Tierheim Offenbach überfüllt mit Coronakatzen: Sogar edle Rassen werden abgegeben

Während der Pandemie haben sich viele Menschen ein Haustier zugelegt. Davon landen jetzt zahlreiche wieder im Tierheim – so auch in Offenbach.
Offenbach - Der erste Stock im Offenbacher Tierheim gehört den Katzen. Hinter jeder Tür miaut es, schauen grüne, gelbe und blaue Kulleraugen dem Besucher entgegen. Selbst das Damen-WC musste zum Katzenzimmer umfunktioniert werden – ebenso das Vorstandsbüro. Aus einst sechs Katzenräumen sind zehn geworden. Die Zahl der Tierheimkatzen war noch nie so hoch wie jetzt.
40 Samtpfoten warten dort auf ein neues Zuhause – vom wenige Wochen alten Kätzchen bis zum Senior. Die meisten aber sind unter drei Jahre alt und erst in den vergangenen Monaten dazugekommen. Für Tierheimleiterin Tamara Hirning gibt es daher einen klaren Grund: „Es sind Katzen, die in Coronazeiten angeschafft wurden. Jetzt, wo das Leben wieder seinen gewohnten Gang geht, wollen die Besitzer sie nicht mehr haben.“
Tierheim Offenbach: Markt für Tiere „völlig übersättigt“
Wobei 80 Prozent Fundtiere sind. Katzen werden meist einfach ausgesetzt, ob im Wald oder vor dem Tierheimtor. Der Rest sind Abgabetiere, wobei als häufigster Grund Allergien genannt werden. Und längst sind es nicht nur Tiere mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Verhaltensauffälligkeiten, sondern sie sind kerngesund, wunderschön, teils sogar Rassekatzen.
So ist etwa ein ganzer Wurf Britisch Kurzhaar-Kätzchen mitsamt Elterntieren einfach vor der Tür abgestellt worden. Oder es wurde ein einjähriger, sehr aktiver Siam-Kater abgegeben, dessen Halter überfordert waren. Tiere, von denen anzunehmen wäre, dass sie ohne weiteres verkauft werden könnten. „Das gibt der Markt aber nicht mehr her, er ist völlig übersättigt“, weiß Hirning. Das war in den vergangenen beiden Coronajahren noch anders. „Wir hatten hier zwischendurch gerade mal sieben Katzen.“
Tierheim Offenbach will bei Vermittlung nichts überstürzen
Wobei sie froh ist, dass keine Rückläufer in die Einrichtung am Wetterpark gekommen sind – für sie ein Ergebnis sorgfältiger Vermittlung: „Mensch und Katze müssen zusammen passen, die Chemie muss stimmen. Nur so können beide auf Dauer glücklich werden.“ Daher legt das Tierheim großen Wert darauf, nichts zu überstürzen. „Wir lernen unsere Tiere erst mal kennen, damit wir genau wissen, wie sie ticken und welche Leute zu ihnen passen.“
Mit Interessenten werden Termine vereinbart, man nimmt sich bis zu zwei Stunden Zeit für die Beratung und gegenseitiges Kennenlernen. Jungtiere und Wohnungskatzen werden zu zweit abgegeben, nach den Richtlinien des Deutschen Tierschutzbundes. „Es gibt für jeden Menschen die passende Katze. Die finden wir auch. Und wenn nicht sofort, dann vielleicht in zwei Wochen“, so die Tierheimleiterin. Denn die Fluktuation ist hoch. „Gefühlt kommen momentan für jede vermittelte Katze drei nach.“
Tierheim Offenbach: Sorgen der Mitarbeiter über die Zukunft
Jeder Neuankömmling wird tierärztlich untersucht, geimpft, entwurmt und bei Bedarf kastriert. In jedem vermittelten Stubentiger stecken meist mehrere hundert Euro allein an Tierarztkosten. Dafür schlägt die Vermittlung mit gerade mal 130 Euro zu Buche. „Allein für die Katzen zahlen wir monatlich rund 4000 Euro für den Tierarzt, für alle Tiere zusammen sind es 8000 bis 10 000 Euro. Und das ist ein guter Monat ohne größere Operationen.“ Hinzu kommen die Kosten fürs Katzenstreu und Futter, rund 30 Dosen Katzenfutter am Tag.
„Tierschutz ist immer ein absolutes Minusgeschäft“, weiß Hirning. Umso bitterer ist es, dass in dieser krisengeschüttelten Zeit die Spendenbereitschaft deutlich abgenommen hat. „Wir bekommen weniger Geld-, aber auch weniger Futterspenden.“ Sorge bereitet ihr, dass ab Oktober die Gebührenordnung für Tierärzte aktualisiert wurde und die Preise dadurch stark ansteigen. Nicht nur, dass dadurch die Kosten fürs Tierheim noch höher werden: „Wir befürchten, dass noch mehr Tiere abgegeben werden, weil sie ihren Haltern zu teuer werden. Vor allem chronisch kranke Tiere.“ Sie stellt jedoch trotz der angespannten Lage klar: „Wir lehnen kein Tier ab.“ Menschen, die aus einer Notsituation heraus ihr Tier abgeben müssen, sollten keine Scheu haben, vorbeizukommen – man wolle schließlich nicht nur Tieren, sondern auch Menschen helfen. „In solchen Fällen nehmen wir für die Abgabe kein Geld.“ Grundsätzlich rät sie jedem Tierhalter, eine Versicherung für seine Fellnase abzuschließen, um nicht von unerwarteten Tierarztkosten überrollt zu werden.
Trotz harter Schicksale: Die Arbeit im Tierheim gibt den Mitarbeitern viel
Die derzeitige Flut an Katzen bedeutet nicht nur ein Platz- und Geldproblem, auch an Personal mangelt es. „Momentan sind drei Pfleger für rund 100 Tierheimtiere zuständig, neben den Katzen sind es rund 40 Kleintiere und 20 Hunde. „Natürlich ist die Beschäftigung der Tiere nicht so gegeben, wie sie es bräuchten“, bedauert Hirning. Doch trotz all dem und der manchmal traurigen Schicksale, die sie miterlebt, liebt sie ihre Arbeit: „Wenn unsere Tiere ein gutes Zuhause finden, ist das für uns das Schönste überhaupt.“ (Von Veronika Schade)
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