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„Tanz in den Mai“ in Offenbach: Keine Zukunft am Wilhelmsplatz - Schlag für Gastronomen

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Von: Ronny Paul

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In Zukunft wird der beliebte „Tanz in den Mai“ in Offenbach nicht mehr auf dem Wilhelmsplatz stattfinden können. Die Stadt gibt einem Schallschutzgutachten nach.

Offenbach – Eine milde Frühlingsnacht in Offenbach, tausende Füße bedecken das Kopfsteinpflaster auf dem Wilhelmsplatz. Menschen unterhalten sich, nippen an Cocktails und bewegen sich im Rhythmus der Musik. Wohin die Kamera auch schwenkt – überall fröhliche Gesichter.

Videos von Youssef El Machit zeugen von einem rauschenden Fest im Herzen Offenbachs. Aus der Befürchtung, die an dem Abend des 30. April die Runde macht, es könnte die letzte Party dieser Art gewesen sein, wird ein paar Tage danach Gewissheit. „Die Veranstaltung kann in dieser Form künftig nicht mehr auf dem Wilhelmsplatz stattfinden“, heißt es aus dem Rathaus. Ein Schallschutzgutachten lasse der Stadt keine andere Wahl.

Nicht nur für El Machit, Inhaber des Tafelspitz und Mitinhaber des Fleischeslust, ein herber Schlag. „Es ist das einzige Fest, das wir Gastronomen auf dem Wilhelmsplatz feiern“, sagt der 45-Jährige. „Es ist wie ein riesiges Klassentreffen, Offenbacher aus allen Schichten feiern zusammen.“ Auch Eric Münch kann’s nicht glauben. Der Markthaus-Inhaber hat 2006 den ersten Tanz in den Mai mit seinem Bruder Jörg aus der Taufe gehoben und ihn über die Jahre mit den anderen Gastronomen am Platz zu einem echten Selbstläufer werden lassen.

Letzter Akt: Der von den Gastronomen veranstaltete und stets gut besuchte „Tanz in den Mai“ auf dem Wilhelmsplatz fällt dem Lärmschutz zum Opfer. Die Stadt sieht aufgrund eines Gutachtens keine Handhabe zur Fortführung.
Der von den Gastronomen veranstaltete „Tanz in den Mai“ auf dem Wilhelmsplatz fällt dem Lärmschutz zum Opfer. © p

Offenbach: Gastronomen wünschen eine Ausnahmeregelung für „Tanz in den Mai“

„Wir machen keine Werbung mehr, die Leute kommen einfach“, sagt der 56-Jährige. Für die Gastronomen sei der Mai-Tanz stets der Höhepunkt nach schwächeren Monaten zu Jahresbeginn. El Machit, Münch und die anderen Wirte wünschen sich eine Ausnahmeregelung. „In anderen Städten ist das ja auch möglich“, so El Machit.

Die Situation am Wilhelmsplatz lasse sich nicht eins-zu-eins auf andere Städte oder Örtlichkeiten übertragen, sagt dagegen Stadtsprecher Fabian El Cheikh. Das Schallschutzgutachten, das die Stadt 2022 als Reaktion auf einzelne Anwohnerbeschwerden in Auftrag gegeben hatte, „um Klarheit zu schaffen“, ziele explizit auf die Begebenheiten des Wilhelmsplatzes mit seiner umliegenden Wohnbebauung ab.

So dürfe der Schalldruckpegel tagsüber 60 Dezibel betragen, nachts, ab 22 Uhr, 45. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürften die Immissionsrichtwerte am Tag um nicht mehr als 30 Dezibel und in der Nacht um nicht mehr als 20 überschreiten. So ist auch zu erklären, warum die 1.-Mai-Kundgebung auf dem Wilhelmsplatz mit Livemusik unter Einhaltung der Lärmobergrenzen weiterhin stattfinden kann, der Tanz in den Mai aber nicht.

