Ungewollte Botschaften

Offenbach - Beton als Leinwand, Sprayen als Kunstform: Beim Offenbacher Streetart-Festival „Livingwalls“ etwa ist Sprühen erwünscht. Die Teilnehmer verwandeln tristes Grau in bunte Flächen. Von Martin Kuhn
Weniger erfreulich und anschaulich wird das Ganze, wenn die Sprayer in der Illegalität agieren. Denen hat man vor vier Jahren den Kampf angesagt. Allerdings sind diese Sachbeschädigungen allenfalls einzudämmen.
In einer Vereinbarung gegen Graffiti hatten Stadt, Polizei und der Kreis der Bauwirtschaft unter anderem vereinbart, in Einzelfällen aufklärende Hinweise mit bis zu 1000 Euro zu belohnen – eine Aufgabe, die Ordnungsdezernent Paul-Gerhard Weiß stets gern wahrnimmt. Die öffentliche Belobigung ist das eine, die Entfernung der Schmierereien etwas anderes. Allein die Wortwahl zeigt: Unter Graffiti (griechisch: graphein = schreiben) verstehen viele großflächige Bilder, andere hingegen hingeschmierte Parolen oder Kürzel („Minsk“, „True“). Ästhetisch mag es da noch Unterschiede geben, juristisch eher nicht, da kommt mitunter nur die verschärfte Strafnorm der „gemeinschädlichen Sachbeschädigung“ in Betracht.
Betroffen sind Wände, Verteilerkästen, Fahrzeuge, Bundesbahneinrichtungen aller Art und andere größere Flächen, die den Tätern zum Besprühen geeignet erscheinen. Erstatten die Betroffenen Anzeige, wird’s zum Fall für die in Hanau stationierte Ermittlungsgruppe „Sprayer“ des Polizeipräsidiums. Deren Mitglieder durchleuchteten im vergangenen Jahr allein in Offenbach 146 Fälle (2010: 134; 2009: 71), geklärt wurden davon 82 (64; 15). Die Beamten konnten die Sachbeschädigungen elf Tätern (45; 9) zuschreiben.
Hohe Dunkelziffer
Da hilft die Eitelkeit der Sprüher: Jeder signiert seine Werke mit einem „Tag“ oder schreibt nur diesen auf eine Fläche. Das sind Buchstabenfolgen oder geschwungene Symbole, die in der Szene aller kriminellen Energie zum Trotz als geistiges Eigentum respektiert werden: Kein Sprayer benutzt das „Tag“ eines anderen. Ist so ein Graffito erst einem Täter zugeordnet, lässt der sich schnell mit anderen Schmierereien in Verbindung bringen.
Frank Weber weiß allerdings um eine Problematik. „Die Dunkelziffer ist enorm hoch“, sagt der stellvertretende Ordnungsamtsleiter. Das heißt: In der Polizei-Statistik erscheinen nur die angezeigten Sachbeschädigungen. Er lobt ausdrücklich die Offenbacher Wohnungsbaugesellschaften, die sich an die Absprachen halten: „Sie zeigen alle Fälle an, lassen alles wegmachen.“ Schwieriger sei es, Privatleute zur Anzeige zu motivieren: „Und wir können schließlich keinen zwingen.“
Wenn dem Außendienst eine besondere „Zierde“ auffällt, wird der Eigentümer angeschrieben. Als motivierend hatte sich vor geraumer Zeit ein kleiner finanzieller Zuschuss der Stadtwerke-Holding erwiesen – eine entsprechende Bitte leitet die Stadt an ihre Tochtergesellschaft weiter.
Schutzschicht soll neue Graffiti verhindern
Aktiv geht in jüngster Zeit auch das Karree Offenbach, ein Zusammenschluss von Gewerbetreibenden und Immobilieneigentümern in der Innenstadt, gegen die Hinterlassenschaften der Sprayer vor. Alle Hausfassaden wurden systematisch lokalisiert und fotografiert. Nachdem mit dem Hauseigentümer gesprochen war, wurde eine Fachfirma, die sich auf die Entfernung der Graffiti von Hauswänden spezialisiert hat, beauftragt, die unschönen Farben und Formen in der Offenbacher Innenstadt zu beseitigen. „Eine Schutzschicht soll verhindern, dass an diesen Stellen neue Graffiti aufgebracht werden können“, heißt es in einer Mitteilung. Die Kosten werden aus dem Budget der Mitglieder bezahlt.
Um neue Fälle bei der Polizei lückenlos zur Anzeige zu bringen, bietet diese einen bequemen Weg. Dies ist auch über die sogenannte Online-Wache im Internet möglich.
Großes Lob geht von den beteiligten Eigentümern, aber auch von den Verantwortlichen der Stadt an das Karree-Management. Dort ist versprochen, die Innenstadt Offenbachs auch künftig mit wachem Auge zu beobachten, um vorbeugend neue „Verschönerungen“ dieser Art in der Innenstadt zu verhindern.