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Nackte Haut an geschichtsträchtigem Ort: Streit um Stripper im Offenbacher Capitol

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Von: Christian Reinartz

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Zehn Stripper der Gruppe „Sixx Paxx“ sollen am Montagabend im Capitol (oben) fast komplett blankziehen. Aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds und der zeitlichen Nähe zum 9. November wird das nun kritisiert.
Zehn Stripper der Gruppe „Sixx Paxx“ haben am Montagabend im Capitol fast komplett blankgezogen. Aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds und der zeitlichen Nähe zum 9. November wird das nun kritisiert. © Stadt/Veranstalter

Eine Strip-Show im Offenbacher Kapitol sorgt für massive Kritik. Das Gebäude ist eine ehemalige Synagoge, die jüdische Gemeinde ist empört.

Offenbach – Bei der Strip-Show der Männer-Combo „Sixx Paxx“, die am vergangenen Montag im Offenbacher Capitol mehr oder weniger blank gezogen hat, war Anfassen „nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht“. So stand es in der Ankündigung des Veranstalters. Und genau das sorgt nun für Ärger. Denn das Capitol ist als ehemalige Synagoge ein geschichtsträchtiger Ort mit besonderer Bedeutung.

Erst vor wenigen Wochen war es zum Eklat gekommen, weil Michael Cinqueoncie, Vater des mehrfachen Junioren-Boxweltmeisters Luca Cinqueoncie, erklärt hatte, dass sein Sohn im kommenden Jahr die Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht in Offenbach bestreiten soll, und zwar im Capitol. Es folgte Empörung bei der „Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft“ und beim Förderverein des Capitol-Theaters. Auch Oberbürgermeister und Kulturdezernent Felix Schwenke positionierte sich klar und fegte den Wunsch vom Tisch.

Kritik an Strip-Show in Offenbach: „Ignorant und unverfroren“

Diesmal geht es wieder um muskelbepackte Männer. Die schlagen sich zwar nicht, sondern sollten mit einer Strip-Show das hauptsächlich weibliche Publikum begeistern. Dennoch sorgt der Auftritt wieder für Verwerfungen. Die Lager sind diesmal aber offenbar nicht ganz so klar.

Anton Jakob Weinberger, Vorsitzender der Gesellschaft, positioniert sich und seine Mitstreiter klar: „Die ,Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft‘ hält die Präsentation einer pornografischen Schau in der ehemaligen Offenbacher Synagoge für die religiöse und historische Bedeutung des Gebäudes unwürdig. Es handelt sich seitens des Veranstalters offenkundig um einen Ausdruck von Geschichtsvergessenheit.“ Weiter heißt es: „Eine solche ,Anfassbar!‘-Schau vier Tage nach der 84. Wiederkehr des Tages in eben jenem einstigen Synagogengebäude zu präsentieren, welches am Morgen des 10. November 1938 im Inneren demoliert, ausgeraubt und in Brand gesetzt wurde, ist ignorant und unverfroren.“

Sich öffentlich an nackter Männerhaut zu ergötzen mag manchen Frauen Vergnügen bereiten, räumt Weinberger ein. „Solche Lust durch ,Anfassen‘ der ,heißesten Männer Europas‘ steigern zu wollen, ist Pornografie.“ Diese Lust im Gebäude der ehemaligen Offenbacher Synagoge an der Goethestraße ausleben zu wollen, verhöhne die von den Nationalsozialisten verfolgten, verjagten und ermordeten Juden – unter ihnen zirka 450 Offenbacher.

Verteidigung von der Geschäftsführung: Bisher hat sich niemand aufgeregt

Auch in der jüdischen Gemeinde ist man wenig erfreut über den Auftritt der Stripper. „Die Jüdische Gemeinde sieht sich nicht als Zensur für das Capitol und seine Veranstaltungen, aber wir erwarten hier doch etwas mehr Fingerspitzengefühl seitens der Leitung des Capitols und der Veranstaltungen, die in diesem Hause stattfinden“, stellt Henryk Fridman vom Gemeindevorstand klar. „Eine solche Veranstaltung, fünf Tage nach den Gedenkfeiern zur Reichspogromnacht, ist definitiv nicht angebracht und hätte erst gar nicht in den Veranstaltungskalender aufgenommen werden dürfen.“

Mit den Vorwürfen konfrontiert erklärt Birgit von Hellborn, Geschäftsführerin des Capitols und der Stadthalle, die Entscheidung für die Sixx Paxx. Solche Veranstaltungen fänden seit Jahren immer wieder im Capitol statt und es habe sich bisher niemand aufgeregt. Allerdings räumt sie ein, dass die Ankündigung des Veranstalters mehr verspreche als letzten Endes auf der Bühne präsentiert werde. Eine Nachfrage beim für die Truppe zuständigen Veranstaltungsbüro bringt wenig Klarheit. „Anfassen ist erlaubt, Grapschen nicht“, formuliert es eine Mitarbeiterin. Zudem würden die Männer zwar blankziehen. Allerdings würde „das letzte bisschen Haut“ verdeckt bleiben, versichert sie.

Strip-Show im Capitol: Gespräche zwischen Kritikern und Veranstaltern

Oberbürgermeister Felix Schwenke begrüßt unterdessen ausdrücklich, dass die jüdische Gemeinde sich nicht als Zensurinstanz für das Capitol begreife. „In dem Haus muss die Freiheit der Kultur hoch gehängt werden und auch gewaltfreier Sport muss möglich sein.“ Dennoch sei man sich klar, dass es ein besonderes Haus sei. Die Aussage der Gemeinde verstehe er als eindeutigen Ausdruck des Bedürfnisses, „dass die heute in der Jüdischen Gemeinde in Verantwortung stehenden Personen sich mal wieder mit der Leitung des Capitols an einen Tisch setzen und die wechselseitigen Einschätzungen austauschen wollen.“ Geschäftsführerin Birgit von Hellborn habe ihm bereits zugesagt, dass sie auf die Jüdische Gemeinde zugehen werde. (Christian Reinartz)

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