Ein Kneipenwirt zapft in einer Berliner Gaststätte Bier.
Die Gastwirte in Offenbach sind unzufrieden, denn für sie bedeutete das Stadtfest Hochkonjunktur. © Christoph Soeder/dpa

„Die Stadt ist an Recht und Gesetz gebunden“: Gastronomen in Offenbach sind unzufrieden

El Machit hat ein Stück weit Verständnis für die Anwohner. Er könne verstehen, dass sie es ruhig haben wollen. Man wisse aber auch, auf was man sich einlasse, wenn man an den Wilhelmsplatz ziehe. Münch kann seine Enttäuschung nicht verbergen: „Die Gastronomie lebt von Kulturveranstaltungen.“ Man könne sich nicht nur auf Essen und Trinken beschränken, um neue Kunden zu gewinnen. „Der Wilhelmsplatz ist wunderschön“, betont Münch, „aber es passiert nichts – das ist eine absolute Schande“.

Auch im Rathaus ist man offensichtlich nicht glücklich über die Situation, kann sich aber nicht aus juristischen Fesseln lösen. „Die Stadt ist an Recht und Gesetz gebunden“, stellt El Cheikh klar. Eine Ausnahmeregelung, die dieses Jahr letztmalig erteilt worden sei, weil die Stadt die Veranstaltung „gerne unterstützt“, sei auf Grundlage des Schallschutzgutachtens künftig rechtlich nicht mehr möglich und könne nicht mehr begründet werden.

Schalldruckpegel im Vergleich

Die unterste Hörschwelle, bis zu der das menschliche Gehör gerade noch Geräusche wahrnehmen kann, liegt bei einem Schalldruckpegel von null Dezibel (dB). Die oberste Gehörschwelle, also die Schmerzgrenze, liegt bei 130 dB. Schallpegel darüber werden deutlich als Schmerz empfunden.

Das eigene Atemgeräusch etwa hat einen Schalldruckpegel von etwa 30 dB, bei einer normalen Unterhaltung zwischen zwei Menschen werden etwa 60 dB gemessen. In einem Großraumbüro herrscht ein Schalldruckpegel von rund 70 dB, bei mittlerem Schwerlastverkehr steigt der Pegel auf etwa 85 dB. Richtig laut und teils schmerzhaft wird es unter anderem bei einem Presslufthammer (100 dB), einem Rockkonzert (110 dB) und bei einem Düsenjet-Start – in etwa 100 Meter Entfernung herrscht da immer noch ein Schalldruckpegel von 125 dB.

Offenbach: Neuer Standort für Stadtfest gesucht

Die einzige Möglichkeit, die das Papier lasse, sei durch die Gastronomen finanziell nicht darstellbar. Das Fest müsste eine hohe Standortgebundenheit (wie etwa der Kickers-Tag) oder eine soziale Funktion (wie etwa das Kulturfest der Nationen) erfüllen. „Eine solche Begründung ist für einen ‚Tanz in den Mai‘ ohnehin schon schwierig zu treffen – zwingende Voraussetzung wäre aber, dass zur Einhaltung der Lärmvorgaben nur eine einzelne Bühne installiert wird, die in ihrer Anordnung sowie der Ausrichtung und Einpegelung der Lautsprecher zu 100 Prozent dem vorliegenden Gutachten entspricht.“

Offenbach hat auch seine schönen Seiten: Der Hafen von Offenbach im Sonnenuntergang. (Archivfoto)
Die Stadt Offenbach bemüht sich um einen alternativen Standort für den beliebten „Tanz in den Mai“. © imageBROKER/Jan Wehnert/imago

Das wurde laut El Cheikh den Gastronomen vorgestellt und von diesen als wirtschaftlich nicht darstellbar bewertet. Nichtsdestotrotz werde die Stadt die Gastronomen innerhalb ihrer Möglichkeiten weiter unterstützen, insbesondere, wenn es darum gehe, einen Ausweichstandort zu finden. Denn es stehe außer Frage, betont El Cheikh, dass der Tanz in den Mai auf dem Wilhelmsplatz viele Menschen in die Stadt bringe, die diesen Abend mit schönen Erinnerungen an Offenbach verknüpften. Daher habe es im Vorfeld etliche Gespräche zwischen Stadt und den Wirten gegeben. Ein Weiteres ist nun im Nachgang geplant. (Ronny Paul)

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