Streit um schleppende Digitalisierung

Alles digital am Donnerstag: Nicht nur, dass die Stadtverordnetenversammlung erstmals im Live-Stream im Internet zu verfolgen ist, auch die Frage, wie digital es in der Stadtverwaltung zugeht, beschäftigt die Mandatsträger.
Offenbach - Aus Sicht der CDU gibt es in Offenbachs Stadtverwaltung noch viel Luft nach oben: „In Sachen Digitalisierung hinkt Offenbach hinterher“, sagt Christdemokratin Kim-Sarah Speer, „wir dürfen jetzt den Anschluss nicht verlieren.“ Denn weder gibt es die von der CDU oft geforderte digitale Bauakte, auch auf anderen Verwaltungsfeldern fehle eine greifbare Strategie.
Noch immer müssten Bauanträge in vierfacher Ausführung eingereicht werden, die dann von einer studentischen Hilfskraft nachträglich eingescannt würden, kritisiert Speers Parteikollege Dominik Mangelmann. Beim Kreis Offenbach könne man Anträge dagegen seit 2020 digital einreichen. In Offenbach warte man dagegen, bis Frankfurt sich für ein System entschieden habe.
Die Kritik will Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD), verantwortlicher Dezernent für die Digitalisierung, freilich nicht so stehen lassen – auch wenn er einräumen muss, dass „Offenbach kein Vorreiter bei der Digitalisierung“ ist. Die Vorarbeiten für die Digitalisierungsstrategie seien aber geleistet und Fördergeld in Millionenhöhe eingeworben. Schwenke hofft, dass bis Mitte 2025 gemeinsam mit Frankfurt die digitale Verwaltung umgesetzt werde. Es sei sinnvoll, sich an der „wichtigsten Stadt“ im Umkreis zu orientieren in Fragen der Digitalisierung: Statt auf Insellösungen zu setzen, seien gemeinsame Systeme sinnvoll.
Beim digitalen Baugenehmigungsverfahren entwickele das Hessische Ministerium zusammen mit Ekom 21 ein Portal, das voraussichtlich im Juni dieses Jahres fertiggestellt werde. Die von Mangelmann kritisierte Digitalisierung der vorhandenen Bauakten wird jedoch noch Zeit in Anspruch nehmen, Mitte 2025 sollen die Unterlagen ins Digitale transferiert sein.
Da Digitalisierung von den Liberalen zu deren Kernanliegen gezählt wird, sind trotz der gemeinsamen Koalition mit SPD und Grünen feine Abstufungen in der Debatte spürbar: Oliver Stirböck erklärt, dass die CDU in der Stadt offenbar die Rolle einnimmt, die er für die FDP im Landtag als Mahner in Sachen Digitalisierung besetze.
Dass es den Liberalen nicht schnell genug geht, gleich welche Koalition regiert, ist in der Debatte deutlich zu vernehmen. Am Beispiel des digitalen Parktickets beschreibt er, wie schwer es der Verwaltung fällt, sich auf neue Techniken einzustellen. 2012, als SPD, Grüne und Freie Wähler koalierten, habe seine Partei das digitale Parkticket gefordert, 2016 sei es als Ziel in den Tansania-Vertrag zwischen CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern geschrieben worden. „Erst fünf Jahre später konnte es eingeführt werden“, sagt Stirböck. In Deutschland habe man das Problem, alles „wahnsinnig perfekt“ machen zu wollen, was eben viel Zeit koste. „Wir brauchen eher eine Try-und-Error-Kultur“, sagt Stirböck.
In Sachen digitaler Bauakte hätte man eine Insellösung umsetzen können, wie es der Kreis Offenbach getan habe, nun warte man eben auf ein Produkt des Landes. Der CDU-Antrag sei ihm durchaus sympathisch, dennoch lehne seine Fraktion ihn ab. Trotz der bündnisstrategischen Ablehnung setzt er hinterher: „Vielleicht peitscht er die Verwaltung noch mal an.“
Da Schwenke die Digitalisierung in seinem Wahlkampf als Kernanliegen einst beschrieb, springt ihm seine Partei bei: Im Wahljahr soll kein Zweifel aufkommen, ob das Projekt auch zielstrebig verfolgt wurde. „Es mangelt auch an Ressourcen in der Stadt für eine Umsetzung“, erklärt Christian Grünewald. Außerdem sei es notwendig, landes- und bundesweit auf einheitliche Systeme zu setzen statt auf viele unterschiedliche Insellösungen.
„Wir haben es verpasst, an der Spitze zu sein bei der Digitalisierung – nun gilt es, nicht dauerhaft hinterherzuhinken“, sagt Schwenke. Doch dafür seien eher äußere Bedingungen wie eben die ungenügende Finanzausstattung der Stadt verantwortlich, nicht aber mangelndes Engagement innerhalb der Verwaltung.
Von Frank Sommer