Streit um Strategie bei Entsiegelung

Initiative Stadtfieber wirft Magistrat vor, falsche Prioritäten zu setzen
Offenbach – Die Bürgerinitiative „Stadtfieber“ zeigt sich mit Blick auf den Klimawandel irritiert über den Kurs der Stadtregierung. Konkreter Aufhänger ist die städtische Plakataktion unter der Überschrift „Für’s Entsiegeln Geld bekommen.“ Mit dieser Aktion, die auch unter dem Slogan „Schwammstadt Offenbach“ propagiert wird, sollen Privatbesitzer motiviert werden, ihre Grundstücke zu entsiegeln.
Auch Stadtfieber findet es wichtig, etwas gegen die zunehmende Versiegelung in der Stadt zu tun. „Nur sollte die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen. Denn durch vergangene und aktuelle Projekte ist rare Naturfläche im enormen Ausmaß versiegelt worden oder davon bedroht“, sagt Stadtfieber-Sprecher Günther Eufinger. Als Beispiele nennt er das Baugebiet An den Eichen (100 000 Quadratmeter), das Rechenzentrum am Lämmerspieler Weg (50 000 qm), das neue Polizeipräsidium (35 000 qm).
Vor diesem Hintergrund wäre nach Ansicht der Bürgerinitiative zu erwarten, dass zumindest für die Zukunft Klimaschutz durch Reduktion des Autoverkehrs und den Erhalt von Grünflächen und Kaltluftschneisen oberste Priorität hätte. Eufinger: „Doch genau das Gegenteil wird mit der geplanten Verlängerung der B 448 der Zerstörung von Teilen des Lohwaldes und dem neuen Baugebiet Bieber Waldhof-West getan.“
Die Bürgerinitiative schlägt vor, dass die Stadt verstärkt auf Flächeneffizienz setzt: Zunächst solle – gemäß dem Ziel des Baugesetzbuches – „Innen- vor Außenentwicklung“ geprüft werden, ob in bereits entwickelten Gebieten Wohnraum, beispielsweise durch Aufstockung, Anbau und Umnutzung, geschaffen werden könne.
Gleichzeitig plädiert Stadtfieber dafür, im Zuge einer Strategie der „doppelten Innenentwicklung Grünflächen qualitativ und quantitativ so aufzuwerten, dass diese ihre Funktionen in Sachen Klima und Erholung erfüllen können.
Die Stadtregierung weist die Kritik der Initiative zurück: Im Gegensatz zu individuellen Einzelinteressen müsse die Stadt stets alle Interessen und Güter bei allen Entwicklungen abwägen. Zur Daseinsvorsorge gehöre unter anderem die Sicherstellung wichtiger Sicherheitsstruktureinrichtungen (Polizeipräsidium), der Ausbau der Infrastrukturleistungen (Rechenzentren), die Bereitstellung von weiteren Flächen für Kitas und Schulen, ein gesundes und nachhaltiges Wachstum sowie ein steuerndes Einwirken auf die steigenden Wohnkosten durch ein verstärktes Wohnraumangebot. „Diese Ziele lassen sich in der vergleichsweise kleinen Gemarkung der Stadt Offenbach kaum noch durch Nachverdichtung der bereits dicht bebauten Stadtflächen verwirklichen“, heißt es. Bei der Inanspruchnahme weiterer Flächen nehme die Stadt die Abwägung aller wichtigen Klima- und Umweltschutzbelange vor. Wenn die Bebauung zusätzlicher Flächen erforderlich sei, dann immer mit einem entsprechenden Ausgleich.
Die von der Initiative Stadtfieber angemahnte Sensibilität sei absolut berechtigt und deshalb auch Grundlage für alle Entscheidungen der Stadt über neue Vorhaben. Einen Widerspruch zwischen dieser maßvollen und abwägenden Weiterentwicklung, auch im Außenbereich und den mit der Entsiegelungsrichtlinie verfolgten Zielen im Innenbereich sehe die Stadt keinesfalls in dem Maße, wie es die Bürgerinitiative unterstelle.
Mit Blick auf Entsiegelungsmaßnahmen wird betont, sie sollten, innerhalb der dicht bebauten Teile der Stadt, insbesondere auch auf privaten Grundstücken erfolgen. „Also dort, wo Starkregen die größten Schäden anrichten kann. Dabei unterstützt die Stadt Bürgerinnen und Bürger finanziell, weil die Stadt selbst keine Entsiegelungen auf den meist privaten Grundstücken ausführen kann“, heißt es aus dem Rathaus. Darauf baue im Übrigen die Maßnahme „Für’s Entsiegeln Geld bekommen!“ auf. Durch den Schwammstadt-Beschluss habe sich die Stadt zudem verpflichtet, entsprechende Maßnahmen umzusetzen. So sei etwa eine Niederschlagwassersatzung geplant.
Was die Verlängerung der B 448 angeht, wird darauf hingewiesen, dass beim Trassenverlauf so viel Wald wie möglich geschont werden soll. Zudem werde als Ausgleich am „Kleeblatt“ der B 448 großflächig entsiegelt. Die Stadt gehe dabei sogar über die gesetzlichen Anforderungen hinaus.
