde.

Sabine Groß: Qualifizierter Mietspiegel rechtssicherer, aber teurer

Sabine Groß hob die Vorteile der angestrebten Neuerung hervor: „Ein qualifizierter Mietspiegel hat viele Vorteile für Mieter und Vermieter: Er wird nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und in aller Regel auch vor Gericht als Beweismittel anerkannt.“

Mieter könnten sich bei überhöhten Mietforderungen besser wehren und auf die Angaben des qualifizierten Mietspiegels berufen. Vermieter wiederum könnten damit zuverlässiger die ortsübliche Miete ermitteln. „Insgesamt erhöht ein qualifizierter Mietspiegel die Rechtssicherheit für alle Parteien“, so Groß.

Zugleich räumte sie ein, die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels sei wesentlich aufwendiger und damit auch teurer: „Das Land Hessen hat ein Förderprogramm aufgestellt, mit dem die Kosten für die Neuerstellung eines Mietspiegels mit bis zu 70 Prozent gefördert werden. Darauf haben wir uns bereits beworben.“ Mit Zahlen hielt sich Groß mit Blick darauf, dass die Arbeit an einen externen Dienstleister vergeben wird, noch bedeckt. In Frankfurt, so war zu erfahren, schlägt die Abfassung eines qualifizierten Mietspiegels mit einem sechsstelligen Betrag jenseits der halben Million zu Buche.

Mieter- und Vermieter-Vertreter fürchten erhöhtes Konfliktpotenzial

Gemäß gesetzlicher Vorgaben muss der qualifizierte Spiegel alle zwei Jahre veröffentlicht werden, alle vier Jahre ist seine – dann nicht mehr förderfähige – Neuerstellung fällig. Die Interessensvertreter von Mietern und Vermietern sollen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit im Boot bleiben, wobei ihrer Mitwirkung wesentlich geringer sein dürfte als bisher. Schließlich wies die Bürgermeisterin darauf hin, dass die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels zudem im neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene für alle Kommunen über 100 000 Einwohner verpflichtend vorgesehen sei.

Dieckhöfer und Kind als die Vertreter von Mieter- und Vermieterseite sehen das Vorhaben äußerst kritisch. Der einfache Mietspiegel habe sich in Offenbach aufgrund seiner Übersichtlichkeit seit mehr als vier Jahrzehnten bewährt und werde auch von den Gerichten im Falle von Streitigkeiten als Beweismittel anerkannt. Ein qualifizierter Mietspiegel, das sei etwa aus Frankfurt und Darmstadt bekannt, biete aufgrund seiner Komplexität wesentlich mehr Anlass für Streitigkeiten, so Mieterbund-Chef Dieckhöfer. Zudem sei die dafür notwendige Datenerhebung mit sehr viel Aufwand und Bürokratie verbunden.

Die Stadtverordnetenfraktion der Grünen unterstützt dagegen ihre Parteikollegin Sabine Groß. „Damit geben wir den Mieterinnen und Mietern ein stärkeres Instrument an die Hand, um sich gegen ungerechtfertigte Mieterhöhungen zu wehren, und Politik und Verwaltung bekommen einen besseren Überblick über die Mietentwicklung in Offenbach“, freut sich Fraktionsvorsitzender Tobias Dondelinger. (Matthias Dahmer)

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