Tiefbauarbeiten als Knackpunkt: ENO rechtfertigt hohe Kostenvoranschläge für Fernwärme

Die Verwunderung in Offenbach über hohe Kostenvoranschläge für einen Fernwärme-Hausanschluss ist groß. Die ENO rechtfertigt die Preise.
Offenbach – So hat sich Beate Marquardt ihren Beitrag zur Klimawende nicht vorgestellt: Auf exakt 22 .193,50 Euro beläuft sich der Kostenvoranschlag, den ihr der EVO-Ableger Energienetze Offenbach GmbH (ENO) für den Anschluss ihres Mehrfamilienhauses ans Fernwärmenetz unterbreitete. „Dabei ist bei uns in der Senefelderstraße schon eine Fernwärmeleitung verlegt. Der Abstand zum Haus beträgt dort nur etwa drei bis vier Meter“, berichtet sie. Zum Vergleich führt sie an: Ein Versorgungsanschluss für Erdgas habe bei einer Immobilie in Bieber nur knapp über 3 000 Euro gekostet.
EVO-Sprecher Harald Hofmann bestätigt den im Kostenvoranschlag genannten Betrag und erläutert: Von den rund 22. 000 Euro müsse die staatliche Förderung abgezogen werden, die in diesem Fall etwa 6 000 Euro betrage. „Den erforderlichen Antrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle stallen wir“, sagt Hofmann.
Zugleich räumt er ein, auch die verbleibenden 16 .000 Euro seien noch happig. Der größte Posten seien die Tiefbauarbeiten, die man extern vergebe und die 85 bis 90 Prozent des Preises ausmachten. Die Kosten würden 1:1 an den Kunden weitergegeben. Hofmann: „Die Vergabe erfolgt nach europaweiter Ausschreibung gemäß Leistungsverzeichnis, wir nehmen den günstigsten Anbieter.“
Offenbach: EVO geht langfristig von sinkenden Preisen aus
Einen Durchschnittspreis pro Meter lässt sich nach Angaben des EVO-Sprechers nicht ermitteln. Jeder Fall sei anders und werde von vielen Faktoren, wie etwa Bodenbeschaffenheit oder Verkehrssituation beeinflusst. Grundsätzlich sei die Verlegung von Fernwärme aufwändig. Man benötige Stahlleitungen mit massiver Isolierung wobei jeweils zwei Rohre, eines für heißes Wasser, eines für den Rücklauf, benötigt würden. Hofmann: „Bei Gas haben wir nur Kunststoffrohre.“
Langfristig geht der EVO-Sprecher davon aus, dass die Preise sinken. Derzeit stamme die Hälfte der erzeugten Fernwärme aus dem EVO-Müllheizkraftwerk, die andere Hälfte aus Kohle und Pellets. „Bis Ende des Jahrzehnts steigen wir aus der Kohle aus. Dann haben wir eine rein regionale Wertschöpfungskette“, blickt Hofmann voraus. Hinzu komme, dass die Nachfrage nach Fernwärme auch bei kleineren Objekten größer werde. „Wenn das Auftragsvolumen steigt, sollte es günstiger werden.“ Zugleich versichert der EVO-Sprecher: „Das, was wir derzeit verlangen, sind keine Mondpreise.“
Tiefbauarbeiten als Knackpunkt für hohe Kosten
Nachzuprüfen ist das nur schwer: Der Frankfurter Energieversorger Mainova wollte kein Urteil zum konkreten Sachverhalt abgeben. „Leider können wir den beschriebenen Fall nicht bewerten, da wir die genauen Gegebenheiten vor Ort nicht kennen“, sagt Pressesprecherin Ulrike Schulz. Ihre grundsätzlichen Aussagen dürften indes die ENO bestätigen: „Die Kosten zur Herstellung eines Hausanschlusses variieren stark und ergeben sich in der Tat maßgeblich durch die Tiefbaukosten.
Diese sind abhängig von den Verhältnissen vor Ort und werden von einer Vielzahl von Einflussfaktoren geprägt, zum Beispiel Oberflächenbeschaffenheit, Verlauf von Fremdtrassen, Genehmigungs- und Gestattungskosten oder auch Bodenbelastungen.“ Auch in Frankfurt kämen solche Kostendimensionen teilweise vor, erläutert Schulz.
Hinzu komme, dass insgesamt die Kosten für Materialien und Tiefbau-Dienstleistungen in den letzten Monaten nennenswert gestiegen seien. Des Weiteren seien die für solche Arbeiten in Frage kommenden Tiefbauunternehmen momentan stark ausgelastet und teilweise kaum verfügbar.
Energie in Offenbach: Verbraucherzentrale nennt Zahlen
Unergiebig für den konkreten Fall ist eine Anfrage bei der Verbraucherzentrale Hessen: Zum Thema Anschlusskosten könne man leider keine fachkundige Auskunft geben und auch keinen passenden Kontakt vermitteln“, heißt es. Immerhin: Bei einem Pro und Contra zur Fernwärme nennt die Verbraucherzentrale auf ihrer Internet-Seite doch Zahlen: „Beim Wechsel auf Fernwärme fallen bei einem kleineren Gebäude einmalige Umstellungskosten in Höhe von etwa 8 000 bis 15. 000 Euro an. Darunter fallen die Entsorgung der Altanlage, der Anschluss an das Fernwärmenetz und der Einbau der sogenannten Fernwärmeübergabestation. Außerdem müssen Fachleute die Verteilung der Wärme im Gebäude passend einstellen“, heißt es.
Zufallsfund im Netz als Beispiel zwei: Die Erlanger Stadtwerke bieten eine Anschlusskosten-Pauschale. Diese beinhaltet die Gesamtkosten eines Standard-Hausanschlusses innerhalb und außerhalb des Privatgrundstückes einschließlich der Kosten für die kompletten Grabarbeiten, sowie der Kosten für die Oberflächenwiederherstellung im öffentlichen Raum. Der Grundbetrag beläuft sich beim in Frage kommenden Anschlusswert von 70 kW auf etwas mehr als 6 000 Euro brutto plus einem Längenzuschlag ab zehn Metern Grabarbeiten in Höhe von 187 Euro brutto je Meter. Die Förderung ist dabei noch nicht eingepreist. (Matthias Dahmer)
Im Zuge der Energiekrise erhöhte die EVO die Preise für Fernwärme in Offenbach.