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Kahlschlag in Offenbach geht weiter: Kaum mehr Corona-Testzentren

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Von: Christian Reinartz

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In Offenbach sollen weitere Test-Einrichtungen schließen. Laut den Betreibern würden dann jedoch 90 Prozent der Kapazitäten im Kampf gegen Corona entfallen.

Offenbach – Der Kahlschlag bei den Testzentren in Offenbach geht weiter: Nachdem schon die drei größten Einrichtungen der Firma Emanto vor einem Monat vom Regierungspräsidium (RP) Kassel dichtgemacht worden sind, geht die Behörde offenbar weiter mit der Sense durch Offenbach. Diesmal trifft es die beiden verbliebenen Zentren des Bürgeler Zahnarztes Moritz Breitenbach an der Mühlheimer Straße und in Bürgel. Damit würden dann, so die beiden Betreiber, insgesamt rund 90 Prozent der bisherigen Testkapazitäten in der Stadt Offenbach wegfallen.

Das Kuriose: Die Anschreiben an beide Unternehmen mit den Nachforderungen säumiger Nachweise lesen sich wie Blaupausen. „Es ist schon sehr auffällig, dass nach fast zwei Jahren erfolgreichem Testbetrieb inklusive PCR-Testung in enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt der Stadt jetzt auf einmal das RP kommt und mit Schließung droht“, sagt Breitenbach. „Das sind alles Forderungen, die ganz neu sind. Noch nie habe es deswegen Beschwerden gegeben“, erklärt er. Besonders ärgert ihn die Forderung des RP, aus der 20er-Packung Schnelltests erst mal zwei für einen sogenannten Positiv-negativ-Funktionstest zu verwenden, um zu überprüfen, ob die Packung in Ordnung ist. „Nicht nur, dass uns so aus jeder Packung ein paar Tests wegfallen“, sagt Breitenbach. „Es gibt weltweit nur wenige seltene Testkits aus China, die eine solche Überprüfung überhaupt ermöglichen. Das alles wirkt für mich, als habe man gezielt Punkte aufgelistet, die die Betreiber nur schwer erfüllen können, um jetzt möglichst viele Testzentren zu schließen und so die Kosten zu reduzieren.“

Corona in Offenbach: „Es ist, als wenn es da eine politische Weisung gäbe“

Eine ähnliche Vermutung hatte auch schon Emanto-Chef Torsten Möller. „Warum werden da jetzt plötzlich Maßstäbe angelegt, von denen bisher niemals die Rede war?“, fragt Möller. Schließlich hätten Überprüfungen durch das Gesundheitsamt immer wieder ergeben, dass alles völlig in Ordnung gewesen sei. „Und es spricht auch Bände, dass wir schon nach vier Tagen alle benötigten Nachweise eingereicht hatten und nun seit fast einem Monat darauf warten, dass das Regierungspräsidium uns eine Rückmeldung gibt“, begründet der Emanto-Chef sein Misstrauen gegenüber der Kasseler Behörde. „Es ist, als wenn es da eine politische Weisung gäbe, die großen Zentren, die dementsprechend viele kostenlose Tests abrechnen, um jeden Preis dichtzumachen.“

Für Offenbach hat das Vorgehen des RP Kassel schwerwiegende Folgen: Im Falle einer Winterwelle hätte die Stadt viel zu wenig Testkapazitäten. Dazu kommt: Neue Ersatztestzentren dürfen laut Gesetz seit dem Sommer nicht mehr eröffnet werden.

Beim Regierungspräsidium Kassel weist Sprecher Hendrik Kalvelage die Vorwürfe, das RP „vollziehe einen politischen Willen und untersage den Testbetrieb aus sachfremden Beweggründen“ zurück. Er sagt: „Durch den Betreiber konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Antigen-Schnelltests oder die PCR-Testung unter Einhaltung der rechtlichen Anforderungen erfolgt.“ Zu weiteren Einzelheiten wolle er sich aus Gründen des Datenschutzes aber nicht äußern. Dass Emanto, wie von Torsten Möller versichert, bereits alle geforderten Nachweise vorgelegt habe, bestreitet er. Die Anforderungen und Vorgaben für Testzentren seien bislang gleichgeblieben und seien auch schon zu Beginn der Pandemie bekannt gemacht worden. Allerdings räumt er ein, dass eine Kontrolle dem RP nur stichpunktartig möglich sei.

Bürgeler Testzentrum ohne Kunden: Betreiber Moritz Breitenbach und seine Mitarbeiterin Sandra Samardzic wissen nicht, wann das RP die Schließung anordnet.
Bürgeler Testzentrum ohne Kunden: Betreiber Moritz Breitenbach und seine Mitarbeiterin Sandra Samardzic wissen nicht, wann das RP die Schließung anordnet. © Reinartz

Corona in Offenbach: Warum werden Testzentren einer Großstadt „auf einen Schlag“ geschlossen?

Für Breitenbach ist das eine Farce: „Da muss mir jetzt mal einer logisch erklären, wieso sich das RP auf einen Schlag alle großen Teststellen einer Großstadt heraussucht und damit fast das komplette Testangebot aushebelt.“ Denn in einem Punkt ist er sicher: „Die Anforderungen, die das RP jetzt erfüllt haben will, kann kein Betreiber auch nur im Ansatz erbringen.“

Immerhin ließe sich schnell nachweisen, ob es die von Möller und Breitenbach vermuteten Auffälligkeiten in der Überprüfungsstrategie gäbe. Nämlich mit der Frage wie viele Teststellen hessenweit im Monatsvergleich geschlossen wurden. Eine Häufung in jüngster Zeit würde so sofort auffallen. Die Antwort des RP: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die erbetenen Zahlen mit Rücksicht auf ein wirksames Überwachungssystem nicht im Detail öffentlich aufschlüsseln werden.“

Jedenfalls scheint der Testzentren-Kahlschlag nun Wellen bis ins hessische Sozialministerium zu schlagen. „Die Testmöglichkeiten von Emanto und Herrn Breitenbach sind eine wichtige, wenn auch nicht die einzige Säule im Angebot für Offenbach und es wäre durchaus ein Problem, wenn es in Offenbach kein ausreichendes Angebot an Testmöglichkeiten mehr geben würde“, sagt die Gesundheitsdezernentin, Bürgermeisterin Sabine Groß. „Ich habe mich dazu mit dem hessischen Gesundheitsminister, Kai Klose, ausgetauscht, der die Einschätzung der Stadt teilt, dass es weiterhin wichtig ist, Testmöglichkeiten zu nutzen und entsprechende Angebote vorzuhalten.“ (Christian Reinartz)

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